Mit dem Abschluss der Shia-LaBeouf-Trilogie versucht Regisseur Michael Bay ein etwas ernsthafter gehaltenes Sci-Fi-Epos um die interstellaren Blech-Roboter, welche sich in Autos und andere irdische Utensilien verwandeln können. Klingt schon wie ein Widerspruch, ist tonal auch eine befremdliche Krux, die mit der Jugendlichkeit des Erstlings nicht mehr allzu viel gemein hat (höchstens Sams Eltern, in grünen Overalls im eigenen Bus durchs Land kurvend, hegen noch ein Stück Leichtigkeit), stattdessen auf einige recht finstere Szenarien setzt, deren dramatisches Gewicht sich nur dann entfaltet, wenn die (beim jungen und jung gebliebenen Publikum) beliebten Autobots dem Tode nahe sind. Bay nimmt hier zusammen mit seinem verbliebenen Drehbuchautoren Ehren Kruger Kurs auf gnadenlose Gewalt in digitaler Form (klar, auf 35mm, aber ebenso in 3D), ist zwar noch immer nicht komplett weg vom Räudenhumor der Vorgänger, legt aber noch mehr denn je Wert auf unglückliche Konflikte, Bastard-Charaktere, Verrat und Auslöschung im großen Stil – in einer tristen Welt, die unter dem nimmer stoppenden Exzess manischer Zerstörung zu leiden hat. Schon die ersten Hoffnungsschimmer von Transformers 3 beherbergen einen bitteren Hintergrund, sobald Bay im filmischen Geschichts-Revisionismus die Apollo-11-Mission der Mondlandung zum Erforschen eines dort gelandeten Autobot-Schiffes ummünzt, welches im Krieg um Cybertron als letzte Bastion/Arche entfliehen konnte, aber kaum Überlebende innehat.

Hier wird schon ein gewisser Wandel im Stil bei Regisseur Bay bemerkbar, welcher diesen extensiven Rückblick auf US-amerikanische Geschichte mit einem ehrenvollen Pathos à la „Armageddon“ ausstattet, aber ihn so gewissenhaft vermittelt, das er im Gesamteindruck wichtig erscheint. Offenbar hat Amir Mokri („Man of Steel“) hier mit seiner Kamera-Arbeit ein bisschen Respekt zurückverlangt, den ihn Bay bei „Bad Boys II“ im Schnitt abgesprochen hatte. Der zeigt aber auch ordentlich Engagement für seine konspirative Fantasie, lässt er doch sogar den echten alten Buzz Aldrin auf Optimus Prime treffen und zugeben, dass die Mission fingiert war. Was allerdings nicht so gut hinhaut, sind die CGI-Rekreationen von JFK und Nixon sowie Steve Jablonskys Score, der durchweg den Dark Knight nachäfft, zum Finale hin sogar beinahe 1:1 Zack Hemseys „Mind Heist“ vom „Inception“-Trailer. Aber Nolan ist ja ohnehin erklärter Michael-Bay-Fan, also ehrt ihn das vielleicht ein bisschen. Aber Junge, wenn mal nicht die dramatischen Streicher und Posaunen einsetzen und die Menschen-Story um Sam Witwicky (LaBeouf) weitergeführt wird, muss man durchweg mit einigen wirklich mickrigen Popsongs Vorlieb nehmen. Linkin Park, ey …

