George Pan Cosmatos’ „Die City Cobra“ erweitert unseren Rückblick auf das berüchtigte Werk der Cannon Films – denn nicht umsonst hieß es auf jeder ihrer Videokassetten: „We’re Cannon Films and we’re dynamite!“
Die Kobra ist ein gefährliches Reptil – doch wenn „Die City Cobra“ zuschlägt, kann von schleichender Gefahr kaum noch die Rede sein. Sylvester Stallone mimt nämlich den Titel gebenden Beißer Lieutenant Cobretti und ist mit seinem Colt mindestens so schnell wie die Zähne der Schlange und so lautstark wie eine Atombombe. Obwohl seine Erscheinung in schwarzem Leder mit Sonnenbrille nicht zur Gattung Fantasy gezählt werden will, ist der Film von George Pan Cosmatos trotz allem ein unfassbares Fantasieprodukt der achtziger Jahre. Er malt sich nämlich eine Vision von Los Angeles aus, in der eine nicht näher definierte Gruppe an Mördern – die Neue Ordnung, angeführt vom Nachtschlitzer (Brian Thompson) – die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt und wahllos Leute auf der Straße niedermetzelt. Gleich zu Anfang nimmt einer von diesen Irren einen Supermarkt per Pumpgun in Beschlag – und schon kreuzt Cobretti in seinem heißen Schlitten mit dem Kennzeichen „AWSOM 50“ am Tatort auf. Mit Wummen, Messern, Zahnstochern, Pepsi-Werbeanzeigen und einem Arsenal an zynischen Sprüchen gewappnet, wird dem Terror reaktionsschnell ein Ende gemacht.
„Du bist die Krankheit. Und ich die Medizin.“ ist die klare Ansage in dieser Evolution, die mit „Dirty Harry“ 1971 begann, in den schamlosen Poliziotteschi-Filmen Italiens ihre Ekstase fand und hier nun im Amerika Ronald Reagans als taktloser Comic der Ultrabrutalität angekommen ist. Nicht umsonst zählt das Intro eine Statistik zu Gewaltverbrechen in Amerika auf, bei der die visuelle Ebene wortwörtlich zur Waffe greift. Deshalb bekommt Cobretti nur inkonsequent Anschiss von seinem Chef, und wenn jemand von der Presse ihn wegen übertriebener Polizeigewalt ausfragt, drückt er dessen Nase gleich in die Leichen der Opfer rein. Ohnehin ist er ein ziemlich ruppiger Zeitgenosse, wenn es darum geht, Verbrechern dieselben Rechte zukommen zu lassen wie unbescholtenen Bürgern. Wenn man sich doch nur über die verdammten Regeln hinwegsetzen könnte, wäre der Spuk auf den Straßen Geschichte, denkt er sich. Natürlich wohnt solch ein entschlossener Cop in einem Loft am Strand, nochmals neben einer riesigen Pepsi-Anzeigentafel, schneidet Pizza-Stücke mit der Schere und hebt sein Waffenputzequipment im Eierkarton auf, während das Fernsehen diese Realität mit Weihnachtsbildern zu entgegnen versucht.
Derart plakativ dürfte kaum ein anderer Film dem damaligen Zeitgeist nachgeeifert haben. Der ganz und gar böse Nachtschlitzer hat sich nämlich schon (unter dem Dröhnen eines Synthesizers) ein neues Opfer ausgesucht: das Model Ingrid (Brigitte Nielsen), welches Zeuge einer seiner Bluttaten wird. Obwohl sie sich danach in eine Fotosession mit Robotern begibt, lauert der Nachtschlitzer ihr bereits in der Tiefgarage mit Äxten auf und folgt ihr bis ins Krankenhaus, mehrere Leichen auf seinem Weg hinterlassend. So kommt sie ins Zeugenschutzprogramm unter Cobretti und seinem Partner Sergeant Gonzales (Reni Santoni), welchem er stets den einen oder anderen Ernährungstipp mit auf den Weg gibt. Im späteren Verlauf lockert Stallone seine Haltung und beweist ein bisschen menschenähnliche Selbstironie, allerdings noch fern von „Demolition Man“ und nie soviel, dass er Ingrid als heißer Typ mit der Knarre im Anschlag nicht mehr sexuell reizen würde. Und ja, auch ihr gibt er Empfehlungen zur gesunden Ernährung.
Allerdings lassen die knapp 87 Minuten Laufzeit nicht allzu viel Zeit für Charakterentwicklung. Stattdessen gerät das Gespann ins Visier der unbarmherzigen Killer, mit denen sie sich nicht nur Schusswechsel sondern auch Verfolgungsjagden liefern. Da kommt in mehrerer Hinsicht Nitroglyzerin zum Einsatz – sowie einige tolle Autostunts, die Cobretti drauf hat. Doch obwohl das in seiner aufgegeilten Werbeclip-Ästhetik schon für Unterhaltung sorgt, gerät das Finale erst wirklich genüsslich außer Kontrolle. Hier verschlägt es die Parteien in eine Fabrik beziehungsweise Verbrennungsanlage, wo sich scheinbar der Wunschtraum Cobrettis erfüllt, den Teufel in der Hölle zu schlagen. Der Nachtschlitzer brummt da mit schwitzender Fratze und tiefer Stimme vor sich hin, sticht mit den Augen in Cobras Seele und ergötzt sich regelrecht daran, dass er ihn nicht umbringen dürfe, da auch für ihn Rechte und Gesetze gelten. Doch Cobretti stellt in seinem moralisch unvertretbaren, aber filmisch aufregenden Entschluss zur Selbstjustiz fest: „Bei Leuten wie dir hört das Gesetz auf. Du verdienst keine Rechte, Scheißkerl.“ Wie bei fast allen extremeren Filmen der achtziger Jahre ist es auch hier schwierig, als Zuschauer eine Balance zu finden, die den hitzigen Unterhaltungsfaktor des Films anerkennen und der dort herrschenden ideologischen Infantilität genügend Distanz zum aktuellen Zeitgeschehen zugestehen kann.
Der Fokus auf Stil, Mode und Coolness hilft gänzlich amüsierend über die Runden, wie auch das Spektrum an Kommunikation in seiner Macho-Logik selbst damals schon als unfreiwilliger Humor hätte durchgehen müssen. Wäre natürlich gelacht, wenn man als junger Mann nicht doch eine Art vorbildlichen Reiz in der „City Cobra“ erkennen könnte. Doch darin überwiegt wohl mehr deren freie und draufgängerische Haltung als das politische Wunschdenken Cobrettis. Und wenn man ehrlich ist: Seine kleine Romanze mit Ingrid ist eine recht süße Angelegenheit. Es hat aber schon seine Gründe, warum Cosmatos’ Film hierzulande jahrzehntelang auf dem Index verweilte und heutzutage weiterhin erst ab achtzehn Jahren freigegeben ist. Doch in diesem Fall dürfte es für Erwachsene wirklich nicht schwierig sein, Realität und Fantasie zu unterscheiden. Auf diesem Wege wird der Film nämlich zu einem urbanen Krimimärchen, das sich exzessiv in Klischees und Männlichkeitsideale vertieft, bis alle Lacher auf seiner Seite sind. Eben ganz der Charme des comichaften Zynismus – wo Hass und Liebe nah beieinander sind.
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