Die Mitglieder der Royal Scottish Society of Arts wurden am Abend des 14. März 1864 mit einem besonderen Augenschmaus verwöhnt, als sie Sir James Laings neu erfundenes Motoriskop vorgestellt bekamen: Ein geschlitztes Band von Fotografien wurde zwischen zwei Spulen gerollt; und die Ehrenmänner spähten abwechselnd durch die Linse auf eine religiöse Szene, in der, laut den veröffentlichten Verhandlungsprotokollen des Verbandes, „der Rauch aus dem Schornstein des Landhauses produziert wurde, indem eine Menge weißer Wolle um einen Draht gewickelt und dieser in die benötigte Lage gebogen wurde; die Fahne aus Papier, und die Mühlengebläse aus Holz, dabei werden die verschiedenen Bewegungen bei jedem fortlaufenden Eindruck erstellt … Diese einfache Produktion zeigte wie weitere unkompliziert angefertigt werden konnten.“
Obwohl kein Knarren von den drehenden Flügeln der Windmühle vernommen wurde und es dem Bild an Farbe mangelte, so wirkte der entfernte Vorläufer der Aardman Animationen dennoch dreidimensional; mit einem weit verbreiteten fotomechanischen Verfahren jener Zeit. Diese Vorführung war die Krönung von mehr als 30 Jahren kreisender, flackernder, bewegter Bilder, die von vielen entwickelten Kopen und Tropen hauptsächlich als Unterhaltung für die Salons der viktorianischen Ära produziert wurden. Und doch war es sowohl Anfang als auch Ende von Laings Maschine: Es sind keine weiteren Informationen bekannt, und traurigerweise wurden keine Bilder dieses reizenden Landschafts-Dioramas gefunden.
Zunächst näherten sich die erhabensten Köpfe jener Zeit den Vorrichtungen der bewegten Bilder als philosophische Puzzle an – mit dem Phenakistiskop des belgischen Physikers Joseph Plateau und der Stroboskopscheibe des Wiener Professors Simon Ritter von Stampfer. Nahezu gleichzeitig erfanden sie im Wesentlichen dasselbe Gerät, das gezeichnete Animationen von einer Scheibe mit Schlitzen wiedergab. Stecken wir diese nun auf einen Stock mit der Bildseite in Richtung eines Spiegels sehen wir durch die Schlitze einen kurzen sich wiederholenden Film, der zurückreflektiert wird. Schnell wurden die Geräte zu einer Marotte der Öffentlichkeit; aber mit eigenartigen Themen: das Gesicht eines jungen Mädchens verwandelte sich in die Visage einer hässlichen Alten; Ratten flitzten unaufhörlich über und auf den Ecken der Scheibe – und erhielten Zuspruch neben den nüchternen Bebilderungen von Gauklern, Radfahrern und tanzenden Paaren.
Fasziniert von den komplexen optischen Überlegungen schlug der britische Mathematiker William Horner vor die Achse senkrecht zu stellen und die Ecken der Scheibe zu einem flachen Zylinder aufzubiegen. Nicht länger konnte nur einer nach dem anderen die sich magisch bewegenden Charaktere beobachten, sondern nun tummelte sich ein kleines Publikum um die drehende Trommel. Horners Optiker vor Ort wurde beauftragt einen Prototyp dieses Dädaleums 1833 zu erstellen, aber die Idee verlief für eine Generation im Sande. Sie kam erneut in der Arbeit des in London lebenden Franzosen Pierre Desvignes auf, der eine ganze Palette ähnlicher Maschinen für Zeichnungen, Fotographien und Modelle nutzte, wobei einige mit ihren stereoskopen Bildern einen Hauch dreidimensional wirkten. Sein Mimoskop sogar erhielt eine ehrenhafte Erwähnung auf der Weltausstellung in London 1862, bei der unter anderem Zeichnungen vorgestellt wurden, die sorgfältig den Bewegungsapparat von Insekten untersuchten – 136 Jahre bevor sowohl DreamWorks „Antz“ als auch Pixars „Das große Krabbeln“ in das Geschäft einstiegen.
Einige Jahre später erfand der junge amerikanische Student William Lincoln seine eigene Fassung und nannte es das Zootrop; seinem Oberbegriff seit damals. Lincolns örtlicher Ladenbesitzer schlug vor es zu Milton Bradley zu schicken, dem Mitbegründer der Spielindustrie. Als er sein Potential erkannte, ließ er das Zootrop patentieren und verkaufte Lizenzen an die Hersteller. In Kürze wurde die Maschine zu einem beliebten Fimmel der späten 1860er Jahre und sorgte entgegen weit verbreiteter Piraterie für eine stolze Summe in den Taschen Lincolns.
