Regisseur Gareth Evans kennt kein Erbarmen, wenn es darum geht, den Exzess im Sequel zu seinem Überraschungshit „The Raid“ immer wieder pointiert zu steigern. Denn je härter der choreografische Wahnsinn und je blutiger die Zerstörung menschlicher Körper vollzogen werden, desto stärker beweist er, wie kompakt und folgerichtig effektiv er sie umfassen kann. Als Meister seines Fachs ist er ein strenger Geograf – er etabliert die Arenen seiner Fights und die Verfassung seiner Kontrahenten stets mit einvernehmlicher Sorgfalt, schöpft auf rein visueller Ebene fiebrige Spannungen der Erwartung und Eskalation. Was im ersten Teil innerhalb eines konzentrierten Hochhauskomplexes entfesselt wurde, geschieht hier im Freien, wird aber ebenso zu einem Mikrokosmos fokussiert, in dem sodann alle anarchischen Möglichkeiten des körperlichen Konfliktes ausgelotet werden können, jenseits der allgemeinen Gesellschaft – bezeichnenderweise steigt er mit einer gigantischen Totale eines weitläufig natürlichen Feldes ein, an dessen unterem Bildrand sich ein äußerst gemeiner Auslöser des kriminellen Schreckens schleichend entfaltet.
Mit der Kampfmaschine Rama (Iko Uwais) als Protagonisten steigt man nämlich in die enthumanisierte Unterwelt ab – diese ist vom finsteren Kern aus verzahnt in Politik und Polizei, dennoch im permanenten Terror der Machtansprüche. Undercover eingeschleust, spielt er mit gigantischem Engagement die Rolle des allmählich treuen Gehilfen von Gangstersohn Uco (Arifin Putra), ergibt sich freiwillig, aber garantiert nicht schmerzfrei, den Bewährungen seiner neuen Gönner, die ihm Zutritt in ihren äußerlich geordneten, aber von Gewalt lebenden Wirkungsbereich gewähren – wo eben die höchste Form der Misanthropie haust, in feinsten Anzügen. Diese grundlegende Überheblichkeit der Gesetzlosen und die Ambition zum Geltungsdrang treiben lang-, aber grausam einen Bandenkrieg voran, an dem sich Uco ebenfalls wie Rama als initiativer Verräter beteiligt, um auf den Thron zu kommen. Er und Rama sind im Grunde zwei Seiten der selben Sache, natürlich Gut und Böse, aber nicht minder kraftvoll.
Regisseur Evans spielt da auch bewusst mit der Auffassung des Zuschauers zur Sachlage des modernen Actionfilms. Rama ist zum einen der gewissenhafte Künstler und Meister, der sein mentales Zen selbst anhand eines Umrisses des menschlichen Körpers meta- und superphysisch aufpowern kann, seine Muskeln und einschlagenden Bewegungen derartig unter Kontrolle hat, dass er äußerlich nicht mal wie ein stählerner Protz ausschauen muss. Uco dagegen äußert sich mit stürmischem Temperament und zerreißender Waffengewalt, die jene Anatomie des Menschen regelrecht aufplatzen lässt. Er repräsentiert das schockierend-rabiate Chaos sowie einen eiskalten Zynismus, der im Geschäftsgespräch vier wehrlosen Leuten die Kehle durchschneidet und den fünften in der Runde mit sadistischem Zögern an den Rand des Nervenzusammenbruchs treibt – was natürlich auch dem Zuschauer bis ins Mark geht.
Wie diese beiden Seiten fortan aufeinander reagieren werden, präsentiert der Waliser Evans kongenial mit einer verlängerten Einstellung von einer sich drehenden Münze, die nie auf einer Seite landet, stattdessen parallelisierende Abschnitte garstigster Gang-Gewalt einleitet, deren schlimmste Ergebnisse immer rechtzeitig von einem Gegenschnitt ins andere Grauen optisch zwar verdeckt, aber suggestiv verstärkt werden. Rama ergeht es nicht anders, da er seine Kräfte nun in der Verteidigung seiner selbst im Angesicht frei gelassener Biester nun ebenso für übermäßige Quälereien verwenden muss, um aus der Hölle zu entkommen, auch wenn er durchweg mit seinem Gewissen hadert. Stellvertretend für den Autorenfilmer Evans vergisst er nun mal nicht die Menschlichkeit in der Action, bleibt im Geiste bei seiner Familie und erhält seine Erfüllung inmitten all dem monarchisch-blutgierigen Gangstertum darin, einmal die Stimme seines Sohnes zu hören oder zu wissen, dass er zusammen mit seiner Mutter in Sicherheit ist.
