Zwei Katzen streunen in der Nacht: die eine gescheckt, die andere blond – mit Lidstrich, Totenkopfshirt und Lederjacke; die Augen weit auf, den Mund fest zugekniffen. Letztere führt zudem einen Benzinkanister mit sich und steigt sogleich in die Bude ihres bisherigen Freundes ein, dessen Souterrain sie aufgrund der kürzlichen Trennung mal eben in Brand steckt. Schade aber, dass die Katze keine rein schwarze war – allein des Unheilssymbols wegen. In Tom Lass’ Zweitwerk „Kaptn Oskar“ fährt das Unheil ohnehin lieber die Klauen in Beziehungskriegen und zwischenmenschlichen Sackgassen aus. Besonders in jenen des Protagonisten Oskar (Lass selbst): ein Tunichtgut zwischen Zwanzig und Dreißig, im Herzen Kind, im Kopf Tagträumer, ohne Meinung, Anspruch, ohne schon vollzogenen Abnabelungsprozess. Ohne Arbeit, Familie, Bettbezug. Die zündelnde Freundin schlug ihn gerne mal – daher mochte er sie am liebsten, wenn sie friedlich schlief. Masha (Amelie Kiefer) ist da anders. Aber Masha zieht auch eher den Geschlechtsverkehr mit Vaterfiguren vor, als Oskar an mehr als einem Tag pro Woche an ihre Brüste zu lassen. Brusttag nennt er das. Fehlen nur noch Unterhosen mit Wochentag.

Die Beziehung beider funktioniert dennoch lediglich in den frisch verliebten Grundzügen; später schlagen sie einander nicht physisch, doch eindeutig psychisch. Denn auch Masha geht offensichtlich keinem geregelten Alltag nach – mit Studium, Nebenjob, Hobby –, sondern entsagt sich des Anspruchs ihrer Altersgenossen der Generation Y, wonach eine gute Ausbildung später einmal Glück, Familie, Freizeit bringe. Soweit ist es weder für Masha, noch für Oskar. Dementsprechend akzentuiert auch Tom Lass in freimütiger Improvisation und mittels penetranter Jump-Cuts die Leben dieser zwei Menschen, die sich nicht viel und nicht viel absonderlich Sinnvolles zu sagen haben. In ihrer Unsicherheit und inmitten ihres Zweifels horcht Lass auf deren Zwang nach Nähe und Liebe, bei dem niemals klar ist, ob er aus einer Situation entstand oder als Antwort auf gesellschaftliche Verpflichtungen. Dazu sagt Tom Lass nichts, dazu sagt auch Oskar, dazu sagt Masha nichts. Womit „Kaptn Oskar“ eine schöne Meile über dem Boden und konkreten Interpretationen schwebt, die viele (deutsche) Filme präzisieren müssen, weil das Publikum ansonsten vielleicht überfordert wäre. Ein wenig mangelt es Lass’ German-Mumblecore-Experiment deswegen an der großen Pirouette – einem Moment des Ausbruchs.

Bruder Jakob Lass nahm sich diesem Element im konsequenteren „Love Steaks“ bereits eindrücklich an. Aber allzu verschieden sind sich Clemens und Oskar, Lana und Masha sowieso nicht. Alle sind sie nämlich Charaktere einer Generation, die sich um keine Definition mehr scheren sollte. Mit Impro, Speck, Züngelei und Wodka lebt es sich konventionell freier.

Meinungen

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