Im Zuge der diesjährigen Oscars analysieren wir höchst subjektiv die Stärken und Schwächen eines jeden Nominierten in 24 Kategorien. Es soll jedoch nicht um eine Prognose gehen, sondern um die Qualität jedes Einzelnen. Eine Übersicht aller Beiträge findet sich hier. Zudem veranstalten wir ein großes Oscar-Tippspiel.

Die Zukunft des Kinos? Weg vom traditionellen Schauspielkino und nur noch die bekannten Stimmen jener markanten Schauspieler, die erzählen, was animierte Charaktere erleben? Als im Jahr 2002 zum ersten Mal der Preis der Academy für den besten animierten Spielfilm verliehen wurde, machte sich ein Bruch deutlich. Nun konnte nicht mehr nur ein Spielfilm als bester Film ausgezeichnet werden, sondern gleich zwei: ein traditionell gedrehter Film mit echten Schauspielern und ein animierter Film, der auf Schauspieler als Ausdrucksmittel verzichtete und vielmehr Ideen von fantastischen Figuren und Geschichten in Welten verpackte, die so auf klassische Weise nicht möglich gewesen wären. Monster wie „Shrek“, Spielzeuge wie in „Toy Story 3“ oder aber auch Superhelden wie „Die Unglaublichen – The Incredibles“ sind seither präsenter in Wettbewerb als auch in Nachfrage.

Die Nominierten

© Twentieth Century Fox, Walt Disney Studios, Ascot Elite, Universal Pictures, Touchstone Pictures (v. l. n. r.)

Oscar: Bester animierter Spielfilm © Twentieth Century Fox, Walt Disney Studios, Ascot Elite, Universal Pictures, Touchstone Pictures (v. l. n. r.)

„Die Croods“

Veränderungen durch Zeit und der Wandel durch den Menschen, nicht selten bekannterweise rezipiert in Film und anderen Kunstmedien. Bleibt der fehlende Aspekt der kritischen Auseinandersetzungen vergessen und es wird nur mit dem Holzhammer auf die Probleme gedroschen, ist die Intention einer solchen Auseinandersetzung einerlei. „Die Croods “ haut nicht mit dem Hammer, ist aber auch nicht kritisch – verspielter Unsinn und kümmerlicher Spaß sind im Vordergrund. Das mag legitim sein, wenn man bedenkt, wie einseitig die Geschichte dann endet. Versucht man aber Platon und griechische Mythologie darin mit einzugliedern, ist die Absicht gescheitert. „Die Croods “ ist ein Haufen steinzeitlicher Quatsch, macht weder Spaß, noch ist er sonderlich erinnerungswürdig. Eine Nominierung, allein der Repräsentation des DreamWorks-Studios wegen. Und letztendlich filmisch genauso interessant.

„Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“

„Die Kälte ist ein Teil von mir“, singt Elsa in dem gleichsam auch Oscar-nominierten Song „Let it go“ und macht damit die Stärke dieses wunderbaren neuen Disney-Ablegers deutlich: keine verqueren Geschichten, keine unnötigen Handlungsstränge und vor allem kein übertriebener Pathos, der so oft in den Pixar-Kollaborationen deutlich wurde. Vielmehr eine Rückbesinnung an Studioklassiker wie „König der Löwen“, „Cinderella“ und „Schneewittchen“, die Geschichte von Prinzessinnen und Prinzen, Schlössern und Ländern und den ganz kleinen, viel wichtigeren Problemen der Menschen. Liebe, Verlust und Einsamkeit, jene Grundbedürfnisse der Menschen, verpackt in den verspielten Bildern Disneys. Die Zeiten der handgezeichneten Filme mögen vorbei sein, aber die lebensfrohen und menschlichen Figuren bleiben Disneys Markenzeichen. Und keiner kann das so schön wie Disney.

