Popcorn, Süßkram und die Tüten raus. Zurücklehnen. Lauschen. Nur noch einen Moment. Bitte. Und … Film ab. Ab geht’s! Bevor es aber losgehen kann, bevor die Rentner rattern und ihre Kisten stottern, führt Lachspezialist Blake Edwards mit gewissenhafter Ruhe an ein kontinentales Rennen heran, das, um die Potenz der Automobilbauer zu vervielfachen, ein spinnwebverhangenes Hollywoodkino der Naturereignisse reproduziert. Kino als Festgala, als Bühne der Gewissheit, sich in ein Erlebnis zu stürzen, größer, größenwahnsinniger, großherziger. Erst die Ouvertüre – minutenlang geleitet sie durch die lodernde Heroenmusik Henry Mancinis. Stolz, auch hier. Dann die eifrige Vorstellung der Akteure in grellfarbenen Technicolor-Moderationskarten. Gut (strahlend, sauber, smart: Tony Curtis) bringt lärmende, beklatschende Jubelarien hervor, während das Böse, der Exzentriker und Herausforderer Professor Fate (Gruselschloss, Klavier, Schwärze: Jack Lemmon), von der Menge der Zuschauerschaft mit offenem Groll und vernichtenden Protestpfiffen bedacht wird. Mittendrin der Hinweis: einen Moment. Bitte. Bereiten Sie sich vor – ehe die Sicht erlischt. In diesen ersten aufgeweckten (Live-)Effekten prophezeit „Das große Rennen rund um die Welt“ ein anarchisches Kabinett, das mit Hilfe der munteren Spielkultur eines Kindes seine Fesseln der Scham abstreift und über die Leinwand wütet. Was folgt, ist die Versiegelung dessen. Zweieinhalb Stunden Hybris und Hommage an die Slapstick-Urform. Kleckern und prusten, anstatt tröpfeln und glucksen.
Aber zweieinhalb Stunden, die können sich ziehen, die können lästig werden, die können den Spaß verdrängen und das Vergnügen bremsen. Für Abwechslung ist gesorgt in dieser Blake-Edwards-Nummernrevue, aber zweieinhalb Stunden Cartoon-Gelage müssen erst einmal gefüllt werden. Eine Strategie Edwards’, die Pointen zu strecken, findet sich in einer (Gender-)Metabene, wenn die emanzipatorische Verschlagenheit einer hartnäckigen Fotojournalistin (mit Handschellen bewaffnet: Natalie Wood) im Namen der Protest- und Quotenfrau gegen das konservative Verbrüderungsgehabe ihrer männlichen Mitstreiter abprallt (darunter: ihr in dieser Beziehung verlegener Chefredakteur). Die mehr als bloßlegenden Wortklaubereien dafür – sei Sex strengste Privatsache oder adäquates Gesprächsthema? – sind in ihrer feministischen Spitzfindigkeit amüsant zu verfolgen, aber auch gekünstelt, richtungslos. Warum versteifte sich Edwards auf einen wichtigtuerischen Kontrast zum frivolen Treiben? Um sich darüber zu erfreuen? Männer argumentativ in die Enge zu treiben, liegt Maggie (Wood). Schade, dass der Film, der ihrer ist, den Clou des gesellschaftlich tradierten, alsbald eine turbulente Kehrtwende schlagenden Rollenverhältnisses nicht zu Ende denkt. Denn letztlich stößt sich Maggie ab, um sich doch wieder in die Arme desjenigen zu werfen, den sie im Auge behielt. So wie Blake Edwards ideologisch zurückrudert. In einer, zugegeben, süßen, schnuckeligen Szene. Küsschen. Keine Angst, Männer.
Ohne Ausnahme windet sich „Das große Rennen rund um die Welt“ um jenen komödiantischen Nackenschlag, der präzise sitzt und variiert. Das sind ersatzweise zweieinhalb Stunden, die sich einer enervierenden Wiederholungsprämisse unterwürfig zeigen. Wiederholt der Hinweis auf die Augenbrauen Fates (Lemmon), die, zu Eis erstarrt oder zu dicht bewachsen, entweder abgeknipst oder abgezupft werden. Wiederholt der Hinweis des Films, dass Fates trotteliger Assistent Max (Peter Falk) diesen und diesen, aber keinesfalls diesen Knopf zu drücken habe. Und obwohl er sich engagiert an seine Sache herantastet, genau diese Schaltapparatur zu erwischen, guckt er sich fortdauernd die falsche Kombination aus. Wiederholt schielt der Film in Folge der Konsequenzen auf allerlei erquickende Substanzen, mit denen Fats und sein Anhängsel treudoof überschüttet werden, nachdem sie meist explosionsartig in die Luft geschleudert wurden: Wasser, Eiswasser, Jauche, Löschschaum. Offenkundig ist Edwards derart verliebt in solcherlei spleenige Katastrophenpläne, dass er sie glatt potenziert, wieder und wieder. Lässig, würden die einen sagen. Blockiert, die anderen. Auch so: Spätestens wenn Maggie ihrem defekten Auto wutschnaufend einen Tritt versetzt, ist diese Komödie anders als anders. Sie entstammt einer längst entschwundenen Ära, in der die heute uns bekannte Abgedroschenheit des minderwertigen Lachers auf Kommando noch jungfräulichen Schwung besaß.
Quer über den Globus und dessen Mentalitäten, von New York über die Arktis (unsere Gruppe schwimmt auf einer Eisscholle) und Russland (hier ist sie ausdrücklich umgeben von resignativen Mauerblümchen) bis nach Paris (worunter der Eiffelturm zu leiden hat), liefert sich der Film, vergleichbar mit Spielbergs „1492“ oder der James-Bond-Persiflage „Casino Royale“, einen Wettlauf mit dem ihm innewohnenden, allzeit überzogenen Quatsch. Episodisch gegliedert, zählt bezeichnenderweise nicht die Spannung des Rennens selbst, sondern die Pausen, die unfreiwilligen und die taktischen. In diesen dramaturgisch nicht immer vorteilhaften Unterbrechungen nimmt der Anekdotenwahnsinn seinen Lauf, indem Edwards umstürzlerische Massenschlammschlachten überreizt, die erinnerungswürdig einer impulsiven Verwüstung huldigen: so etwa Cowboy-Brüder gegen Ehrengäste in einem kultivierteren Tanz- und Saufsaloon, der frühzeitig auseinanderbricht. Im wiederum längsten, isoliertesten Kapitel der an sich stringenten Geschichte, das annäherungsweise einen eigenen draufgängerischen (Ritter-)Film darstellt, ist Jack Lemmon in einer Doppelrolle zu sehen, wie er in Gestalt eines angeheiterten, gellend lachenden Königs pünktlich zur Thronerhebung entführt und ausgetauscht wird. Sinn? Tempoverschleppung – aber grandiose Tempoverschleppung. Mit zwei grandiosen Arrangements. Ein zackiger Fechtkampf. Und eine Tortenschlacht in der Bäckerei des Königs. Eine Tortenschlacht, bei der die Materialien spritzen und die Farben sprießen. Nur das.
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