Eine Kontroverse, zwei Meinungen. Daher besprechen wir Werner Herzogs „Königin der Wüste“ mit Nicole Kidman gleich doppelt. Eine gemäßigte Zweitkritik findet sich hier.
Seine ertragreiche Zusammenarbeit mit Enfant terrible Klaus Kinski ist legendär; ihre waghalsigen Projekte schrieben Filmgeschichte und gelangten auch in Übersee zu überspitztem Ruhm. Natürlich kam Werner Herzog seine Popularität in den Vereinigten Staaten aber nicht nur marketingtechnisch zugute, sondern ermöglichte auch Kooperationen mit Weltstars wie Christian Bale oder Nicolas Cage. Für seinen neuesten Film, „Königin der Wüste“, den er auf der Berlinale präsentierte, konnte er wiederum Oscar-Preisträgerin Nicole Kidman verpflichten, die als britische Abenteurerin Gertrude Bell zu Beginn des 20. Jahrhunderts orientalische Domänen, sowie das Blut zahlreicher Männer in Wallung bringt. Allemal genug Material für ein interessantes Biopic – viel davon ist beim neuesten Herzog jedoch bedauerlicherweise nicht zu finden. Das Resultat seiner Bemühungen ist eine abstrus-trashige Wüstenschmonzette sondergleichen, die mit reichlich Gelächter quittiert werden dürfte.
Wer mit dem Schaffen des Regisseurs andeutungsweise vertraut ist, dürfte richtigerweise annehmen, dass dieser auch hier die Historie nicht ganz genau nimmt und sich sein eigenes Universum zusammenbraut. So liegt der Fokus des Films weniger auf dem schriftstellerischen, archäologischen oder politischen Schaffen der emanzipierten Forscherin, sondern vielmehr auf deren Liaisons. Den ungewollten Antrieb zu ihren Expeditionen verschafft ihr das hochtragische Ende ihrer ersten romantischen Bekanntschaft mit dem spielsüchtigen Diplomaten Henry Cadogan (James Franco), welcher sie in die Natur und Kultur des Nahen Ostens einweist. Getrieben von Einsamkeit und angezogen von Fremdartigkeit kämpft Gertrude Bell für ihre Überzeugungen und die einheimische Bevölkerung. Mit ihrer Intelligenz und Belesenheit stößt sie die Verfechter des britischen Imperiums allerdings vor den Kopf und zieht gleichermaßen neue Verehrer (Damian Lewis, Robert Pattinson) in ihren Bann.
Schon zuvor fiel Werner Herzog durch einen unkonventionellen Arbeitsstil auf. Tatsächlich waren die Geschehnisse hinter der Kamera oft von größerer Unterhaltsamkeit als jene davor. Inwiefern sich Kidman und weitere Darsteller des gedämpften Wahnsinns ihres Strippenziehers bewusst waren, wird hier bereits nach einigen Sequenzen ersichtlich. Letzte Zweifel dürften behoben sein, sobald der Zuschauer mit einem an Lächerlichkeit kaum zu übertrumpfenden Heiratsantrag von Henry Cadogan an Gertrude Bell konfrontiert wird, der vor unbeabsichtigter Komik nur so sprüht. Skeptisch darf in diesem Zuge zudem die abwegige Wahl der Hauptdarstellerin zur Kenntnis genommen werden. Nicole Kidman ist eine herausragende Mimin und fraglos attraktive Frau, die sich ihre Lorbeeren im Schauspielmetier mehr als verdient hat. Sie jedoch für eine Rolle zu besetzen, die einer Mittzwanzigerin gestanden hätte, ist gelinde gesagt befremdlich. Chemie zwischen ihr und ihren Hofmachern gibt es nämlich keine.
In einem Interview sagte Herzog, dass jeder Film eine Reise sei, deren Ziel er nicht kenne. Daher ist davon auszugehen, dass ihm nie bewusst war, was er mit der Kamera eigentlich fabriziert. Und an diesem Exempel ist es leider mehr als nur merklich. Frei von Feingefühl für Dramaturgie schleust er seine hochkarätigen Darsteller in einen wahnwitzigen Kosmos, getüncht mit brachialem Pathos, unabdingbarem Kitsch und schmerzhaften Dialogen, deren „erhellende“ Plattitüden ebensogut einem beliebigen Groschenroman oder der Weisheit eines Glückskekses des nächstbesten Asia-Restaurants entnommen sein könnten. Angesichts dieses unzumutbaren Debakels grenzt es fast an Blasphemie, weit hergeholte Vergleiche wie „Lawrence von Arabien“ oder „Jenseits von Afrika“ in den Mund zu nehmen. Inhaltlich sind Parallelen natürlich vorhanden – doch angesichts Peter Zeitlingers Bildgestaltung, dem Landschaftsaufnahmen fernab jeglichen Gespürs für Ästhetik gelingen, beißt man sich lieber schnellstmöglich auf die Zunge. Majestätische Fotografie von ein paar Sandhügeln und Felsenbergen sucht man hier vergeblich.
Übrig bleibt ein ungeniertes Chaos der Unerträglichkeiten, mit Figuren, die – trotz Anstrengungen vonseiten eines irritierten Ensembles – lebloser bleiben als die entvölkerten Grotten, durch die Werner Herzog vor einigen Jahren noch krabbelte. Absonderlich waren seine Filme allezeit. Doch die Albernheit und dimensionsweite Entfernung seiner frischesten Odyssee von der Substanz früherer Ausnahmewerke wird selbst eingefleischteste, jovialste Fans zu ernüchtertem Schmunzeln zwingen.
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