„Ernest & Célestine“

Der Unterschied in Farbe und Form ist nicht nur auf inhaltlicher Ebene ein Thema, sondern auch auf handwerklicher. Als einziger besticht „Ernest & Célestine“ aus einer deutlich erkennbaren, handgezeichneten Animation. Zwar ist auch Miyazakis „The Wind Rises“, wie Ghibli-typisch, handgezeichnet, aber nur „Ernest & Célestine“ hat diesen einzigartigen Charme der Einfachheit. Nach Anlaufschwierigkeiten offenbart der Film seine Einzigartigkeit, indem er die ungleiche Freundschaft zweier Arten zu einem Sinnbild der Toleranz und Gleichheit aufbaut. Der große starke Bär Ernest, verfressen, kauzig, vielleicht ein bisschen blöde, trifft auf die verspielte kleine Maus Célestine, die dem Bären zeigt, dass Ungleichheit im Äußeren, kein Grund zu Ungleichheit im Inneren ist. Unter den Nominierten der wohl größte Underdog und doch irgendwie genau die richtige Entscheidung. Freundschaft über Grenzen hinweg, liebevoll und verspielt in Bilder der Zutraulichkeit und Wärme verpackt.

„Ich – Einfach unverbesserlich 2“

Die verzerrten Gesichter mit ihren riesigen Nasen, den klischeehaften Macken und dem doch irgendwie sympathischen Auftreten, versunken im Verbrechensumpf, haben zwar schon im ersten Teil nur durch ihre daumenförmigen, gelben Hüpfdohlen dafür gesorgt, dass der Film erträglich bleibt, so ist auch der zweite Teil durch seine Minions ein gerade mal annehmbares Produkt der kommerziellen Schmiede der Universal Studios. Das bekannte Prinzip der Fortsetzungen und Weiterführungen mit ihren verdrehten Geschichten, den gewandelten Charakteren und den noch verrückteren Nebenfiguren ist in „Ich – Einfach unverbesserlich 2“ genauso redundant wie unsinnig. Denn weder werden neue Akzente gesetzt, noch wird eine Geschichte erzählt, die in ihren Grundbausteinen den, wenn auch nur selten aufkommenden, Charme des Vorgängers mitnimmt.

„The Wind Rises“

Wenn ein Filmemacher Oscars verdient, dann Hayao Miyazaki. Bereits „Chihiros Reise ins Zauberland“ sowie „Das wandelnde Schloss“ wurden jeweils in dieser Kategorie nominiert, den „Chihiros Reise ins Zauberland“ 2003 schließlich gewinnen konnte. Mit „The Wind Rises“ gab Miyazaki 2013 bekannt, seine Karriere als Filmemacher zu beenden und damit seinen letzten Film in die Kinos gebracht zu haben. Offensichtlich wird dabei, wie einheitlich Miyazaki sich selbst treu bleibt. Themen der ökologischen Problematik, des kommerziellen Fortschritts und der individuellen Träume. Miyazaki schreitet voran, bringt sein Schaffen zu einem Ende und führt sein Lebenswerk in die Unendlichkeit. Basierend auf einem eigenen Manga erzählt Miyazaki mit „The Wind Rises“ eine Geschichte vom Traum des Fliegens. Unter der Vorlage des einst wirklich existierenden Jiro Horikoshi wird die Transparenz zwischen Träumerei und Wirklichkeit blasser, je näher der Traum der Wirklichkeit wird und je verbundener Horikoshi mit Miyazaki wird. Der Traum des Fliegens ist sinnbildlich der Traum den Miyazaki in seinen Leben gelebt hat: Unendlichkeit in seinen Werken.

Re­sü­mee

Disneys Einzelarbeit „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ nach etlichen Zusammenkünften mit Pixar macht genau das richtig, was Disney im 20. Jahrhundert so ausgezeichnet hat: liebevolle Charaktere, eine einfache Geschichte und wunderschöne Animationen, mit Songs, die im Gedächtnis bleiben. Sicherlich, „The Wind Rises“ hätte es allein aus Gründen der Solidarität zu Miyazaki verdient und „Ernest und Célestine“ weil er so wunderbar herzerwärmend ist. Ob es nun wirklich die Zukunft es Kinos ist, ob Schauspieler bald nur noch Beiwerk zu einem animierten Spielfilm sein werden, oder ob gar bald alles aus dem Computer entwächst – momentan befinden wir uns in der Blüte des Animationsfilms. Sobald die Technik der Kunst untergeordnet bleibt, ist der Weg noch das Ziel. Wünschenswert ist es für drei von fünfen, gewinnen wird natürlich nur einer. Doch so deutlich der Gewinner auch sein mag, es wird auch ein anderer verdient haben.

Meinungen

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