Hier haben wir wohl den pursten „Transformers“-Film bekommen, vor dem man sich auch seit jeher gefürchtet hat: eine fast drei Stunden lange Nonstop-Sinnes-Attacke, bei der Handlung und Charaktere nur noch minimalistisch-dünn angebaut und über das ganze Zelluloid verschmiert werden, um einer ungebändigten Orgie von Explosionen, digital-umwirbelnden Einzelteilen, Dröhn-Tonflächen und zynisch-freudloser Gewalt gegenüberzustehen, bei der sich das unfassbar plakative (nun auch zeitweise chinesische) Product Placement fast schon am prägnantesten aus dem ganzen Geschehen heraushebt. Michael Bays „Transformers 4 – Ära des Untergangs“ ist damit wohl die frechste Provokation des Jahres gelungen und kann eigentlich kaum noch als Film, denn als sadistisches Experiment der Chaotik bewertet werden, welches unentwegt versucht, das menschliche Gehirn in Brei zu verwandeln – so wie es eigentlich auch sein sollte. Wie oft haben sich doch Fans und Puristen jener Hasbro-Spielzeug-Marke beschwert, wie belanglos die menschlichen Faktoren in diesen Filmen wirken und kaum nötig sind – nun, die Nachricht wurde erhört und Bay sagt uns den äußerst lehrsamen Kampf an!
Die Menschen in diesem Film sind immer mitten drin und machen jede erdenklich-wilde Scheiße mit, aber zu behaupten, dass sie auch nur ansatzweise einen Plan davon hätten, wäre übertrieben. Sie werden gejagt, jagen sich gegenseitig, werden im Strudel des Roboter-Krieges global durch die Gegend geschleudert und kämpfen sich atemlos durch den Drang der Weltenrettung – doch wissen wir, wer sie sind? Nun, nur ansatzweise, denn selbst für die simpelsten Eindrücke des charakterlichen Innenlebens hat der Film bewusst kaum noch Zeit – deckt jeden in eine gigantomanische Optik ein, die den Zuschauer regelrecht erschlägt, sodass Mark Wahlberg & Co. ebenso schlicht für den Look da sind.
Aber halten wir mal kurz fest, mit was für Leuten wir es hier zu tun haben: Zum einen wäre da die illustre, texanische Yeager-Familie um Vater Cade (Wahlberg) und seine 17-jährige Tochter Tessa (Nicola Peltz). Er definiert sich als wissenschaftlicher Enthusiast, sie sich als stumpfe Blondie, die knappe Shorts tragen und mit dem austauschbaren Lappen von Boyfriend, Shane (Jack Reynor), rummachen will (wieder mal kein starkes Frauenbild bei Bay – leichte Ausnahme: Bingbing Li als Ass-kicking Bodyguard). Cade, ganz der allein-erziehende Patriarch, legt natürlich oft sein Veto dagegen ein, aber der Zoff fliegt immer in seine Richtung zurück, da sie von Schulden und unverkäuflichem Schrott umgeben sind. Was aber Bay nicht davon ablenkt, ihr Landleben in goldig-schwüles Super-Americana zu hüllen und gehaucht-leidenschaftliche „Uh-huhs“ der Imagine Dragons über die Tonspur zu weben. Zusammen mit dem im Verlauf recht pathetischen (und Zeitlupen-trächtigen) Vater-Tochter-Schwiegersohn-Konflikt wohl der süßeste Aspekt des Films und eine nette Erinnerung an den Guilty-Pleasure-Zucker „Armageddons“ – da schaut Cade auch mal nebenbei an der Veranda in den Nachthimmel und sieht sogar eine Sternschnuppe vorbeifliegen. Echt cute – und dank Amir Mokris wiederkehrender, unaufhaltsamer Kamera-Aerobik ein durchgehender, poppiger Augenschmaus.
