So blödsinnig sich das auch anhören mag, aber „Armageddon“ ist mein wohlgehüteter Schatz, der mindestens einmal im Jahr voller freudiger Hochstimmung aus dem Sand der Laster und Lockungen ausgebuddelt wird. Ein Lieblingsfilm für das Gefühl, ein Hassfilm für andere zu sein. Schlagwörter der Lust, Schlagzeilen der Träumerei: dieser nicht mehr menschliche Rührseligkeitsschmalz mit kilometerweiter Ankündigung und dieses nicht minder zischende Weltuntergangsfeuer, diese flackernden Farben und scharfkantigen Flächen, dieses unbedingte Dürsten nach Kleckerei und Kleckserei, dieser propagandistische Wahnwitz aus der Backofenröhre Hollywoods. Erwehren kann ich mich dem nicht; so durchschaubar sind die Winkelzüge zwar, aber so sicher treffen sie. Erheben Sie sich, der Staat gegen Mr. Geschmack! Aber um Geschmack geht es hier nicht, um objektive Schwanzwedelei. Es geht darum, etwas zu haben, wofür man sich als Held fühlen darf, als Held in Strumpfhosen. Ohne Scham. Es geht konsequent um subjektive Schlaumeierei.
Mich hat der Film früh, er packt mich früh, er würgt mich früh, nämlich dann, wenn Trevor Rabins pfeifend-feinsinnige Noten den beschaulichen Blick in den dunstverhangenen Sternenhimmel durch ein Teleskop musikalisch akzentuieren, ehe Michael Bay an der Schnittstelle zwischen satirisch-schrillem Trash und heillos überzogener, prahlerischer Ernsthaftigkeit ein allumfassend überbordendes Asteroidentheater aufzieht, das zwischen pochenden, plärrenden, zischenden Salvator-Dalí-Hintergründen (ohne Straßen) und einem Vernunftgehalt jenseits der Milchstraße ein paar Deppen und Pfadfinder (denen man keine Wasserpistole anvertrauen sollte) als Helden der Nation für unsäglichstes Nationalgehabe selbstironisch (ja!) instrumentalisieren will, damit ein giftgrüner, phallisch orchestrierter Planetenzerstörer aufgehalten wird. Um Himmels Willen. Her mit dem Geld! Aber das macht „Armageddon“ mythisch, und Mythen lenken unsere Aufmerksamkeit dahin, wo wir uns vereinnahmen lassen – dort, wo uns eine rauchige, eindringliche Stimme gefangen nimmt.
Seine Wirkung entfaltet „Armageddon“ genau infolge dieser Gründe energisch bei mir, und ich ertappe mich mit Vergnügen dabei, den oberflächlich beworbenen, reaktionären Gestus auszublenden, um mich aus der politisch bequemen Distanz inständig darüber zu freuen, trunkenen, dick und fett umrandeten Kitsch zu genießen, der für all jene verschlossen bleiben wird, der entweder ein Rationalist, ein Motorenliebhaber oder ein Türsteher ist. Ich finde „Armageddon“ zärtlich, leidenschaftlich und unvergesslich aufregend. Wenn sich der Film zu dem bekennt, was für ihn wichtig ist – amerikanische Tugenden zu karikieren –, katapultiert sich etwas Aufmüpfig-Reißerisches ans Tageslicht, das ich, im Vergleich zu anrüchigerem Bay-Jux, nicht als störend empfinde. Eher als spitzbübisch. Denn die Agenda, die der Film in den aufgeschwemmtesten Codes zu evozieren versucht, klopft sich auf die Schulter, indem sie galaktisch übertreibt, maßlos. In vollem Wissen und Gewissen. Wer dies ernst nimmt, nimmt sich leibhaftig viel zu ernst.
Und Momente haben sich hier eingefunden und verewigt, irisierende Momente des Auteurs der Infantilität, die für mich ein Indikator dafür sind, dass der Film niemals sein B-Feuer verliert, sondern mit jeder Sichtung dem schlechten Geschmack grässlich schönere A-Seiten abgewinnt: Steve Buscemis Ritt auf dem Nuklearsprengkörper, Will Pattons Versöhnung mit seiner Ex, das Kennedy-Plakat nach der gelungenen Zivilisationsmission, der unzurechnungsfähige Wild-West-Russe (Peter Stormare) und die Übergabe des Bruce-Willis-Abzeichens an Billy Bob Thornton vor einem strahlenden Himmelsblau, das durch die Fanfarenstöße der Militärflugzeuge das Elementare der salbungsvollen Bay-Bekehrung zur Vaterlandsreligion bekanntlich ein letztes Mal hochgradig geschwollen unterstreicht. Aber wie abgöttisch brennend, wie flehentlich erstickend das alles, und wie glaubwürdig zur eigenen Verblödung stehend, die doch nur diese eine feuchtwarme Träne will. Was ihr aber gelingt. Mit Abzeichen und Fanfarenstoß. Ein Scheiß. Ein Meisterscheiß. Freigesprochen.
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