Seinen angeblichen Entstehungsumständen zu urteilen – von wegen unfertiges Skript, Autorenstreik and all that jazz (der ist nach dem Finale des Erstlings ja sowieso nicht mehr dabei) – fällt es zunehmend schwer, dem zweiten Teil der „Transformers“-Reihe wirklich grimmig gegenüberzustehen. Was aber nichts daran ändert, wie lumpig er letzten Endes dann doch innerlich zusammengeschustert wirkt, auch wenn es deutlich hilft, dem eigentlichen, juvenilen Geist Michael Bays abseits seiner Affinität für das chaotische Spektakel (gut inszenierte Action würde ich das nicht unbedingt nennen) gerecht zu werden – mit all seinen platten Fratboy-Späßen, krass-rassistischen Abziehbildern (unter anderem Mudflap & Skids – die prädestinierten, zumindest semi-heroischen Autobot-Niggaz mit ordentlich Bling-Bling, großen Ohren und Zähnen, sowie einer ausgeprägten Leseschwäche) und einem latent misogynen beziehungsweise misanthropischen Weltbild. Bezeichnenderweise wirken jene Faktoren so aufgesetzt, dass man sie gänzlich aus dem Endprodukt herausschneiden könnte, aber die 150 Minuten Laufzeit müssen ja irgendwie gefüllt werden und dem schwitzigen Pop der Zerstörungsorgie die nötige Portion sub-adoleszente Siffigkeit verleihen (welche den Zuschauer übrigens, so eklig-frustrierend sie auch ist, bei sadomasochistischer Laune zu halten versucht).

Dazu gehört dann aber auch, dass man im Schreiber-Team Orci-Kurtzman-Kruger fast schon alles wieder von vorne anfängt und nicht unbedingt weiß, was man damit anfangen soll. Ist die Entdeckungsgeschichte unseres Protagonisten Sam Witwicky (Shia LaBeouf) in der Begegnung mit den Autobots und Decepticons beim noch weit mehr militaristischen Vorgänger noch so ausgegangen, dass Josh Duhamel ihn schon quasi zum Söldner ernannt hat, macht sich unser dusselig-seufzender Held hier bereit fürs College und ist noch immer gehemmt gegenüber seiner Traumfrau Mikaela (Megan Fox, die hier im Vergleich zu ihrer relativ menschlichen Darbietung in Teil 1 noch mehr an fehlendem Charme einstecken muss). Kein Wunder, dass seine Eltern (Kevin Dunn und Julie White) ihn nach seinem lebensgefährlichen Einsatz um die Rettung der Menschheit noch immer nicht wirklich ernst nehmen können, aufgrund seines Auszugs aus dem Elternhaus Babyschuhe vor seinem Gesicht herumwedeln und flennen, sich zudem beschweren, wenn sein Kumpel Bumblebee bei der Rettung vor kleinen Decepticons im Haushalt wieder mal die ganze Bude in die Luft jagt. Kann man ihnen nicht übel nehmen, auch nicht, dass sie später Hasch auf seinem Campus einnehmen und durchdrehen und Sam vor den anderen Kids damit lächerlich machen. An sich ist er ja auch eine Null – LaBeouf spielt seinen Charakter zwar weiterhin sehr energetisch, aber noch unsympathischer als zuvor.

Apropos Decepticons: Die gibt’s noch? Jau, ein paar vereinzelte krauchen wie gehabt auf der Erde herum. Und so arbeiten die guten Autobots um Optimus Prime (Peter Cullen, bei uns Reiner Schöne) und Ironhide mit dem US-Militär (Josh Duhamel und Tyrese Gibson wieder mal Bot-befürwortend mit im Gefecht) unter dem Pseudonym NEST zusammen daran, sie international auszulöschen – was massive Demolitionen in der Bevölkerung zur Folge hat (bereits anfangs im Box-Office-anbiedernden Shanghai, dem wir in Teil 4 großflächig wiederbegegnen werden). Das ruft ein paar Vertreter der US-amerikanischen (Obama-)Regierung auf den Plan, die in ihrem Misstrauen ebenso den Abzug der Autobots fordern. Aber Optimus, der Anführer dieser nano-mechanischen, rücksichtslos-kriegerischen Kreaturen, argumentiert dagegen schon leicht-drohend in diesem Film der Post-Bush-Irak-Krieg-Ära, was wohl wäre, wenn man in der Hinsicht falsch läge? Und tatsächlich setzt ein sich-im-Besitz-von-Sam-befindliches Überbleibsel vom ominösen All-Spark-Würfels aus Teil 1 eine Kette an Ereignissen in Bewegung, die einem bösen Roboter im All die Position von Obermotz Megatron (Hugo Weaving), der nach dem großen Gefecht im Debütfilm auf dem Grund des Meeres vergraben wurde, verrät.

