William Joyce’ und Brandon Oldenburgs „The Numberlys“ stand mit neun weiteren Filmen in der Vorauswahl für eine Nominierung bei den Oscars in der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm“, wurde jedoch nicht nominiert.

Den Academy Award hat Regisseur William Joyce seit 2011 mit „The Fantastic Flying Books of Mr. Morris Lessmore“ schon in der Tasche. Nun legt er es zusammen mit Kollege Brandon Oldenburg und dem gemeinsamen Projekt The Numberlys offenbar darauf an, jenen Erfolg zu wiederholen. Den Webby-Award hat man dabei schon eingesackt, schließlich wurde simultan zum Film eine ebenbürtige App vermarktet, die Kindern beim Lernen des Alphabets helfen soll. Ein nobles Unterfangen, doch wie sieht die filmische Variante davon aus? Im streng vertikalen Format – sichtlich angepasst an die Proportionen des Smartphone-Bildschirms, aber auch für die ideale Präsentation der Formen jener imposanten, einzelnen Zahlen und Buchstaben gedacht –, laufen Impressionen einer schwarz-weißen Fantasiewelt vergangener Zeiten ab. Reminiszenzen an den Expressionismus, an den Industrialismus und die Einheitsoptik von Faschismus und Nationalsozialismus kündigen sich mit zielsicherer Stilistik an, sobald Reihen von Arbeitern frohlockend, aber straff gegliedert in die Fabrik (oder auch dem Moloch aus „Metropolis“) marschieren und dort Nummern am Fließband herstellen.

In jener alten Sprache, mit der sich die quirligen Gnome in Arbeiteranzügen untereinander verständigen, gibt es nämlich ausschließlich Zahlen. Doch beim Noir’igen Dampfen und Zischen der Maschinen entflammt zwischen den nur spärlich unterscheidbaren Freunden 1, 2, 3, 4 und 5 eine Ambition zur Erschaffung neuer Kommunikationsformen – sprich Buchstaben. Dass solch eine Geschichte hauptsächlich auf einem Medium präsentiert wird, das die Sprache mit digitaler Rasanz um die Welt schickt und inventiv weiterzuverarbeiten gedenkt, kommt da nicht von ungefähr – auch was den spielerischen Gedanken unserer Protagonisten betrifft, die Kommunikation in neuen Varianten zu formen und damit frisches Blut in die Sprache einkehren zu lassen. Man sendet ein präzises und euphorisches Zeichen an die Kleinsten unter uns und für jene Zielgruppe reicht diese Simplifizierung in angenehmer Visualisierung sicherlich aus.

Darüber hinaus jedoch bleibt kein Raum für Mehrwert jenseits der einfachen und naiven Botschaft, den grauen Alltag auf den Kopf zu stellen und damit neue Perspektiven oder eben Klangfarben zu erlangen. Das charakterliche und musikalische Design passt sich dieser konzeptionell flach gehaltenen Einfältigkeit leider ebenso beliebig an und macht Halt bei genügsamer Wiedererkennbarkeit wie auch in den selbstverständlichen Plansequenzen von der Konstruktion des Alphabets. Kann man das dem Film aber zur Last legen, wo er doch lediglich für Kleinkinder gedacht ist? Im Gegensatz dazu zieht er nämlich ein flottes Tempo an und weiß mit visuellen Spielereien noch durchwegs zu unterhalten. Aber bei etwas erfahreneren Zuschauern dürfte da kein Funken der Inspiration mehr aufblitzen: nur das knappe Vergnügen einer gut gemeinten Stilübung.

Meinungen

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