Jeder macht im Leben mehr oder weniger bewegende Erfahrungen zwischen Schule, Liebe, Freundschaft, Familie und sich selbst. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass auf Ebene der Kinoleinwand mehr als nur einmal vom Zeitraum des Heranwachsens erzählt wird. Das Genre des Coming of Age hilft seinem Teenie-Publikum in diesem Sinne gerne auf die Sprünge und ist dabei seit den achtziger Jahren derart erfolgreich, dass heutige Werke erneut auf den Sound und Spirit von einst zurückgreifen. So geschieht es auch in Jack Schreiers „Margos Spuren“, einer auf dem gleichnamigen Roman von John Green („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) basierenden Verfilmung adoleszenter Verarbeitungskunst. Es geht um den suburbanen Highschool-Jungen Quentin (Nat Wolff), seine Clique an liebenswerten Nerds und ferner um seine unerwiderte Liebe zur mysteriösen Nachbarsschönheit Margo (Cara Delevingne). Er ist der schüchterne, charismatische Protagonist mit Identifikationspotenzial; sie die draufgängerische Unruhestifterin voll unvergesslicher Abenteuer.

Beide sind Ideale, die per Drehbuchsprache und Voice-over zu lyrischen Fragen und Antworten kommen sowie über ihre Erfahrungen reflektieren können, wie es im Alter von achtzehn Jahren sicherlich nicht allen gelingen dürfte. Der Grundtenor verbleibt dankenswerterweise nicht in jener leicht prätentiösen Weltsicht, auch wenn er nicht unbedingt die Ehrlichkeit eines John Hughes innehat. Dafür aber immerhin die Sehnsucht zum Spaß und zum Glück, wie sie die eigensinnige Margo repräsentiert und Quentin eines Nachts als Komplize mit involviert: Streiche spielen, gemeinen Ex-Freunden die Tour vermasseln und die Freiheit vor dem College genießen. Wenn man die Haare Margos in Zeitlupe aus dem Autofenster flattern sieht, scheint ein Traum erfüllt und bedeutet auch für den Zuschauer: Willkommen auf Wolke Sieben. Doch ebenso aus heiterem Himmel verschwindet Margo. Und ehe sie vermisst wird, weiß jeder schon, dass sie einfach weggegangen ist; raus aus dieser „Papierstadt“, dem Ort aufgesetzter Vorstellungen und Persönlichkeiten. Ein klares Zeichen für den verliebten Quentin, aus der sozialen Verklemmtheit auszubrechen und den Spuren seines neuen Ideals Margo zu folgen.

Dieses Spiel mit den Eigenschaften des Genres gibt sich leicht subversiv, die Ausführung dringt dabei in konventionelle, nicht aber unvergnügliche Gebiete vor: In der Motivation zur Grenzüberschreitung steckt Quentin seine mutlosen Freunde erst an, ihn auf der Suche zu begleiten, Detektiv zu spielen und dafür auch mal die Schule zu schwänzen. Die Art, den Geheimnissen auf die Spur zu kommen, birgt kindlichen Leichtsinn und fördert vielleicht nicht den Schritt zum Erwachsenen, doch eher den zum Erleben und zum Selbstbewusstsein – etwas, das nicht einmal Margo trotz aller Erwartungen wirklich besaß. So strengt unsere Truppe also einen Roadtrip an, dessen Reise wie zu erwarten wichtiger ist als das Ziel. Denn auch da gilt: Papierstädte bleiben Papierstädte, selbst wenn man in ihnen dort sucht, wo eigentlich etwas stehen müsste, aber nicht existiert. Solche Bilder verkörpern ein Innenleben der Gefühle, ohne es direkt aussprechen zu müssen – eine alles andere als ungeschickte Inszenierungssprache.

Regisseur Schreier hält es sowieso nicht für nötig, explizit auf sein Handwerk hinzuweisen, stattdessen ist sein Ensemble schlicht unterwegs und im Sinne der Freundschaft verbunden: Insider-Gags unter sich, ulkige Stimmenverzerrungen, Erinnerungen an „Pokémon“ und die 1:1-Rekreation eines „Dumm und Dümmer“-Gags sprechen da die drollige Sprache bester Buddys und stellen die Frage, ob Vorlagenautor Green eher die eigene Wunschvorstellung seiner, statt der modernen Jugend porträtiert. Hier ist nämlich neben den Retro-Anspielungen das Meiste mittelschwer süß, von den Gesten der Freundschaft und Zuneigung bis hin zum Einverständnis des Lebensweges – eine Selbstsicherheit, wie sie den Charakteren eigentlich nicht auf Anhieb zugänglich sein sollte und so manche Entscheidung in viel zu erwachsener Bescheidenheit auflöst, aber dennoch als Abenteuer für den jungen Geist erheitert. Das heißt auch, dass der Film eher den jugendlichen Esprit anspricht und Unfug verbreitet – auch was die filmische Leichtgläubigkeit des Ganzen betrifft.

Respekt und Sympathie stehen aber stärker im Rampenlicht als in einer üblichen Klamotte, daher bleibt der Weg zur Selbstfindung auch hier ein stimmiger mit voll natürlicher Chemie im Spiel. Ein wenig mehr von Cara Delevingne und ihrem rabaukenhaften Eigensinn hätte dem Film aber gut getan, denn an ihr folgt man den Spuren eines neuen Leinwand-Darlings.

Meinungen

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