Megatron, nun wiedererweckt durch einige seiner Lakaien, reist daraufhin zum Saturn, um einem anderen Fiesling, The Fallen (Tony Todd), einen gewissen Motivationsschub zu geben und nun endlich seine titelgebende Rache an der Erde auszuführen. Denn wie sich herausstellt, haben Autobots und Decepticons schon Jahrtausende zuvor mit Urmenschen um unsere Sonne gekämpft, um von ihr Energie für ihren Heimatplaneten Cybertron zu bekommen, was aber gerade noch vereitelt wurde. Deshalb gilt es jetzt aus bloßem Trotz, die Sonne in die Luft zu jagen, um vielleicht doch noch mal zu neuer Glorie zu kommen (?). Dafür brauchen sie aber noch die sogenannte Matrix der Führerschaft sowie eine Laser-artige Gerätschaft namens Harvester, deren Standort ausgerechnet nur Sam weiß, nachdem er beim Kontakt mit seinem All-Spark-Splitter die Koordinaten im Kopf injiziert bekommen hat und nun im College – wie das Publikum epileptisch-geschockt mit verdrehten Augen – in den ungünstigsten Momenten überall hinpinselt. Natürlich kommen ihm da die Bösen auf die Schliche, unter anderem in Form einer verführerischen Terminatrix (Isabel Lucas), jagen alles in die Luft und liefern sich rasante, unübersichtliche Gefechte mit seinen Freunden, den Autobots – wobei Optimus Prime sogar zur Mitte des Films hin stirbt! Aber keine Sorge, er bleibt zusammen mit dem Franchise noch im Verlauf des Films am Leben.

Jedenfalls muss Sam zunächst mit dem Tod seines Beschützers, dem Umstand, dass er Mikaela noch immer nicht sagen kann, dass er sie liebt, sowie seinem nervigen College-Kollegen und Anhängsel Leo Spitz (Ramon Rodriguez) hadern, ehe er sich entschließt, die Koordinaten mithilfe seines alten, antagonistischen Weggefährten Agent Simmons (John Turturro) – der jetzt in der Metzgerei seiner Mutti mit einer schrillen Onkel-Tom-Karikatur arbeitet – zu entziffern. Dies führt ihn und seine Kumpanen ins Smithsonian Museum in Washington, wo sie einen alten, zur guten Seite gewechselten Decepticon namens Jetfire entdecken, der einen mechanischen Bart trägt, auf Krücken läuft und, da er ja als Jet getarnt ist, ab und an Fallschirme furzt. Bis hierhin ist der Film für seine Verhältnisse noch einigermaßen geradlinig und verständlich in seiner Plot-Entwicklung und Erfüllung von Bays Idee eines Sommer-Blockbusters – inklusive Hunde-Poppen und einem Mini-Decepticon, der sich an Mikaelas Bein reibt, damit immerhin noch treuer ist als Sam, wie sie vorwurfsvoll feststellt. Auch die Inszenierung an sich funktioniert treibend-bunt und übermäßig-bombastisch, zwar inhaltlich und ideologisch auf dem niedrigsten Zenit, aber zumindest kohärent von einem explosiven Setpiece ins nächste fließend.

