Immer diese Kinder, die verschwinden und schließlich verändert auftauchen, wenn die Erinnerung noch zu frisch für die Zukunft ist. Das diesjährige Filmfest München ist bereits nach dem zweiten Tag voll von ihnen, ob in der Realität („The Harvest“) oder doch gleich in der Dystopie („Young Ones“). Auch in Max Curries „Everything We Loved“ scheitert eine Familie an der ihr aufgelegten Trauer. Daher zaubert der Magier Charlie Shepherd (Brett Stewart) einen neuen Sohn herbei, wo der alte starb; er zeigt Tommy (ungestümes Potenzial: Ben Clarkson) die Welt, welche er Hugo zeigen wollte, die Tricks, welche er sah oder noch sehen sollte, die Liebe, welche aus Verzweiflung und Zorn nur noch irrationale Entscheidungen kreiert. Der Tod verursacht im Debüt des neuseeländischen Regisseurs und Drehbuchautors Max Currie eine Abfolge des Destruktiven und der Ausflüchte in alle Himmelsrichtungen, bis die formale Unpräzision auch leichthin diese seltsame Parallelwelt einstürzen lässt.
Zunächst mutet „Everything We Loved“ treibend und befreiend unsachlich, beinahe traumwandlerisch an, wie er den Fokus von der Entführung des jungen Tommy zu seiner Neuinterpretation von Familie wandelt und den Fokus aus Kinderaugen belässt. Nach seiner Mutter fragt er, nach seinem Vater. Charlie erklärt ihm, seine Mutter sei gestorben, bald aber komme eine neue. Diese neue, eigentlich falsche Frau im Leben des Jungen soll Angela (Sia Trokenheim) sein, die Charlie liebt, obwohl sie sich ihrer Liebe nach dem offensichtlich von Charlie verursachten Unfall, bei dem Hugo starb, nicht mehr sicher sein kann. Dave Garbett zwingt Licht in die Szenarien, aus denen der Thematik wegen vielleicht nur entsättigte Kälte treten sollte. Als Angela und Tommy einmal Luft und Schwerelosigkeit auf einem Trampolin um ihre Ohren saust, fixiert das Bild nur fliegende Körper, elektrisierte Haare und den Augenblick unendlicher Befreiung, da ihnen keine Entdeckung durch die Außenwelt den Moment rauben könnte.
Panik, Gefahr und Zweifel kulminiert Currie ab diesem Punkt fortwährend mittels emotionaler Labilität, aber niemals ordinärem Subtext für die illegale Antwort eines Vaters auf den Tod. Erst später fügt er sich zu sehr der Maschinerie üblicher Melodrame. Um den Jungen geht es dann schon lange nicht mehr.
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