Eine ziemlich simple Maßnahme, wie der eigentlich recht konventionelle Plot an sich (Johnnie Tos „Election“-Reihe kommt einem da in den Sinn), aber in vorderer Linie asketisch funktional und selbstbewusst für den Aufbau der illustren Set-Pieces der Dualität. Man bemerke allein, wie mühelos und wuchtig Evans innerhalb von knapp zehn Minuten Screentime die Figur des Killers Prakoso (Yayan Ruhian) aufbaut, seiner Vergangenheit und Motivation ein prägnantes Gesicht verleiht, ihn in seinen Fähigkeiten aufblühen und so glorreich enden lässt, dass sich sein Tod als entscheidend einflussreicher Faktor des gesamten Konfliktes behauptet – wiederum ein Zeichen dafür, wie ernst und liebevoll Evans seine Charaktere nimmt. Später schafft er es erneut bei dem mörderischen Duo Hammer Girl (Julie Estelle) und Baseball Bat Man (Very Tri Yulisman) mit bloßer Zeichensprache untereinander und einem stark vernarbten Auge ihrerseits beim Verlust der Sonnenbrille im Kampf – da versteht man sofort, was hinter ihnen liegt.
Und dennoch ist am Ende Blut dicker als Wasser und das Spektakel überwältigender als Subtilität – da gibt’s mächtig kunstvoll auf die Fresse, mit grenzenloser Dynamik und erbarmungsloser Destruktion der ausgiebig etablierten Angriffsfläche Mensch gegen Mensch, allerdings mit dem rechtschaffenen Rama als Kräftepol des Zuschauers, sodass sein Meistern der Herausforderungen unser gemeinsamer Kampf, unser Adrenalinschub wird, noch mehr als im Vorgänger – auch mit Hilfe des geheimen Partners und sich in einer fantastischen Verfolgungsjagd behauptenden Eka (Oka Antara), welcher seine kommende Präsenz darin übrigens ganz im Sinne von Evans’ Minimalismus durch einen simplen, schweigsamen Anruf ankündigt. Auf diesem Wege des kinematischen Mitschwitzens geht Evans erst recht auf intensive Tuchfühlung mit seinen sich gegenseitig zerfleischenden Kontrahenten und lässt zeitgleich ihre Arenen gnadenlos enger werden, bis das Schicksal eines ganzen verdorbenen Imperiums mit weitreichender Verbindung zur Oberwelt und dessen Figuren sich unter anderem im Innern eines Autos, in einem kleinen, rot-gläsernen Durchgangsflur und einer bloßen Küche entscheidet. Was wieder mal beweist, dass selbst die kleinsten Zellen die stärkste DNA beherbergen können.
Und Evans kennt nun mal die DNA des Actionfilms in- und auswendig, lässt zwar die Münze von vorhin nur im Sinne Gut vs. Böse fallen, nicht aber, was die Ideologie der Genre-Stile betrifft – es ist ihm stattdessen eine immens aufregende Einigung gelungen, die eine bombastische Grausamkeit am Rande des Unmöglichen in graziöser Kohärenz, rasanter Körperkunst und vor allem ekstatischer Menschlichkeit erlaubt. Er ist daher auf seine Art vielleicht der essenziellste Action-Regisseur seit John McTiernan, aber natürlich auch mit einem Ensemble an der Hand, das sich keine Kompromisse zugesteht. Das asiatische Kino ist dem Rest der Welt so oder so wieder mal weit voraus, aber hier von sich aus als international beglückendes Bewegungskino erdacht. Passt ja zu Evans, dem enthusiastischen Film-Geografen.
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