Was ist ein Kriegsheld? Anscheinend jemand wie Louis Zamperini, der 1936 an den Olympischen Spielen teilnahm, sieben Jahre später auf einer B-24 Liberator Bomben abwarf und die Kriegsgefangenschaft in Japan überlebte. So sehen es zumindest die Amerikaner. Angelina Jolie verfilmt nun mit „Unbroken“ Laura Hillenbrands „Unbeugsam: Eine wahre Geschichte von Widerstandskraft und Überlebenskampf“, eine Biografie über eben jenen Zamperini (Jack O’Connell), der sich freiwillig für die United States Army Air Forces (USAAF) rekrutieren ließ; was übrigens an keiner Stelle des Films auch nur nebensächlich erwähnt wird. Trotz des argen Patriotismus gelingt es Jolie zumindest etwa eine Stunde lang, die Geschichte des Überlebenskünstlers interessant zu gestalten – danach flattert eine langwierige Monotonie durch den Raum, die den Zuschauer nichtssagend zurücklässt.

Die typische Gut- und Böse-Darstellung sollte wohl irgendwann überwunden sein; die Japaner haben ein Recht dazu. Selbst Clint Eastwood hatte vor nicht einmal einer Dekade eine zweiseitige Perspektive auf den Pazifikkrieg geworfen, in „Flags of Our Fathers“ aus amerikanischer, in „Letters from Iwo Jima“ aus japanischer Sicht. Zamperinis Geschichte spielt zwar nicht am selben Ort, dennoch ist die Gegenüberstellung beider Staaten klar definiert. Neben dem relativ voraussehbaren Patriotismus, der omnipräsent wie ein Rezept für das Überleben wirkt, verliert der Film an Substanz, je länger die Gefangenen missmutig Kot in den Fluss schütten und Kohle schleppen. Der einzige charakterisierte Japaner ist Mutsuhiro „The Bird“ Watanabe (Miyavi alias Takamasa Ishihara), der seinen Lebensfrust an den Gefangenen auslässt und hier und da ahnen lässt, dass sein Volk genauso wie die Amerikaner – man glaubt es kaum – menschlich sein kann. Die Übermenschen aber, die nach hunderten Fausthieben ins Gesicht immer noch modeln könnten, deren Haare und Körper trotz der Kohlenarbeit unnatürlich gepflegt aussehen: Sie überleben, weil sie ihre Energie in keinem Aufstand verschwenden, sondern geduldig auf ihre Befreiung warten.

Zamperini wird als reservierter, kluger Genosse dargestellt, der selbst in Zeiten der absoluten Verzweiflung die Ruhe bewahrt, indem er beispielsweise Geschichten über die Gnocchi seiner verehrten Mutter erzählt. Zwölf Eier benutze sie für den Teig – ihm reichen zwei, um 47 Tage auf einem Schlauchboot mitten im Pazifik zu überleben, ehe er und seine zwei Kumpanen von den üblen Japanern zufällig entdeckt und inhaftiert werden. Dabei macht Jack O’Connell seine Sache vertretbar, das schlechte letzte Drittel des Films nimmt seiner Performance jedoch jeglichen Glanz. Auch die zunächst aufgebaute Spannung verfließt ins Nichts, was an der verkehrten Aufteilung der einzelnen Lebensabschnitte liegt. Die Gefangenschaft bleibt auf monotone Weise fast ereignislos, die Befreiung wird im Vergleich nur kurz festgehalten, das nahende Ende kommt aus dramaturgischer Hinsicht zu früh, auch wenn man es sich sicherlich schon eher gewünscht hätte. Dass der echte Zamperini auch noch vorkommen muss, war ebenso zu erwarten. Wiederum gut gemeint platziert Jolie den Fackellauf des Achtzigjährigen bei den Olympischen Winterspielen in Nagano 1998 ans Ende des Films, der lachende Survival-Guru schließt den Vorhang, der ersehnte Abspann folgt. (Zamperini war übrigens Langstreckenläufer und kein Sprinter, was man von so gut wie jedem Text dieser Welt – inklusive Presseheft – fälschlicherweise eingetrichtert bekommt.)

Der Soundtrack von Alexandre Desplat ist passend, von der Kameraführung Roger Deakins’ ist aber mehr zu erwarten als schräge Untersichten von Japanern, obwohl das Gesamtbild ansehnlich bleibt. Dass die Coen-Brüder am Drehbuch mitgewirkt haben, merkt man – vorsichtig gesagt – so gut wie gar nicht. Wie viel Angelina Jolie in ihrer zweiten Regiearbeit wirklich selbst erarbeitet hat, bleibt da ein behütetes Geheimnis. Auf jeden Fall geht sie den zweifelsfrei einfachen Weg, der durchaus seinen Erfolg mit sich bringen könnte. Denn es passiert nichts, was man nicht schon anderswo gesehen hätte, es gelingt ihr weder Herausragendes, noch leistet sie sich Kapitalfehler, die nicht schon längst begangen wurden. Vor allem die erste Hälfte bleibt haften, in der auf zumindest interessante Art Rückblenden sinnvoll eingesetzt werden, ohne den Fluss zu stören. Hätte Jolie dies weitergeführt, wäre „Unbroken“ wohl deutlich besser geworden.

Meinungen

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