Eine Kontroverse, zwei Meinungen. Daher besprechen wir Werner Herzogs „Königin der Wüste“ mit Nicole Kidman gleich doppelt. Die negative Zweitkritik findet sich hier.

Wenn man nach Werner Herzogs Neuling „Königin der Wüste“ gefragt würde, ob Nicole Kidman oder ihre Dromedare süßer waren, wird man hin- und hergerissen sein, welchem Schauwert der Vorzug gegeben werden sollte. Zweifellos repräsentiert dieser Zwiespalt auch die Haltung zum Film an sich, welcher fast schizophren seine Geschichte um jene Sandmonarchin des Titels, Gertrude Bell, erzählt. Anfang des 20. Jahrhunderts, vor dem Ersten Weltkrieg, fühlt sich die aus gutem Hause stammende Engländerin zu höheren beziehungsweise erfüllenderen Aufgaben berufen und entschließt sich bald zu Erkundungen in Trecks, welche die Kultur sowie Politik von Beduinen, Schiiten, Nomaden und weiteren Wüstenvölkern erforschen. Wie sie historisch dazu kommt, stellt Herzog ins Gleichgewicht mit seiner bekannteren Qualität, sinnliche Naturerfahrungen zu schildern. Eine ungewohnte Maßnahme, die nur von bedingtem Erfolg gekrönt ist. So beläuft sich die Vorstellung Bells minimalistisch und leicht klischeebeladen, während hauptsächlich das Verhältnis zu den Männern in ihrem Leben eine entscheidende Rolle spielt. Zwar besitzt Kidmans Ausstrahlung eine Frische, der jeder verfallen dürfte und so auch im Kontakt mit ihren Mitmenschen thematisiert wird – dies allein lenkt jedoch nicht davon ab, dass das romantische Verständnis des Films in einfachen Bahnen arbeitet und entgegen der Vergangenheit des Regisseurs auf kitschige Symbole setzt, anstatt suggestives Gefühlsgeschick zu vermitteln.

Optik und Musik besitzen ebenso gefällige und blasse Töne eines Breitwanddramas, das mehr mit Rosamunde Pilcher gemeinsam hat als mit Werken vom Schlage „Aguirre, der Zorn Gottes“: theoretisch episch, aber inhaltlich bieder. Nimmt man diese stilistische Niederung hin, kann man allerdings durchaus Spaß am Drehbuch infantiler Poesie finden sowie an Partner Nummer eins, Henry Cadogan (James Franco), welcher mit seinen großen doofen Augen und charmanter Lebemannmagie die Lyrik in Gertrude entfacht. Eine Hochzeit mit ihm soll jedoch nicht sein und so versucht sie, ihr Schicksal des versagten Glücks in der Ersatzliebe zum Humanismus in der Wüste umzukehren. Ab hier beginnt ein zweiter Film – nämlich der, welcher in seiner Selbstverständlichkeit zu weltlichen Begegnungen und selbstlosen Grenzüberschreitungen eher Herzogs Metier entspricht. Ein Jammer ist dabei nur, dass „Königin der Wüste“ von Vornherein eine klare Richtung vorzugeben scheint und sich ab diesem Zeitpunkt in Redundanz verliert und immer wieder in der vagen, doch ambitionierten Aufgabe seiner Protagonistin pausiert. Dies ruft wiederum Erinnerungen an den Beginn herauf und hemmt eine Verinnerlichung der Figur in zweierlei Richtungen.

So weiß man stets mehr über die Männer um Gertrude, als wirklich um die inneren Stärken der „Königin“ – diese werden zwar per Dialog behauptet, doch nie sicher und fühlbar aufgestellt, wie sich auch der Spannungsbogen ab einem gewissen Punkt fallen lässt. Zumindest dann bilden Stimmungsbilder und sinnliche Tagebucheinträge ein Leben in der Natur ab, wie es leichter nicht vonstatten gehen könnte: Gertrude badet im Trog, aus dem eben noch Kamele tranken, während diese sich im Hintergrund sonnen. Ohnehin findet Herzog auch hier Gefallen an seinen tierischen Darstellern; erweckt mit ihnen selbst beliebige Eindrücke der Einöde zum Leben und stockt den Niedlichkeitsfaktor auf, wo Frau Kidman mit ihrer bloßen Präsenz Blicke auf sich zieht. Eine Episode der „Lustigen Welt der Tiere“ von Werner Herzog sollte bitte kein Wunschdenken bleiben. Wohin das aber alles führt, ist jenseits des stimmigen Kulturverständnisses nur bedingt ergiebig, da teilweise plakativ und gemessen an der etablierten Erwartungshaltung leider sogar ein Stück belanglos. Aus diesem Grund wirken zwei Stunden Laufzeit länger, als sie eigentlich sein müssten. Und obwohl man Nicole Kidman wie auch ihren Dromedaren gerne zuschaut, ist jede Erschöpfung wenig wert, wenn man am Ende des Weges ohne dramaturgische Oase aus dem Kino entlassen wird.

Meinungen

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