Aber da kommen auch die bösen Menschen ins Spiel, allen voran CIA-Autobot-Jäger (in seiner Funktion eigentlich ein Held) Harold Attinger (Kelsey Grammer) und sein unbarmherziger Black-Ops-Assistent Savoy (Titus Welliver), die einen Pakt mit dem interstellaren Roboter-Piraten (?) Lockdown geschlossen haben, um die Erde von sämtlichen Transformers zu beseitigen, dafür aber anhand des Multi-Milliardärs und Technik-Moguls Joshua Joyce (Stanley Tucci) eigene Kampf-Maschinen für den Krieg zu erbauen. Ausschlaggebend dafür ist das sogenannte Seed, mit dem schon vor Jahrmillionen die Dinosaurier wie mit einer Atombombe ausgerottet wurden, um metallene Rohstoffe (namens Transformium) für die ominösen Schöpfer bereitzustellen und nun zum Zwecke der US-Regierung – im Austausch mit dem letzten der Primes, Optimus – gehandelt wird. Transformers werden also nicht geboren, sondern gebaut – irgendwo da draußen im All, weshalb Optimus Prime auch letzten Endes à la Noomi Rapace in „Prometheus“ auszieht, herauszufinden, wer sich dahinter verbirgt. Mein Tipp: eine Firma namens Hasbro.
Bay und Optimus schüren da also einen brennenden Hass um die ausbeuterischen Erschaffer und Arbeitgeber ihrer selbst – kennen daher auch keine Kompromisse, es ihnen irgendwie leicht zu machen oder nett und sicher zu sein. Nein, stattdessen sind der Anführer der Autobots und seine Lakaien (unter anderem ein japanischer Samurai-Roboter namens Drift, gesprochen von Ken Watanabe!) nun vollends hasserfüllte Zyniker, die nicht mehr davor zurückschrecken, Menschen zu vernichten und den Planeten Erde endgültig zu verlassen, sowieso dauernd demolieren (da wundert’s einen nicht, wie rechtschaffen dagegen selbst die chinesische Regierung in diesem Film rüber kommt), ihre Menschenfreundlichkeit erst dadurch wieder erlangen, dass Cade Yeager und seine Familie sich sogar für ihren Sieg opfern würden.
Klar machen die Yeagers das offensichtlich, weil sie als gewissenhafte Amerikaner von ihren Heldentaten der letzten Filme wissen und sowieso kein Vertrauen in jene CIA-Schergen haben (Savoy droht Cade sogar einmal, Tessa für den Aufenthaltsort Primes zu exekutieren), aber Bay suggeriert hier auch einen mühsamen Kampf darum, den ganzen explosiven Wahnsinn aufzuhalten/hinter sich zu lassen, damit die Autobots wirklich mal abschwirren können („Some things shouldn’t be invented“, sagt Cade da im Angesicht der Destruktion durch jene Maschinen) und im tieferen Sinne ausgerechnet mal das Medium Kino in Ruhe lassen – und sei es nur, um den Zucker von„Armageddon“ wieder zu erlangen. Anfangs schon lamentiert nämlich ein alter Kinobesitzer die moderne Kinowelt mit all ihren Sequels und Reboots, während Kamera und Score das staubige Gerüst von alten 35mm-Projektoren und prunkvollen Kinosaälen betrauern – für Cade alles Schätze, für die jungen Leute um ihn herum nur Schrott.
Da macht Bay auch seinem Publikum einen dicken Vorwurf und beweist ihm innerhalb der nächsten drei Stunden, was es für diesen Frevel letztendlich erhält: komplette Vernichtung. Er presst uns regelrecht durch den Fleischwolf, lässt das endlos-funkende Fegefeuer und nun völlig auflösbare Wesen der Verwandlung um unsere verfolgten Helden rasen, auf dass die ganze Leinwand nur noch einen Strudel an Schrott per 3D ins Gesicht schießt, da wir ja nichts anderes verdient haben. Man bemerke allein, wie detailliert er auf die à la Pompeji eingeschmolzene, knuspernde Leiche von Cades Kollegen Lucas (T.J. Miller) verharrt, zwar oberflächlich dafür Emotionen erbauen will, aber eindeutig zum Ausdruck bringt, wie sehr er uns verachtet. Doch darin steckt wiederum endlich die inszenatorische Konsequenz unseres leidenschaftlichen Sadisten Bay, sich vollkommen von den Regeln des Narrativs zu lösen und dessen hier äußerst spärliche Fassung mit einem glorreichen, unübersichtlich-zerschüttelten Designer-Chaos vollzustopfen, das mit seinen bizarren Formen und verknoteten, außerirdischen Organismen eine Überwältigung unserer sinnlichen Erfassungsmöglichkeiten herbeiführt. Natürlich stechen da einzelne Action-Setpieces als abgeschlossene Szenen heraus (Cades Fight mit Savoy an den Wänden eines chinesischen Mietshaus kommt einem da in den Sinn), doch sie werden in einem pausenlosen Wust an Spektakeln und Bewegungen aneinandergereiht, worin nur einige stets flach fallende Witze dazwischenfunken können.
