Anm.d.Red.: Dieser Besprechung liegt die ungekürzte Fassung mit 103 Minuten zugrunde, welche hierzulande lediglich auf VHS vertrieben wurde. Die DVD hingegen enthält eine stark geschnittene Version von 82 Minuten.

Es ist der 15. Oktober: Zwei Hunde fliehen aus einer Tierversuchsklinik. Der Labrador Wuff wurde in vielen Tests immer wieder an seine physischen Grenzen getrieben und ist oftmals nur knapp dem Tod entgangen; der Foxterrier Snitter wurde einer Operation am Gehirn unterzogen, seitdem surrt es in seinem Kopf nahezu unterbrochen. Moment. Bestehen hier zwei Hunde etwa kein wildes Abenteuer? Leider nicht. „Die Hunde sind los“ ist neben dem bekannteren „Unten am Fluss“ nämlich einer von zwei Zeichentrickfilmen, die Martin Rosen nach Romanen von Richard Adams inszenierte. Ahnungslose Eltern, die ihre Kinder diese süßen Tiere gucken ließen, werden sich an diesen Tag wahrscheinlich so gut wie ihre Kleinen erinnern. Der vollkommen traumatisierte Nachwuchs wird tagelang kein Auge zugemacht haben. Denn zu schockierend ist das, was Rosen in seinem düsteren Film voller grausamer Bilder erzählt.

So irren Wuff und Snitter tagelang umher, nachdem sie aus dem Versuchszentrum ausgebrochen sind; hungrig, durchnässt, müde. Snitter versucht seinen Kumpanen anfangs davon zu überzeugen, dass sie sich bei Menschen ein neues Heim suchen sollten. Doch nach einigen Fehlschlägen und immer größer werdendem Hunger meint Wuff, dass dies doch keinen Sinn hätte. Beide müssen sich auf ihre animalischen Triebe zurückbesinnen: jagen, töten, essen. Als die ersten Schafe gerissen und der Hunger gestillt wurde, werden die zwei Hunde jedoch vom Jäger wieder zum Gejagten, denn die ansässigen Farmer wollen die Hunde töten, welche für den Tod ihrer Schafe verantwortlich sind.

Die düstere Stimmung, die Rosen in „Die Hunde sind los“ aufkommen lässt, ist in der Geschichte des Zeichentrickfilms beinahe einzigartig. Zwar gibt es vor allem im japanischen Anime einige düstere und traurige Produktionen, doch die meisten davon drehen sich um menschliche Schicksale. Tiere auf einen derart quälenden Trip zu schicken, war ein Wagnis, das sich letztendlich aber ausgezahlt hat. Wuff und Snitter sind keine Helden: Es sind Hunde, die überleben wollen – und wirken so viel echter als die meisten Figuren anderer Zeichentrickfilme. Es gibt im Film kaum einen optimistischen Moment, einzig Snitter erinnert sich in einer Szene an seinen alten Besitzer zurück. Er liegt am Kamin, das Feuer wärmt ihn, sein Herrchen sitzt im Sessel neben ihm. Ein schönes Bild, das aber auch gleich wieder von anderen Bildern in Snitters herumgedokterten Kopf unterbrochen wird: das Labor, die Qual, die Angst. Snitter weiß nicht mehr, wo er ist; in ihm steckt nur noch Verzweiflung, geschaffen von Menschenhand. In Rosens Meisterstück sieht man selten ein menschliches Gesicht, aber zu hören sind sie häufig: Im Off sprechen viele Menschen über die zwei flüchtigen Hunde. Farmer, Ärzte, am Ende sogar Politiker und Reporter. Allen sind die entlaufenden Vierbeiner ein Dorn im Auge, der getötet werden muss. Snitter und Wuff, körperlich vollkommen heruntergekommen, unternehmen am Ende noch einen letzten, verzweifelten Versuch alldem zu entkommen. Vielleicht ist das Leben irgendwo doch lebenswert. Vielleicht.

Das Ende des Films unterscheidet sich schließlich von dem des Buchs und bildet den fulminanten Schlusspunkt eines meisterhaften Zeichentrickfilmes, der durch seine verstörenden Thematiken nur bedingt für Kinder geeignet ist. Aber ältere Freunde des Animationskinos werden die Kraft, welche „Die Hunde sind los“ entfesselt, sehr zu schätzen wissen. Denn es gibt kaum ein besseres Beispiel dafür, dass Zeichentrick alles darf und alles kann. Rosen hat dies gewusst und mit „Die Hunde sind los“ und „Unten am Fluss“ zweimal eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Meinungen

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Bisherige Meinungen

Stefanie
5. Dezember 2014
19:46 Uhr

Danke für Depressionen, ohne den Film gesehen zu haben.

Kinostart: 14.09.2017

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