Aber wollen wir doch mal abchecken, wie es unserem Protagonisten seit Teil 2 ergangen ist. Nun, Mikaela ist weg, dafür hat der Junge aber unfassbares Glück und hat bereits eine neue britische Blondine namens Carly am Start (Rosie Huntington-Whiteley, als Darstellerin doch zugänglicher, wenn auch weit weniger interessant ausgefüllt als Megan Fox), wie direkt aus dem Playboy im Slip an sein Bett tretend, mit einem symbolischen Glückshasen-Plüschtier in der Hand. Doch Sam ist kein allzu glücklicher Geselle, hat man ihn doch für seine zwei vorangegangenen Einsätze zwar mit einer Medaille belohnt (mit der er überall prahlend hausieren geht), nicht aber mit einem Job, bei dem er so wichtig sein darf, wie er für sich selbst zugesteht: „I saved your life twice and I want to matter again!“. Vorbei sind die Zeiten, in denen er all seinen unbedarften Teenie-Enthusiasmus schlicht in ein tolles Auto steckte, jetzt kann er nur noch ein weinerliches Douchebag sein (übrigens ein Stück weit zu realistisch von LaBeouf gespielt), das frustriert-großkotzig von einem unnötig verpatzten Bewerbungsgespräch ins andere stolpert, manisch in den Motor seines Datsun kickt, damit er anspringt und ohnehin durchweg die Eifersucht packt, wenn Carly mit ihrem gönnerhaft-schleimigen Boss Dylan (Patrick Dempsey) nur redet. Wie Sam ist auch er eine unsympathische Arschgeige, aber eine, die leidenschaftlich mit coolen Oldsmobilen handelt und heiße Sekretärinnen um sich herum versammelt. Ist er Michael Bays Alter Ego? Auch. Später entpuppt er sich jedenfalls als Verräter, der seine Involvierung aber quasi nur vererbt hat, zumindest auf eine gute Stellung in der neuen Herrschaft hofft und bei der Erfüllung des bösen Plans völlig unvermittelt und entgeistert jenen für den ganzen Film stehenden Satz in den Raum wirft: „We all work for the Decepticons now.“ Denn bei Bay werden jetzt auch die Helden glatte Totschläger im ewig-währenden Zeichen von Hasbros Robo-Kommerz (von dem Lenovo-Product-Placement überall mal abgesehen). Das kann man schon subversiv nennen.

So dringen die Autobots (warum auch immer) auf eigene Faust gewaltsam im Nahen Osten ein und gehen mit dem geheimen Einsatzkommando NEST auf Erkundungstour nach Tschernobyl, um dort einen von den Decepticons verwendeten Antrieb aus jenem gestrandeten Mond-Schiff vorzufinden, woraufhin Optimus Prime sich bei der Direktorin der nationalen Sicherheit, Mearing (Frances McDormand), darüber beschwert, dass niemand ihn darüber informiert hat. Aber auch wenn Mearing als Autoritäts-Emanze-mit-Stock-im-Arsch dargestellt wird, sind ihre Argumente der Geheimhaltung und Regulierung der Autobot-Aktivitäten alles andere als unsinnig. Da können Prime & Co. noch so erhaben-episch in der digitalen Linse aufblitzen und bassgeladen in die Front-Lautsprecher des Films reinschallen, denn was sie im Folgenden in die Wege leiten, ist wahrlich kein Zuckerschlecken: So holen sie den letzten verbliebenen Überlebenden des Schiffes, Sentinel Prime (Leonard Nimoy) auf die Erde, zusammen mit mehreren Pfeilern für die sogenannte Space-Bridge, mit der man Ressourcen von einer weit entfernten Galaxis in die andere teleportieren kann – was potenziell auch Waffen und lauter böser Roboter bedeutet, auch wenn Sentinel noch ganz nobel vom friedlichen Wiederaufbau des Heimatplaneten Cybertron parliert. It’s a trap, denn siehe da, auch er arbeitet verräterisch mit Megatron (Hugo Weaving) zusammen. Doch dazu später mehr.