Das ist gleichzeitig reine Zeitverschwendung im Sinne eines normalen Filmerlebnisses, aber als künstlerisches Ventil – ob nun menschenfreundlich oder -feindlich, nuanciert oder exploitativ – absolut eigen und für sich gelungen, teilweise wirklich atemberaubend-wirr. Zudem mit einem Körper- und Pyrotechnik-Einsatz verbunden, der ein ekstatisches Engagement an den Tag legt, wie man es einst wohl von Gladiatoren erwartete. Da ist Bay seinen Schauspielern gegenüber aber auch wieder ein unumstößlicher De Sade, schleudert sie nicht nur von einem Wrack ins nächste hinüber in ein Raumschiff und hetzt sie schweißgebadet durch mehrere Kontinente, sondern bringt noch schmerzhaft-peinliche Diskurse über die Legalität der ausschließlich oberflächlichen Liebe von Tessa und Shane zu Wort (die unter das sogenannte Romeo-&-Julia-Gesetz fällt, wie uns der Film ausdrücklich versichert) und krönt dies alles damit, jene Figuren trotz allem nur zur zweiten, beiläufigen Geige hinter dem ganzen anarchisch-rücksichtslosen Roboter-Wahnsinn zu degradieren.
Was für ein grausamer Motherfucker, aber stimmt schon: Man kann nur ein Narr sein, wenn man glaubt, solche Riesen unter seine Kontrolle bringen zu können (oder beim „Transformers“-Franchise überhaupt humanistische Stärken erwarten zu dürfen) – da ist die eigene Winzigkeit und das sichere Plattmachen nur eine Frage der Zeit. Aber es bleibt auch noch Zeit, sich für das Gute zu bewähren – und so schwört auch der Innovationen heraufbeschwörende Joyce nach den zahllosen Katastrophen im Namen der neuen Technik eben dieser ab und erhält dafür zum Schluss sogar einen erleichternden Bro-Hug von Marky Mark. Das Altbewährte ist damit einigermaßen, nach einem betäubenden Furioso der Zerstörung, wieder intakt – ohnehin im ursprünglichen 35mm-Zelluloid eingefangen, da ist Bay natürlich weiterhin ein glatter Film-Romantiker – doch (die moralisch kaum noch unterscheidbaren) Autobots und Decepticons (sprich auch Bay, wenn wir uns mal an Teil 3 und sein „We all work for the decepticons now“ erinnern) bleiben weiterhin auf der Erde und werden uns wohl noch Jahre lang daran erinnern, wie schnell und brutal sie uns mit ihrer digitalen Gleichgültigkeit unterjochen können, auf jeden Fall haben beide Seiten wieder ganz viel Kleinholz und verballerte Gehirnzellen hinterlassen.
Wird das Kino dadurch wieder besser? Keine Ahnung. Aber hat Michael Bay sich als uns gleichzeitig angreifender und (gemessen am Einspielergebnis) willkommener Sadist, der diesen vierten Teil eigentlich erst gar nicht machen wollte, selbst übertroffen? Wie es aussieht, ist er wieder mal voll er selbst – für einen Film, der eigentlich für Kinder gedacht ist, kennt er jedenfalls keine persönlichen Grenzen des Exzesses. Das ist schon ziemlich beängstigend und erschöpfend – aber auch höchst erstaunlich in seiner filmischen Brutalität, die ihre innewohnenden Charaktere hetzerisch-verstörend zwingt, das Unmenschliche zu erkennen, aber irgendwann doch mal zu überwinden. Nicht umsonst mahnen uns zahllose Propaganda-Plakate im Film: „Keep earth human“, „Remember chicago!“, „Transformers are dangerous“ und „Report alien activity“. Irgendwie fühlt man sich zum Schluss hin dadurch gleichzeitig provoziert, wie auch befremdlich erwischt. Ein ziemlich bemerkenswertes Unding, diese „Ära des Untergangs“.
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