Die Adoleszenz: ein Märchen und ein ewiger Sehnsuchtsort. Nicht aber (sogar nicht einmal geringfügig) in Yeon Sang-hos klaustrophobisch-exzessiven Spielfilmdebüt „The King of Pigs“ aus dem Jahr 2011, der seinen ungewöhnlichen Weg nun spät in deutsche Kinos findet. Denn in Yeons Werk schlingt die südkoreanische Jugend in Schulen und dem Pausenhof Gewalt und Missgunst als albtraumhaft verschlungenes Monstrum herunter, in welchem Fäuste eine Währung abseits vieler Worte (und abseits lebendiger, hier vielmehr getrieben-enger Animation) bilden. Die Zukunft scheint ebenso verloren, wie es die Gegenwart schon ist. Hwang Kyung-min (Oh Jeong-se) sucht sie, diese Resolution, fünfzehn Jahre später, als weder die Realität noch das früher halluzinatorische Paralleluniversum eine Lösung bieten könnten. Sein Scheitern in der Welt ist determiniert: familiär, monetär, in den Genen, Gesten, in der Mimik, hinter seinen dicken Brillengläsern. So wie er als Schüler ein Opfer wurde, so erlag er diesem Status in seinem jetzigen Beruf. Auf seiner Visitenkarte prangt zwar das Wort Geschäftsführer, er aber, die unterbutterte Heulsuse von damals, er kann und wird niemals überzeugend ein Geschäft führen.
Daher sucht er nach einem Selbstmord in seinen eigenen vier Wänden die Erinnerung und den Schlüssel von damals auf, den nun Ghostwriter Jung Jong-suk (Yang Ik-joon), der vor Jahren einmal sein bester Freund war. Natürlich interessiert Yeon hier aber nicht das nostalgische Gewand und die angebliche frühe Freiheit, sondern der reinste, in kantigen, simplen Strichen präsentierte Wahn einer inhumanen Hierarchie, die ausschließlich um das grundmenschliche Urbedürfnis nach absolutistischer Erniedrigung zirkuliert. Hunde gegen Schweine, reich gegen arm, Fleisch gegen Gemüse: „The King of Pigs“ nutzt den Hang zur typisch asiatischen grotesken Überspitzung, bis der technische und narrative Minimalismus nicht mehr brachial, ehrlich, grenzüberschreitend über die Stränge schlägt, sondern nihilistischer Biedermeier in minderer Effektivität regiert. Auch die Repetition eben jener gewissenlosen Vorgänge dient letztlich nur noch eigenartiger Polemik und hetzt (teilweise überstrapazierend) von stereotypen Fratzen zu Geheul, Geschrei und skizzierter Unförmigkeit. Immer blicken wir dabei in rötlich-blass starrende Augen. Wie als wäre der Mensch, der durch sie die Welt sieht, schon lange aus dieser ausgetreten und schon in einer saftlosen Utopie angekommen. Wer wird da noch ein König über die Schweine sein wollen?
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