Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich auch immer eine andere – wenn nicht sogar mehrere. Manchmal jedoch entrinnt aus einer quantenphysikalischen Versuchsanordnung à la Schrödingers Katze mehr als die Logik einer einzigen Realität, sondern gleich das Produkt mehrerer Realitäten. Ein Hybrid eben jener Klaustrophobie animiert James Ward Byrkits „Coherence“ von einem simplen Abendessen unter acht alten Freunden respektive Liebeleien (darunter Nicholas Brendon als früherer Schauspieler eines fiktiven außerirdischen Protagonisten der realen Serie „Roswell“) zu einer auch metaphorischen Doppelgängerkonstellation, da währenddessen der alle hundert Jahre vorbei fliegende Miller’sche Komet eine sonderbare Raumzeitbrücke öffnet. Aus dem zunächst gemütlichen Candle-Light-Dinner in flauschiger, doch für den ein oder anderen nerviger Chit-Chat-Atmosphäre wird daher ein Puzzle. Auch, weil die eine Gruppe von Freunden bald einen Koffer findet, deren Inhalt sich von jenem der zweiten Gruppe im zweiten identischen Haus unterscheidet. Von andersfarbigen Leuchtstäben ganz zu schweigen. Doch die beiden Gruppen tauschen ihre Mitglieder dazu noch aus, sobald die Fliegenfalle erst einmal zuschnappt.

Heutzutage lässt sich diese sonderbare Lo-Fi-Sci-Fi-Kombination aus niedrigstem Budget und rotierender Handkamera inklusive permanenter Schwarzblenden am ehesten als Mindfuck interpretieren, der ebenso in Byrkits Ausführung keine Lösung bedingt, sodass es der Geburt von einigen Motiven an schlussendlicher Kohärenz mangelt. „Coherence“ (es grenzt an einen Unfall, den Film nach eben diesem Mangel zu betiteln) fährt zwar seine Manipulation als Gedankenexperiment klug aus, möchte es aber gleichfalls niemals zu einem Ende, geschweige denn zu einer Lösung zwingen. Der Film fordert daher natürlich auch die Frage: Gibt es vielleicht keine Antwort? Ist sie gar redundant? Doch nicht immer reicht diese Sorte lynchesken Unbehagens auch zur Befriedigung der eingeforderten Neugierde, welche Byrkit antreibt. Besonders hier nicht. Denn die Penetration eines Ichs mit einem weiteren, beinahe (!) vollkommen übereinstimmendem Ich funktioniert in anderweitigen Filmen dieser Sparte (siehe jene von Mike Cahill und Shane Carruth – insbesondere „Primer“ von Letzterem) allein deswegen schlüssiger, weil sie an einem Drehbuch arbeiten und nicht nur an Improvisation. Wie Byrkit eben hier in „Coherence“.

Meinungen

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Bisherige Meinungen

10. September 2014
14:07 Uhr

“Gibt es vielleicht keine Antwort? Ist sie gar redundant?” <- Gerade das ist doch interessant oder zumindest nicht schlimm. Sicherlich ist es schade, dass keine Lösung offeriert wurde, aber das braucht es ja auch nicht. Meines Erachtens ist Coherence in dem was macht und gerade wie es mit diesen reduzierten Mitteln umgesetzt wurde, einfach nur großartig.

Von mir würde der Film locker 8/10 bekommen. Ein wunderbarer Sci-Fi-Thriller, ein schönes Puzzle, dessen Lösung nicht vorrangig interessiert, sondern eher das "Puzzeln" ansich. Starker Film!

Stefanie
10. September 2014
14:26 Uhr

Absolut richtig. Ich fühlte mich jedoch (auch aufgrund meines kurzen Ausflugs in ein Semester Physik-Studium) ein wenig verprellt, da hier erst mal sehr spezifisch Schrödingers Katze gebraucht, aber viel zu schnell wieder verworfen wird. Für mich sollte ein Film, der eine interessante Prämisse auffährt, diese auch weiterentwickeln können – was zu wenig geschieht. Ein anderer Film macht das momentan ein wenig besser (wenn ich jetzt den Titel angeben würde, wäre es jedoch leider ein Spoiler).

Vermutlich hätte das auch alles besser funktioniert, wenn ich auch nur einen Hauch Interesse an den Charakteren gehabt hätte.

10. September 2014
16:24 Uhr

Das klingt nachvollziehbar :) Vielleicht entdecke ich ja den anderen Fim!

Stefanie
10. September 2014
16:29 Uhr

Solltest du per Zufall drüberstolpern, wirst du wissen, welcher es ist. Wir haben hier auch eine Kritik dazu (was dich nicht verleiten sollte zu stöbern, weil da wären wir wieder in derselben Misere ;).

Yannic
29. Dezember 2014
15:44 Uhr

4 Sterne bitte, der Film ist duftepufte! ♥

Stefanie
29. Dezember 2014
21:32 Uhr

Nach „Honig im Kopf“ sicherlich ;)

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