Doch dann sprengt Bay selbst den Rahmen dieses Konzepts, legt damit los, dass hinter jenem Museum in Washington eine kalifornische Wüste voller Jets abhängt, und versetzt seine Protagonisten mithilfe einer urplötzlich einsetzenden Teleportations-Fähigkeit Jetfires (seine Erklärung dazu: „IN DECKUNG!“ ) nach Ägypten, sogar zusammen mit Bumblebee, Mudflap & Skids sowie anderen Autobots, die in der vorherigen Szene gar nicht mal dabei waren. Ab diesem Zeitpunkt ist das Prinzip Logik komplett vergessen und leitet in ein endloses Gefecht um die Zukunft der Menschheit ein, bei dem das selbstverständlich mitbeteiligte US-Militär, nun auch mit plötzlicher Unterstützung von weiblichen (schnell zerstörbaren) Moped-Autobots, basierend auf einem durchweg verkomplizierten Plan unseres Heldengespanns, durchweg-verkompliziert-designte Decepticons bekämpft. Hier kennt Bay keine Grenzen mehr und liefert ein undurchsichtiges, betäubend-gewaltiges Fest an digital-verzahnten, bildfüllenden Formen, Kanten und Explosionen bei Sonnenuntergang, dass man vor lauter Metallschrott, Schweiß, Sand und gleichsam beiläufigen wie auch stets episch aufgearbeiteten Handlungsentwicklungen kaum noch den Überblick behalten kann, sowie jede einzelne Person eigentlich nur noch hasst – ganz schön beachtliche Leistung!

Das ist Overkill in seiner höchsten Form und irgendwie faszinierend als reine Kunstbetrachtung, wo das Vorangegangene doch eh schon nur belanglos vor sich hinlebte und hier nun durchweg abstrakt verkappt wird (man frage sich allein, wie Sam in den Roboter-Himmel kommen kann – immerhin kommt er aber wieder zurück auf die Erde und kann Mikaela endlich I LOVE YOU!  sagen, Charakter-Entwicklung abgeschlossen). Aber bei dieser knalligen Verwirrung der Sinne fragt man sich schon, warum man so lange darauf warten beziehungsweise warum es sich dafür als narrativ-gesteuerter Film ausgeben muss. Bay will ganz klar Frustration und Hass aufbauen, auch wenn er meint, diese Streifen nur für die Unterhaltung der Kids machen zu wollen. Ob die was davon mitnehmen können, dass ihr Held Optimus Prime zum Schluss übertough zurückkommt, Fallen das Gesicht abreißt und seine Faust von hinten durch den Brustkorb schießt? Ich möchte es ein bisschen bezweifeln, auch wenn’s klasse aussieht. Aber da ist Bay wiederum einfach nicht konsequent genug in seinem Hang zur cineastischen Brutalität, muss diese in der ersten Hälfte stattdessen mit einem dödelig-ankotzenden Humor forcieren, welcher der Lustlosigkeit des Gesamteindrucks die Dornenkrone der Dämlichkeit aufsetzt.

Das macht größtenteils leider nicht wirklich Spaß, streckt sich unverhältnismäßig lang aus und verliert so hart die Kohärenz, dass man es kaum noch tolerieren kann. Aber offenbar doch noch genug, um es zum Milliardenerfolg und weiteren Sequels zu verhelfen. Michael Bay wurde damit 2009 endgültig zu einem der profitabelsten Cine-Sadisten unserer Zeit – und die späteren Exemplare seines Roboter-Schlachtfeldes werden dahin gehend noch deutlicher, das hier ist ja nur die Spitze des Eisbergs (und ist im Detail noch weit unfassbarer, als dass man es in diesen Zeilen adäquat festhalten könnte). Wer also mal richtig leiden und angewidert werden will, hat mit dieser seiner Rache ans Publikum ein ordentliches Ventil gefunden, das sich zwar erst im letzten Drittel die Samthandschuhe abzieht, dann aber einen gewissen, Hirn-zersetzenden Destruktions-Zauber entfaltet, der Kino als Kunstform vollkommen unterlaufen und verzerren kann, wie man es sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen mag. Eine regelrechte Qual bleibt es dennoch.

Meinungen

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