Bitte mal bemitleiden: Der High-Society-Wohlstands-Hipster und Spitzen-Architekt Luc Sauvageau (Éric Bruneau) ist erfolgreich, hat seine schöne Ehefrau Stéphanie (Mélanie Thierry), mit der er auf den herrlichsten Seen paddeln und innigst verkehren kann, ist umringt von einem fabelhaften Freundeskreis unausstehlicher Gleichgesinnter und betreibt mit denen offenbar jede Sportart, die man sich denken kann – Tennis, Eishockey, Golf, Jagen; einfach alles, warum auch immer. Über allem steht bei ihm jedoch dieses glückselige Streben nach Perfektion, was natürlich seinem Beruf geschuldet ist, aber sowohl in seinem Lifestyle als auch in der durchgehend glatten Oberfläche von „An Eye for Beauty“ wiederzufinden ist. Und da auch das Karma Luc aufgrund seiner liebenswert-verdienten Mentalität für einen besonders heißen Bengel hält, funkt es eines Tages zudem ganz schön gewaltig zwischen ihm und der zuckersüßen Sekretärin Lindsay Walker (Melanie Merkosky: bar jeder genauen Charakterisierung ein verstohlen-dreinblickender Hochgenuss).

Beide üben aufeinander eine Anziehungskraft aus, die schlicht optischen Reizen, sprich der perfekten Architektur der Schönheit folgt und ohne Weiteres zum erfolgreichen, sexuell aktiven Date auf der romantischen Insel führt. Klingt wie eine wahrhaft naive Jugend-Fantasie, drum glaubt man als erfahrener Zuschauer zunächst: Der Schein trügt doch, hinter der sonnigen Fassade dieses potenziellen feuchten Traums schlummert doch bestimmt noch ein perfid-psychologischer, vielleicht sozialkritischer Thriller, der einem Patrick Bateman alle Ehre machen könnte. Aber auf derartige Spannung muss man leider doch verzichten. Stattdessen treten nur indirekte Folgeerscheinungen von Lucs Betrug auf, als unter anderem sein langjähriger alter Kollege und Lehrmeister Roger (Michel Forget) nach langem Rückenleiden verstirbt und auch Stéphanie recht unvermittelt Opfer von Depressionen wird, offenbar – jedenfalls abstrakt-suggeriert – dem Perfektionismus von allen Seiten geschuldet (oder auch, weil sie die falsche Tüte Gras geraucht hat).

Bevor aber weit Dramatischeres passieren kann – zum Beispiel, ob Luc wirklich diese eine harte existenzialistische Entscheidung treffen muss, mit welcher Frau er denn nun eher auf ewig schlafen will oder ob die Omnipräsenz von Architektur irgendeinen bestimmten Effekt auf unsere Charaktere haben soll –, löst sich die gesamte Situation in einer ansatzweise empathischen Versöhnung auf. Die Belanglosigkeit ist letztendlich König, auch weil man ja dem staatlich geförderten Bild des malerischen Kanadas, seinen reizenden Metropolen und atemberaubenden Naturschutzgebieten gerecht werden will. In dem Rahmen eine eventuelle psychologische Tiefe aus der überwältigenden Präsenz der Schönheit zu erschaffen, ist daher keine Option, jedenfalls sträubt sich Regisseur Denys Arcand davor, irgendeine Konsequenz aus seiner Geschichte zu ziehen.

Stattdessen gibt er schönen Leuten einen schönen Platz zum Leben – teilweise auch zum ungehemmten Ineinanderverschmelzen schöner nackter Körper – und der Zuschauer kann beim neidischen Zuschauen höchstens noch mit den First-World-Problems dieser charakterlich fernen Reichen sympathisieren, was im Gegenzug leider natürlich vollkommen kalt lässt. Nichts gegen jene Bevölkerungsgruppe (sind ja schließlich auch nur Menschen), aber wirklich nachvollziehen kann man sie hier nicht und auch eine subversiv-satirische Note lässt sich beim Film und seinem unkritischen Schwelgen in jenen Sphären nicht anerkennen. Am Ende bleibt nämlich nur die Huldigung an die gemütliche, stylische Architektur in ergonomischer Reinform direkt neben dem Abspann per Slideshow ablaufend. Eine Schönheit, die es ähnlich ausgefeilter Galerien mit dem prätentiösen Sektglas zu bewundern gilt und in der alle ihren herrlichen, clever-finanzierten Frieden finden. Insgesamt gilt für die Filmerfahrung an sich aber: Langweilen kann man sich auch zu Hause.

Meinungen

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