Was verspricht man sich vom Regiedebüt eines der gleichsam charismatischsten und ruppigsten Charaktervisagen des jüngeren Kinos, Russell Crowe? Eigentlich ist alles offen, obwohl man wahrscheinlich aus Erfahrung eher vorsichtig ans Werk geht – derartige Proben sind ja nicht immer von Erfolg gekrönt, gerade wenn der deutsche Verleihtitel „Das Versprechen eines Lebens“ zudem noch eine Duftnote des Austauschbaren abgibt. Auch sonst klingt die Prämisse des Films nicht minder risikobefreit: In jenem zweistündigen Drama zur Zeit des Ersten Weltkriegs geht es um einen australischen Vater, der seine drei verschollenen Söhne in den Wirren der Schlacht um Gallipoli sucht. Im Verlauf freundet er sich dabei mit Land und Volk an, schließt brüderlichen Frieden, teilt den Kampfgeist mit den Feinden von einst und findet sogar ein Love Interest in der traditionellen, doch sehnsuchtsvollen Ayshe (Olga Kurylenko). Klingt sicherlich nicht für jeden reizvoll. Und solch ein potenziell romantisierendes Drama gefälliger Berechnungen dürfte selbst Crowes eigenes Image verwässern.

Wie es der Zufall aber will, sieht zumindest die Zukunft seiner Regiefähigkeit einigermaßen vielversprechend aus. Zwar ist sein Film ein genügsamer Untertan des beinahe literarischen Handlungsprozederes, doch wendet Crowe in der Inszenierung eine respektable Konkretheit an, die mit einfachem und doch eigenem Tempo an die Charaktere fesselt. Audiovisuelle Schönheiten stellt er mit lockenden Signalen und stiller Beobachtung zusammen – doch viel effektiver stellt er sein Ensemble und sich selbst als Protagonist Joshua Connor auf. Die Empathie liegt natürlich auch in erzählenden Bildern, aber selbst für die Aussprache der inneren Konflikte schaffen die Drehbuchautoren Andrew Knight und Andrew Anastasios einige einschlagende Sätze – alles nichts Untypisches im Feld des Melodrams, aber dennoch weniger von filmischer Dramaturgie als von charakterlicher Motivation bestimmt.

Daher operiert Crowe mit überraschend behutsamer Hand am Herzen und findet die Tragik in der orangefarbenen Wärme des Outbacks, nachdem er die Euphorie ausgerechnet im tiefen Loch, beim Anstoßen einer Wasserquelle, findet. Das Schicksal treibt jedoch gnadenlos an den Menschen vorbei und reißt sie zu sich nieder, weshalb Joshua den Tod und neue Wege der Verarbeitung finden muss. Die Grundlage dafür findet sich im Besuch der krisengeschüttelten Türkei, deren Nation am Scheideweg zur Unabhängigkeit steht. Wie alles am Leben gibt es auch hier helle, dunkle und graue Ebenen; das Drehbuch wägt also versöhnlich ab und greift lediglich nach der Gerechtigkeit der Selbstbestimmung – ein Subplot, der nicht komplett homogen mit der Suche Joshuas nach seinen Söhnen einhergeht und im Verlauf der Redundanz anheim fällt.

Crowe kaschiert diese Obligation jedoch mit einer Faszination, die sich nur bedingt für Gutes und Schlechtes entscheidet, sondern stattdessen in Symbolen traumtänzelt und schwelgt. So erreicht jene Leidenschaft den Zuschauer eher, als es Ayshes Angst vor der Pflichtehe schafft, was auch daran liegt, dass Crowes Film eher an Männer gerichtet ist. Der Fokus liegt aber nicht im Wettbewerb des Stärkeren, sondern im Beweis des Aufrichtigen – deshalb kommt im Treffen mit dem türkischen Major Hasan (Yilmaz Erdogan) ein Einverständnis zustande, das nicht mal die australischen Behörden für Joshua aufbringen wollen. Dort am Strand kreuzen sich die Wege der Väter und Söhne dieser Welt und betreten die Ruinen des Schlachtfelds, welche auf beiden Seiten noch immer Wunden einreißen können. So schreckt Regisseur Crowe auch nicht davor zurück, die Gewalt des Konflikts niederschmetternd und direkt Revue passieren zu lassen.

Der Verzicht auf Rührseligkeit und oberflächliche Musik-Emotionalisierung wirkt hier derart treffend nach, dass Crowes scheinbare Mühelosigkeit in der Inszenierung nur zu bewundern ist. Seine einfachen Gesten der Menschlichkeit müssen sich jedoch ab der zweiten Hälfte stetig verkomplizieren, lenken vom Weg Joshuas ab und legen das Schicksal der gesamten Türkei in seine Hand. Ein bisschen Abenteuer kann zwar nicht schaden, weil Crowe sich auch noch als stimmiger Action-Choreograf beweist, doch zieht das Drehbuch einfach eine Schlinge zu, die den Ansatz zum Humanismus so platt veräußerlicht, dass Joshua seinen türkischen Freunden per Cricket gegen die (eher antagonistischen) Griechen hilft. Da helfen selbst Rückbesinnungen auf Schätze der Vergangenheit und die Hoffnung auf Frieden am Ende des gemeinsamen Leidenswegs nicht darüber hinweg, dass der Film einen Rückzieher in seiner Ehrlichkeit macht und zum Schluss hin nur noch gefallen will.

Dementsprechend arbeitet Crowes Regie ab jenem Zeitpunkt auch weniger inspiriert und macht sich nur allzu willig zur Mietfläche eines verharmlosenden Pathos. Er konnte sein Versprechen eben doch nicht ganz einhalten, die Erwartungen an einen Titel wie „Das Versprechen eines Lebens“ umzukehren. Doch soweit er es geleistet hat, macht es Lust auf mehr und hat vielleicht nicht nur Potenzial für charakterfokussiertes Gefühlskino, sondern auch für eine Regiegröße, die nur noch nach der richtigen Geschichte sucht. Jedenfalls lässt Crowes Ansatz seiner stilistischen Inspiration mehr Mut durchscheinen, als so manche Künstler, unter denen er als Schauspieler gearbeitet hat.

Meinungen

Teile uns deine Meinung zu „Das Versprechen eines Lebens“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.

Kinostart: 14.09.2017

Mr. Long

In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Kinostart: 27.07.2017

Django

Étienne Comars Debüt eröffnet mit einem Porträt über Django Reinhardt die 67. Berlinale.

Kinostart: 06.04.2017

Tiger Girl

Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.

Kinostart: 09.03.2017

Wilde Maus

Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Mr. Long

Sabu, Japan (2017)

Zerbrochene Leben und einstürzende Neubauten: In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Wilde Maus

Josef Hader, Österreich (2017)

Selbstmord durch gefrorenes Wasser: Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Occidental

Neïl Beloufa, Frankreich (2017)

Italiener trinken keine Cola! Neïl Beloufa verzettelt sich in seinem chaotisch-absurden Kammerspiel-Debüt.

Tiger Girl

Jakob Lass, Deutschland (2017)

Freiheit durch Reduktion: Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.