Aus Mangel an entsprechendem Bildmaterial entstammt das hier verwendete Filmstill nicht „Midareru – Verwirrung“, sondern Mikio Naruses „Midaregumo – Zerrissene Wolken“ aus dem Jahr 1967.

Reiko weiß nicht, was sie sagen soll. Koji, der Bruder ihres verstorbenen Mannes, hat ihr soeben seine Liebe gebeichtet. Schon seit Jahren würde er sie lieben, hat wegen ihr sogar einen guten Arbeitsplatz in der Stadt aufgegeben. Reiko, die nach dem Tod ihres Mannes bei ihrer Schwiegermutter geblieben ist, um sich weiterhin um den kleinen Lebensmittelladen zu kümmern, fällt aus allen Wolken. Mit Koji hatte sie immer ein gutes Verhältnis, hatte stets für sein Wohl gesorgt und ihn geliebt; aber eher wie das eine ältere Schwester tut. Nach diesem Geständnis weiß Reiko nicht, was sie machen soll – beide sehen sich aufgrund der häuslichen Lage schließlich nach wie vor jeden Tag und es gibt kaum Möglichkeiten sich aus dem Weg zu gehen. Es ist der Anfang einer herzzerreißenden Liebesgeschichte.

Mikio Naruse („Die Mädchen der Ginza“) drehte in seiner Karriere mehr als neunzig Filme und darf zu den größten japanischen Filmemachern aller Zeiten gezählt werden. Genau wie seine Kollegen Yasujirō Ozu oder Kenji Mizoguchi schlagen seine Filme meist sehr ruhige Töne an. Es sind oftmals kleine Dramen über Menschen in einfachen Verhältnissen. Doch hielt dies jene Regisseure nie davon ab, grandiose Filme zu drehen. Ozus „Die Reise nach Tokio“ oder Mizoguchis „Ugetsu – Erzählungen unter dem Regenmond“ finden sich nach wie vor auf zahlreichen Listen der besten Filme überhaupt. Auch Naruses „Midareru – Verwirrung“ hätte es ohne Weiteres verdient, auf diesen Listen genannt zu werden. Es ist schwer zu sagen, warum dies nicht so ist – erzählt dieses Drama doch eine der packendsten und emotionalsten Liebesgeschichten überhaupt. Über eine Liebe, die nicht sein darf; über eine Liebe, für die sich Reiko so sehr schämt. Mit jeder Minute schwappen die Gefühle der Charaktere weiter über. Doch es ist kein Film vieler Tränen oder aufreibender Szenen. Es ist alles – typisch japanisch – sehr ruhig inszeniert, ohne ein groß ausuferndes Drama zu zeigen. Die Emotionen kommen von ganz alleine, weil das Drehbuch stimmt und man sich von der ersten Minute an für die Charaktere interessiert.

Die bezaubernden Hideko Takamine und Yûzô Kayama geben dabei ein traumhaftes Filmpaar ab und verkörpern ihre Charaktere mit all den unterdrückten Emotionen ausgezeichnet. Als sich „Midareru – Verwirrung“ am Ende noch einmal phänomenal zuspitzt, wird man als Zuschauer so schwitzige Hände haben wie selten bei einem Film zuvor. Und auch wenn Mikio Naruses Meisterwerk nicht so bekannt ist, wie es sein sollte, hat er mit ihm einen Film für die Ewigkeit geschaffen. So einen furios emotionalen Liebesfilm hat die Welt selten gesehen.

Meinungen

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