Als das neunzehnte Jahrhundert in den letzten Zügen stand, nahm die Animationstechnologie erst richtig Fahrt auf. In Kalifornien im Jahr 1878 stellte der britische Fotograph Eadweard Muybridge eine Reihe Kameras auf, wobei ein galoppierendes Pferd mittels gespannter Zugdrähte die Fotoapparate selbst auslöste. Die Animationen von Muybridges Serienfotographie bleiben selbst im schnelllebigen Zeitalter des World Wide Web omnipräsent: Denn wir sehen, was das Publikum im viktorianischen Zeitalter bei einem seiner Verträge gesehen hätte – zumindest vermuten wir das. Und das nur, da gewöhnlich angenommen wird, dass Muybridges Projektor, das prächtige Zoopraxiskop, kurze bewegte Sequenzen seiner Fotographien wiedergab.
Aber eigentlich passierte etwas ganz anderes: Muybridge beauftragte einen anonymen Künstler die Serienfotographien eines sich bewegenden Pferdes sorgfältig mit dem Umfang einer großen Glasscheibe zu kopieren, damit die Serie von Silhouetten sogar die Haare des Schweifes und der Mähne zeigte. Als die Bewegung in Lebensgröße auf eine Leinwand projiziert wurde, erschien das Resultat erschreckend realistisch – die erste Bewegungserfassung ward geboren. Sein Ehrgeiz führte zu mehreren Sequenzen, die kombiniert ein bewegtes Bild ergaben; mit Pferden, die in entgegen gesetzte Richtungen trabten und Hunden, die vorbei huschten. Er fügte sogar vollkommen imaginäre Elemente wie lowryeske Streichholzzuschauer hinzu, die mit ihren Armen winkten. Diese Kombination wäre unmöglich gewesen, hätte er die originalen fotografierten Bilder mit ihren überladenen Hintergründen genutzt. Stattdessen erfasste Muybridge die Vitalität seiner Subjekte indem er die Resultate rotoskopierte – um einen Begriff zu nutzen, der erst eine Generation später aufkam.
Nur eine von Muybridges Scheiben verwendete reale Fotographien und zeigte ironischerweise ein totes Objekt – das Skelett eines toten Pferdes. Die neuen Fotos wurden auf Glasdias gedruckt und auf eine Scheibe geklebt. Es war eine klobige Produktionsmethode, doch sie funktionierte und griff Ray Harryhausens animierten Skeletten in „Sindbads siebente Reise“ von 1958 voraus. Für ein Jahrzehnt entzückte Muybridge Zuschauer mit seinen einzigartigen Animationen: von Nachmittagsvorstellungen für Kinder in Boston zu Soireen mit den führenden Künstlern und Wissenschaftlern der Pariser Gesellschaft – ganz zu schweigen von Vorführungen für das britische Königshaus. Aber allmählich verloren die galoppierenden schwarzen Schatten ihre Beine. Muybridge kam auf einen neuen Einfall; einer frischen Reihe von Scheiben mit vorbereiteten Zeichnungen von dem anatomischen Zeichner Irwin Faber, die bei der Weltausstellung in Chicago 1893 vorstellt werden sollten. Jene Technik nutzte Umrisszeichnungen, die als vollständige Sequenz auf eine große Glasplatte fotografiert wurden. Möglicherweise könnten die Scheiben fabrikmäßig erzeugt und die Farbe per Hand hinzugefügt werden.
Doch zu diesem Zeitpunkt hatte der französische Künstler Charles-Émile Reynaud ein langes Engagement in Paris begonnen und 15-minütige animierte Cartoonfilme mit seinem Théâtre Optique vor versammelten Haus im Musée Grévin vorgeführt. Muybridges Konkurrenten zeigten in Spielautomaten bereits reale Fotographiescheiben von hüpfenden Athleten und trottenden Tieren; und 1894 trafen Filme angemessen mit Edisons Guckkasten-Apparatur, dem Kinetoskop ein.
Anfang 1896 fanden Projektionsschirme eines Hausherren von erfinderischen Unternehmern aus Europa und Amerika Verwendung in der Öffentlichkeit. Im Glauben der falschen Fährte zu folgen, schrieb Muybridge Faber, der Zugang zu den Negativen der späteren Scheiben des Zoopraxiskops hatte, und bat ihn „sie in tausend Einzelteile zu zerschmettern.“ Er wünschte nicht länger mit diesen Zeichnungen in Verbindung gebracht und lediglich für seine fotographischen Werke erinnert zu werden.
Dennoch war Muybridge Teil von etwas Besonderem – einer fieberhaften Phase der Innovation, Raffinesse und des unternehmerischen Handelns, die eine neue Kunstform entwickelte, während die Entstehung einer anderen geebnet wurde. Und während reale Filme das Rampenlicht um die Wende zum 20. Jahrhundert stahlen, stand der Anbruch der Animationsgeschichte noch bevor.
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