Philip Marlowe und Sam Spade seien coole Namen. Aber Matt Scudder? Nicht cool – für einen abgebrühten, von aller Sozialisation abgeschnittenen Privatquerulanten. Trotz Zahnstocher, Mantel, Trauma. Trotz Schnaps, Bart und einer ihm entgleitenden Kontrolle, inmitten eines verschlingenden Mandats. Liam Neeson spielt ihn inzwischen aus dem Stegreif, den vereinsamten, fatalistischen Rachekumpel, der es faustdick hinter den Ohren hat. Matt Scudder ist insofern ein Ergänzungsglied, er entwirrt auf seine Weise den ihm unter der Hand aufgetragenen Fall. Eine Rolle, wie gemacht für Liam Neeson: wehmütig, abgeklärt, frei. Neesons schroffes Charisma dient als identifikationsfördernde Brücke, damit es kriselt, aber auch menschelt. Und das, obwohl Scudder erst redet, wenn er reden muss. Genuscheltes, Borstiges. Scott Frank lenkt diesen nachtschwarzen Ausnahmerechercheur durch einen postmodernen Film noir, rigoros beeinflusst von allen Philip-Marlowe- und Sam-Spade-Filmen dieser Filmwelt. Aber keine stechende Extravaganz gestattet „Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones“, ein Zitat nach dem anderen abzufeuern, sondern, im Rahmen seiner filmischen Möglichkeiten, geerdet und filigran die Direktheit zu wählen.

Weil aber Franks hervorstechend fesselnder Genre- und Gegenwartsfilm vornehmlich sich das Gebaren des Männerkinos auferlegt, chiffriert er. Eine Femme fatale? Irrtum. Auf Bildern. Ein roter Mädchenmantel. Ein verwinkelter Plot? Nicht in Reichweite. Familiäre Zugeständnisse, um den Hintergrund des Antihelden auszustanzen? Keine. Scudder jagt und tüftelt aus. Sein Ziel: Zwei in diverseste Körperteile vernarrte Psychopathen (der Vorspann: körperobsessive, visuell gefällige Begierde), deren dritter Mitläufer Gärtner ist. Seit „True Detective“ spielt der Gärtner tatsächlich eine weitaus größere Rolle, als es das Klischee ironisch vorgibt. „Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones“ streift somit jene Ladung Gewicht ab, die ihn stören oder etwa verlangsamen würde. Ausdrucksstreng das Klima des Film noirs abpausend – beißende Dunkelheit, kathartischer Regen, trübe Friedhöfe, schattige Gassen, versteckte Dachzimmer –, gibt er sich der Spannungsgarantie eines nur punktuell störend spirituellen Krimis hin, der nicht in die Trickkiste greift, aber erfreulich naiv und beeindruckend gestrig altem Hollywood-Zauber huldigt, ohne das Gefühl zu verlieren, für menschliches, empathisches Miteinander mindestens ein Ohr zu erübrigen.

Meinungen

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