Vorher bekommen wir nämlich noch Sams neuen Boss zu sehen, Bruce Brazos (John Malkovich), der ebenfalls das spitting image seines Regisseurs darstellt: gut gebräunte Haut; falsch-glänzende Zähne; narzisstische Fotos im Büro; ein gnadenlos zynischer Perfektionist in Sachen Style (der eine Sekretärin rausschmeißt, weil ihre Tasse eine andere Farbe als die der Gesamtbesetzung hat); ein Action-Süchtiger, der beinahe mit Geilheit einem Autobot gegenüberstehen und boxen will – und zuguterletzt derjenige, der als Erstes den ach so ambitionierten Sam unter seine Fittiche nimmt … für einen kaum anspruchsvollen Briefboten-Job. Die Parallelen sind unübersehbar. Erst recht, sobald er recht skeptisch dreinschaut, nachdem Sam in der Toilette von dem verfolgten Ex-NASA-Arbeiter Jerry Deep Wang (Ken Jeong, das ausgefallenste Slapstick-Element dieses Films) mit brisanten Decepticon-Informationen aus der Unterhose bedrängt wird, und missverständlich à la Austin Powers glaubt, dass einige krasse Schwulitäten in seiner Firma abgehen. Das altbekannte brülliante Material lässt nun mal echt nicht nach. Bevor sich aber alle versehen, greifen die Bösen Sam und seinen Arbeitsplatz an = jetzt ist er wieder in the game, holt Agent Simmons (John Turturro) inklusive schwulem Assistenten mit einer History of Violence, Dutch (Alan Tudyk), als Unterstützung dazu und zieht Carly mit ins gefährliche Spiel um die mythischen Mecha-Krieger (damit er noch sympathischer für den Zuschauer erscheint, schreit er zudem wutentbrannt-keifend die Wachposten an, welche ihn zunächst nicht zu den Autobots lassen wollen – so wie man Shia heute halt kennt). Für manche Damen dieser Welt mag sowas aufregend klingen, für Carly als designierte Bimbo-Blondie bedeutet das aber vorallem ein Mangel an Aufmerksamkeit von Seiten Sams, weshalb sie ihn verlässt, aber bald von Verräter Dylan entführt, später wieder von ihrem Lover zum Ende des Films gerettet und geküsst wird. Das ist die ganze Story zwischen den beiden und bietet daher verständlicher Weise wenig emotionalen Gehalt.

Viel mehr bemüht sich der zunehmend enthumanisierte Film darum, das Schicksal der Autobots besonders dramatisch und für Sam fühlbar, im Angesicht von Folter und Tod, in den Fokus zu rücken. Da werden sie von Sentinel und seinen Männern beschossen, verätzt, amputiert und auch in Gefangenschaft exekutiert, als wäre man beim Robot-Holocaust. Ganz zu schweigen von dem Exil, das ihnen von der Weltregierung auferlegt wird, da die Decepticons sonst mit Massenvernichtung drohen (und schon Lincoln von seinem Monument geballert haben) – da verabschiedet sich Sam unter Tränen von seinen alten Weggefährten (übrigens trotz dumpfer Dialoge unfassbar passioniert von LaBeouf gespielt, zigfach mehr als bei der Trennung von seiner Carly – na gut, kannte er noch nicht so lange) und muss mit ansehen, wie ihre Rakete ins All kurz nach dem Start abgeschossen wird. Wer sich an die Challenger-Katastrophe erinnert, kennt die Bilder – da dreht Bay, ganz hart an der Geschmacksgrenze, am emotionalen Rad. Aber wie gehabt bei diesem Franchise sollte man sich keine allzu großen Sorgen machen, die Blechmänner kommen sowieso bald wieder zurück. Und wollen wir mal nicht vergessen, was die hier mit den Decepticon-Punks, wie Autobot Ironhide sie nennt, so alles anstellen: Die werden enthauptet, in den Kopf geschossen, in Zeitlupe aufgeschlitzt und wie Hunde in Gebäude reingetreten – habe ich schon erwähnt, dass sie teilweise massig rotes Blut spucken? Brutaler und hasserfüllter geht es nicht – man male sich mal aus, das wären Menschen!

