Im Zuge der diesjährigen Oscars analysieren wir höchst subjektiv die Stärken und Schwächen eines jeden Nominierten in 24 Kategorien. Es soll jedoch nicht um eine Prognose gehen, sondern um die Qualität jedes Einzelnen. Eine Übersicht aller Beiträge findet sich hier. Zudem veranstalten wir ein großes Oscar-Tippspiel.
Obwohl viele anfänglich darauf spekulierten, dass „American Hustle“ in der Kategorie Bestes Make-up und beste Frisuren für den Oscar nominiert wird, hat sich diese Prognose nicht bewahrheitet. Wahrscheinlich ging es in diesem Film zu sehr um Haare, aber zu wenig um Make-up. Der Beruf des Maskenbildners ist eine teilweise übersehene Kunst, die aber tatsächlich an Wissenschaft grenzt. Die Maske ist der letzte Schliff, der für den Zuschauer fast unbewusst über das Gelingen oder Scheitern eines Films entscheidet. Ob Primat, Außerirdischer, Monster oder Gnom: Die Maske ist eine Kategorie der Superlative, doch anders als in den Jahren zuvor, hat sich die Academy diesmal gegen Genres wie Fantasy oder Science-Fiction entschieden. Das Besondere an dieser Kategorie ist zudem, dass hier nur drei anstelle von fünf Filmen zur Auswahl stehen. Dieser Oscar wird erst seit 1981 verliehen.
Die Nominierten
Adruitha Lee und Robin Mathews, „Dallas Buyers Club“
Noch vor dem Kinostart von „Dallas Buyers Club” sorgten die radikale Abmagerungskur, der sich Matthew McConaughey und Jared Leto für ihre Rollen als an AIDS leidende Charaktere unterzogen, für Furore. Aber die täuschend echt wirkende Transformation in zwei kranke, zerbrechliche, physisch wie psychisch mitgenommene Menschen, konnte erst mit einem gelungenen Make-up gelingen. Robin Mathews (Make-Up) und Adruitha Lee (Haare) mussten einige Experimente wagen und viel Improvisationstalent beweisen, denn die Vorbereitungszeit war gering, die Drehzeit kurz (23 Tage) und das Budget klein. Doch wie sieht das Gesicht dieser Krankheit aus? Dunkle Schatten unter den Augen, trockene, blasse von Ausschlägen geplagte Haut, Läsionen, herausstechende Wangen- und Schlüsselbeinknochen und dünner werdendes Haar: All das erzielten Mathews und Lee mit einfachsten Mitteln, nichts als Pinseln, Make-up-Schwämmchen und Farbe. Zudem musste die Maske stets mit dem im Film dargestellten Krankheitsverlauf übereinstimmen. Was schon bei McConaughey schwierig war, wurde jedoch bei Leto, der einen transsexuellen aidskranken Drogenabhängigen spielte, zu einer echten Herausforderung. Bei seinem femininen Make-up ließen sich die beiden Stylisten von bekannten Stil-Ikonen der Sechziger inspirieren wie etwa Twiggy, Brigitte Bardot oder dem Charakter Endora aus der US-Fersehserie „Verliebt in eine Hexe“. Trotz des Glamfaktor, musste Rayons/Letos Krankheit stets sichtbar sein, man sollte sehen, dass Rouge und Lidstrich nur eine bröselnde Fassade sind.
Stephen Prouty, „Jackass Presents: Bad Grandpa“
Wer hätte es für möglich gehalten, dass Johnny Knoxville, von Beruf professionelle Knalltüte, jemals für Oscar-Wirbel sorgen würde? Knoxville ist nicht unbedingt das, was man als Academy-würdig bezeichnen könnte, aber die Maske, die er als Bad Grandpa trug, wurde dennoch für einen Oscar nominiert. In „Jackass Presents: Bad Grandpa“ wird der Zuschauer, wie von Knoxville gewöhnt, mit skurrilen, teils geschmacklosen Sketchen und Stunts in MTV-lastiger Mockumentary-Manier zum Lachen und Schreien gebracht. Was die Maske nun so besonders macht, ist, dass willkürliche Passanten und weitere Ahnungslose an der Verkleidung Knoxvilles scheinbar nie zweifelten, der während der Dreharbeiten zu „Bad Grandpa“ einen gut achtzigjährigen Schwerenöter spielte, welcher mit seinem vermeintlichen Enkel durchs Land streifte und dabei eine Eskalation nach der anderen provozierte. Mit einer Art Ganzkörpermaske ist es Maskenbildner Stephen Prouty und seinem Team gelungen, Knoxville in einen authentisch wirkenden alten Mann zu verwandeln. Von Augenfalten über graue Barthaare bis hin zu schwabbeligen Altherren-„Brüstchen“, wurde kein noch so kleines Detail übersehen. Kurzgefasst: Ohne Prouty gebe es diesen Film nicht.
Joel Harlow und Gloria Pasqua-Casny, „The Lone Ranger“
Johnny Depp ist ein Exzentriker, ein Meister der Illusion. Gebannt folgten wir ihm auf Leinwand und Bildschirm, als er „Edward mit den Scherenhänden“, Willy Wonka, Captain Jack Sparrow, „Sweeney Todd“ und den verrückten Hutmacher mimte. Doch der Zauber des Schauspielers wäre nur halb so magisch, hätten nicht handfertige Maskenbildner ihre Finger im Spiel gehabt. Im Action-Western „The Lone Ranger“ spielt er den eigensinnigen Indianer Tonto, der vor allem durch seine schwarz-weiße Kriegsbemalung und eine ausgestopfte Krähe, welche sein Haupt krönt, auffällt. Für das sonderbar anmutende Make-up ließen sich Joel Harlow und Gloria Pasqua-Casny vom Indianerporträt „I am Crow“ des zeitgenössischen US-Künstlers Kirby Sattlers inspirieren. Besonderes Geschick bewies das Maskenbildner-Duo jedoch, als sie Depp alias Tonto in einen Greis verwandelten. Diese zweite, um einiges aufwendigere Maske, gleicht fast schon einem Kostüm aus Latex, Wachs und Farbe. Bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, wirkt jedes Muttermal, jeder noch so kleine Leber- und Altersfleck, jedes Augenbrauenhaar, jeder Bartstoppel, jede Falte und Pore, als wäre sie ein Werk der Natur.
Resümee
Egal ob nun das Bild von Krankheit und Auszehrung oder die Verwandlung von jungen Männern in Greise das Rennen machen wird, die Nominierten sind Meister ihres Handwerks; Illusionisten, die hinter der Kamera kleine Wunder vollbracht haben, um die Zuschauer gekonnt mit ihrem Leinwandresultat zu täuschen. Sie sind die Strippenzieher hinter den Kulissen, ohne die die Filme „Dallas Buyers Club“, „The Lone Ranger“ und „Jackass Presents: Bad Grandpa“ nie hätten ihre volle Wirkung entfalten können. Ob nun das Subtile, das Bombastische oder die Persiflage überzeugen wird, werden wir erst in der Nacht vom 2. auf den 3. März in Erfahrung bringen.
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