Hong Khaous Debüt spielt bereits im Titel mit Synonymen, Definitionen und Interpretationen. Meint „Lilting“ tatsächlich eine leicht singende Melodie in einem Rhythmus des Auf und Ab? Oder vielmehr einen Singsang, der sich plötzlich in einem Moment wie eine Stimmungsschwankung umkehrt? Ein Plötzlich aber gibt es nicht; nicht im Schmerz, besonders nicht im nur langsam heilenden. Für Junn nicht, für Richard nicht. Denn Junn verlor ihren Sohn, Richard seinen Liebhaber. Nur weiß Junn nicht, dass ihr Sohn Kai eine Beziehung mit einem Mann führte, vier Jahre lang, in denen sie immer wieder die Eifersucht packte, weil das Interesse ihres Sohnes nicht ihr allein galt. Als chinesisch-kambodschanische Einwanderin im zeitgenössischem London ist die Welt nämlich einsam; besonders, wenn die eigene Sprache im fremden Land nicht zur Kommunikation, sondern lediglich zur kulturellen und emotionalen Isolation führt. Alles, was bleibt, ist ihr Sohn. Doch der ist nun tot. Und sie hinter den Barrikaden einer betreuten Wohnanlage, eher noch eines Altenheims gefangen, in welchem sie seit jeher nie leben wollte. Es sollte nur temporär sein.

Auch Hong versteht jenes Tempo nicht als wankelmütiges Konstrukt, indem er es wie das Kennenlernen zwischen Junn und Richard gemäßigt und behutsam aufbaut, als könnte es vielleicht zu mehr führen oder jederzeit endgültig enden. „Lilting“ schöpft daher mehr aus den stillen Momenten, denn aus jenen der gesprochenen Worte oder gar des wirklichen Verstehens. Dieses scheint hier sogar bis zuletzt nichts zu bewegen, da es schließlich nur Missverständnisse fordert. Selbst, als Richard eine Dolmetscherin anheuert (wenn auch keine professionelle), artikulieren sich die zwei wesentlich prägnanter nonverbal: Indem sie den noch verbliebenen Geruch Kais in seinem Zimmer erkennen, chinesischer Schlagermusik lauschen oder Richard Frühstücksspeck mit Essstäbchen wendet. Dort grenzt die Methodik des Films tatsächlich ihr fortwährendes Stocken aus und nutzt Urszula Pontikos’ geheimes Strahlen innerhalb der Bilder, um „Lilting“ zu einer universellen Untersuchung über den Verlust reifen zu lassen. Allein Ben Whishaw und Cheng Pei-pei spielen das jeweilige Leid zart, zerbrechlich, wütend. Es ist ein Film größter Erklärungsnot, aber auch ein Film über den Sinn und Unsinn von Erklärungen, wo es manchmal keine gibt.

Meinungen

Teile uns deine Meinung zu „Lilting“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.

Kinostart: 14.09.2017

Mr. Long

In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Kinostart: 27.07.2017

Django

Étienne Comars Debüt eröffnet mit einem Porträt über Django Reinhardt die 67. Berlinale.

Kinostart: 06.04.2017

Tiger Girl

Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.

Kinostart: 09.03.2017

Wilde Maus

Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Mr. Long

Sabu, Japan (2017)

Zerbrochene Leben und einstürzende Neubauten: In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Wilde Maus

Josef Hader, Österreich (2017)

Selbstmord durch gefrorenes Wasser: Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Occidental

Neïl Beloufa, Frankreich (2017)

Italiener trinken keine Cola! Neïl Beloufa verzettelt sich in seinem chaotisch-absurden Kammerspiel-Debüt.

Tiger Girl

Jakob Lass, Deutschland (2017)

Freiheit durch Reduktion: Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.