Und dann wäre da natürlich das fulminante Finale in Washington/Chicago (?), bei dem die Decepticons die Stadt à la 9/11 in Schutt und Asche legen, Menschen auf der Straße explizit pulverisieren und anhand der magischen Transporter-Pfeiler die bösen Truppen von Cybertron vom Himmel beschwören, um uns als Sklaven für den Wiederaufbau zu unterjochen. Aber nix da – Optimus und Co. haben überlebt und ziehen entschieden in den großen Krieg um unsere Freiheit ein, mit den euphorischen Worten „We will kill them all!“; erstes Manöver: Einen der Bösen vierteilen. Ach ja: Und Sam sowie Tyrese Gibson mit seinen alten Militär-Buddies dabei unterstützen, Carly aus den Fängen der Fieslinge zu befreien und Informationen über diese vermaledeiten Pfeiler an NEST-Kumpanen Josh Duhamel zu senden. Und ab dem Zeitpunkt ist Bay für gefühlt eine ganze Stunde voll in seinem vulgär-martialistischen Destruktions-Element und konzentriert jene folgenden, einzelnen Handlungen zu einer unaufhaltbaren, ineinander-umwirbelnden Sinnesattacke, die in endlosen Pixeln und permanenten Soundgewittern aufgeht: Die Verräter-Menschen werden von Bumblebee à la Trinity in „Matrix“ per MG niedergemäht; Sentinel puhlt Megatron am offenen Hirn rum, um seine Vorherrschaft zu behaupten (weshalb Carly Megatron später davon überzeugen kann, gegen Sentinel vorzugehen, bevor er ihn zu seiner Bitch macht); Sam und Co. retten sich in ein einstürzendes Gebäude (!), an dessen Fassade sie zusammen mit zahlreichen Scherben herunter ins nächste Stockwerk rutschen, während sich eine riesige, minutiös-versierte Decepticon-Raupe um das Hochhaus schlingt und zerfrisst; der gesamte Heimatplanet der Autobots, Cybertron, erscheint am Himmel und wird von ihnen in die Luft gejagt; Sam tötet Dylan mit einem Pfeiler-Schlag gegen den Kopf; Optimus hat eine Super-Schrotflinte und bläst dem um Gnade flehenden Sentinel unbarmherzig das Lebenslicht aus, nachdem er einen Arm abgeschnitten bekommen und dafür Megatrons Kopf inklusive Wirbelsäule herausgerissen hat. THE END. Was für ein blutrünstiger, explosiver Wahnsinn!

Zwischen all diesen grausamen Zwischenstationen der exzessiven, bombastischen Wut, die unsere Sinne auslaugt und beinahe den gesamten Rest des Films bewusst wieder herausprügelt (siehe auch Teil 1), erleben wir aber auch einen Michael Bay in seiner kunstfertigsten Form: Speziell sei jenes Szenario genannt, in welchem Josh Duhamel und seine Kollegen mit ihren Wingsuits ins Krisengebiet fliegen und dabei als kontrastierende, rasante Blitze mit den Linien und Formen, sogar Wellen der umstehenden Wolkenkratzer verschmelzen und diese auch brechen. Durch den Schutt und die Löcher der Gebäude hindurch zischen, sprühende Funken abprallen lassen und mit den Trümmern in der Bewegung nach unten einhergehen. Zusammen mit den digitalen Endzeit-Kreaturen und Schlachtschiffen lassen sie die Leinwand mit zersetzender Geschwindigkeit und Dynamik explodieren, ganz brutal, wie der Film an sich, aber ästhetisch grundlegend spannend und natürlich in jeder Einstellung eindrucksvoll.

Im narrativen Sinne kann man natürlich auch hier nicht von echtem Suspense reden, dafür scheint an vielen Stellen zu sehr die gewollte und nicht verdiente Ernsthaftigkeit durch – bei einem Regisseur, der jeden einzelnen Moment für bare, monumentale Münze verkaufen will, in seinem Überschwang nur selten eine gelungene Pointe passieren lässt, keinen Stimmungswechsel harmonisch vorbereiten kann und so frustriert mit seinen Charakteren ist, dass er sie jetzt beinahe alle zu uninvolvierenden Dreckskerlen umfunktioniert. Aber das gehört einfach zum perfiden Gesamtkonzept des Films und da muss man Bay seinen Mut schon lassen, die Menschlichkeit nun wie ein Besessener vollkommen hinter sich zu lassen, den Zynismus seiner Blockbuster-Clique kompromisslos offen zu legen und letztendlich nur noch im Sinne seiner exzessiven, kindlichen BANG-BOOM-BANG-Bewegungskunst wahre Begeisterung zu zeigen. Es ist noch immer eine Provokation und nur bedingt weniger blödelig (weil nun forciert-düster) als der Vorgänger, aber Bay scheint sich endgültig mit seiner Ignoranz für Menschlichkeit abgefunden zu haben – und da ist er mir noch immer lieber als Ayn Rand, weil spektakulärer und publikumsorientiert beziehungsweise desinteressiert. „Pain & Gain“ war da sein bezeichnender, auf diesen Film folgende Geniestreich animalischer Anarchie. Doch die Rückkehr zum „Transformers“-Franchise steht nun auch wieder an. Man darf gespannt sein, wie sadistisch und hasserfüllt er dieses Mal Mensch und Maschine zerreißen lässt.

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