Bei dieser Neuverfilmung von Patricia Highsmiths Gesellschaftskrimi „Der talentierte Mr. Ripley“ wünscht man sich schon, sie wäre spannender ausgefallen. Wim Wenders und Hans W. Geissendörfer beispielsweise konnten mit ihren Adaptionen nicht nur vom Inhalt, sondern auch von der Umsetzung her intensiv packen – Regisseur Anthony Minghella übt sich wie seine Vorgänger sodann auch in vornehmlich europäischer Optik und natürlich Landschaft, doch in seiner Darstellung von der perfiden Untergrabung kosmopolitischer Boheme springt er nur zaghaft über den Rand der prunkvollen Oberflächlichkeitssucht seiner Protagonisten. Er ist da nun mal gezwungen an seinen Hauptcharakter, dem undurchschaubaren Tom Ripley (Matt Damon), einem jungen, nett dreinschauenden Con-Man, dessen Faszination fürs höhere Leben irgendwann kaum noch Grenzen kennt. Im Angesicht des großkotzigen, unbedarft-arroganten und doch energiegeladen-frivolen Dickie Greenleaf (ein toll aufspielender Jude Law), den er eigentlich überreden sollte, zurück in die Staaten zu kommen, wächst der Wunsch der Übernahme dessen Lebens – und das so gar nicht mal unbedingt aus Eifersucht oder Neid, sondern offenbar schlicht aus einer Art Liebe.

Minghella spart da keineswegs an Anspielungen, lässt Ripley allmählich bis zur Zweifellosigkeit bi- und homosexuell erscheinen („Liberace“ grüßt aus der Zukunft) – doch es bleibt jene Suggestion nicht aus, dass diese Handlungen eher eine narzisstische Ader haben, sind sie doch einerseits ausschließlich eigennützige Auswüchse seiner eigenen Wünsche nach sozialem Aufstieg und andererseits eine explizite Neigung zum Spiegelbild; ein Motiv, das ständig aufgegriffen wird, Vereinigung und Trennung der Seele(n) zu symbolisieren, bis Ripley sich letzten Endes kaum noch sicher sein kann, welcher Mensch in ihm stecken will. Diese psychologische Komponente am seelisch-entzweiten Abgrund repräsentiert durchaus die interessanteste Kraft im Gesamtkonstrukt des Films, allerdings hat sie gegen eine gelangweilte Bourgeoisie in der Figurenzeichnung und der selbst-zelebrierenden Inszenierung zu kämpfen, dass sie fast schon wie verschleierte Exploitation behandelt wird. Ohnehin will der Film von Anfang an das Gefühl eines Sexy-Suspense-Capers vermitteln, emuliert Saul Bass im Vorspann und begnügt sich mit heißem Jazz sowie exotisch-quirligen bis melodramatischen Klängen im Soundtrack, verliert diesen groovigen Charme aber immer mehr, denn: Willkommen in der Euro-Liga der oberen Zehntausend – nicht unbedingt die erfreulichste Ausgangslage und im Verlauf sowieso psychologisch kaum ergiebig (siehe dazu Gwyneth Paltrows Charakter: von der unwissenden, teils frustrierten Verlobten hin zur hysterisch-heulenden Verschwörungstheoretikerin). Verstehe: Sie soll so verblendet bleiben, aber da bleibt der natürliche Sog der Menschlichkeit etwas auf der Strecke.

Es bewegt sich bezeichnenderweise erst dann etwas, wenn Ripley die verwöhnten Seelenhüllen ausschabt, was ihn allerdings auch nicht besser macht, da er in sie ja reinklettern, an Gold und Kitsch ersaufen will. Wie stark kümmert es den Zuschauer dann, ob sein Plan gelingt? Nun, je nachdem, wie sehr man sich mit so einer eskapistischen, doch eher soziopathischen Fantasie anfreunden will, kann man schon einen gewissen Nervenkitzel dabei empfinden, wie und ob Ripleys kaltherzige Berechnungen und Manipulationen aufgehen oder ob er doch geschnappt wird bzw. sich selbst aufgibt. Da ist Matt Damon mit seinem unscheinbar-naiven Sonnyboy-Image natürlich mal wieder eine ausgezeichnete Wahl, hier gegen den Strich das unterschwellige Böse zu verkörpern. Sinnvoll, dass dieser Film und „Good Will Hunting“ in einem Set miteinander verkauft werden. Auf Dauer zieht sich jene Botschaft dieses Streifens aber gehörig, vor allem je öfter sich die Schlinge um Ripleys Hals zieht und er doch immer wieder entkommen kann, sei es aus eigenem Antrieb oder aus gar göttlicher Schicksalsfügung. Es ist gewiss nicht einfach, so einen perfiden Plan fürs eigene, erzwungene Glück auszutüfteln und am Ende ist man im Innern mindestens genauso verloren, wie die Leichen, mit denen man seinen Weg gepflastert hat – da folgen Highsmith und Minghella der einzigen, moralisch-richtigen Konsequenz, keine Frage. Die Zugabe an einpassenden Zufälligkeiten und Schicksals-Vorschauen in Bild und Dialog verleiht ihr jedoch einen ebenfalls narzisstischen Charakter, der schwarzhumorig sein will, sich dabei aber so geschwollen gibt, dass er sodann filmisch einigermaßen frustriert und anstrengt. Ganz viel heiße Luft im mediterranen Klima, da verliert man schnell den Kopf.

Für ein bloßes Vanity-Projekt bietet Minghellas Film dann aber doch noch gehörig teuflisch-mörderische Machtspiele der grinsenden Hinterfotzigkeit und liefert stimmig-komponierte Bilderwelten zum Pro und Kontra der Richie-Rich-Mordlust – einen gewissen Reiz kann man dennoch nicht abstreiten, egal ob er nun offiziell richtig oder falsch ist. Da hält er noch gut die Waage, lässt insgesamt leider trotzdem kalt. Dasselbe könnte man auch vom Bonusmaterial der Blu-ray-Scheibe behaupten, welche dieselben Extras von der uralten DVD-Ausgabe nochmals unverändert aufwärmt, zwar mit einem Audiokommentar des Regisseurs und einem eher werbe-fokussierten Making-of an Bord, aber nicht gerade verheißungsvoll ins Auge springend. Die Präsentation des Films an sich kann da eher gefallen, den Zuschauer erfreuen (nach einem etwas zu plastisch anmutenden Anfang) intensive Farben und gelungene Schärfen in Vorder-, Mittel- und Hintergrund. Der Kontrast ist vielleicht einen Tick zu stark aufgebrezelt, doch dafür prasselt lebhaftes Filmkorn. Da scheint ordentlich Detail durch, an mindestens einer Stelle vielleicht schon etwas zu viel (die aufgetragene, blutende Kopfwunde Jude Laws). Aber so ist das nun mal im Film, speziell bei solchen älteren Semesters: Geheimnisse lassen sich schneller entlarven und nachvollziehen. Da kann selbst ein Mr. Ripley noch so sehr vorausplanen.

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