Jack O’Connell ist derzeit einer der begehrtesten Newcomer Hollywoods. Zuletzt in der Hauptrolle von Angelina Jolies Kriegsdrama „Unbroken“ zu sehen, spielt er in Yann Demanges Spielfilmdebüt „’71 – Hinter feindlichen Linien“ nun den britischen Soldaten Gary. Dieser durchläuft gerade noch das Einsatztraining, als er und seine unausreichend ausgebildeten Kameraden auch schon nach Belfast versetzt werden, wo sie als Vertreter der britischen Armee Unruhen zu bekämpfen haben. Direkt der erste Einsatz gerät zum dramatischen Fiasko: Ein Soldat wird von den Aufständischen erschossen und Gary vom Rest getrennt. Während die Briten in den Schutz der Kaserne zurückkehren und ihre Wunden lecken, muss Gary um sein Leben rennen – denn aufgebrachte IRA-Leute sind ihm dicht auf den Fersen. Unerwartete Hilfe bekommt er von einigen Einwohnern, die ihm Unterschlupf gewähren und damit ein hohes Risiko eingehen.
Der französische Regisseur Yann Demange liefert hierbei einen konsequenten Thriller, der einem regelrecht das Adrenalin durch den Körper jagt. Besonders wenn man bedenkt, dass es sich um seinen ersten Spielfilm handelt, kann man von einem mehr als nur soliden Debüt sprechen. Schade ist jedoch, dass der Konflikt und die Hintergründe des Nordirlandkonflikts, dessen endgültige Eskalation hier thematisiert wird, nur unkonkret beleuchtet werden. Die Einleitung erfolgt relativ rasch und abgehetzt, als könne Demange es nicht erwarten, in die Vollen zu gehen. Erreicht „’71“ aber erst einmal den Siedepunkt, beginnt eine schweißtreibende, rasante Verfolgungsjagd durch die tristen Gassen und Straßen des nächtlichen Belfast. Jack O’Connell, dessen Figur wenig Dialog besitzt und im eigentlichen Sinne nur den Getriebenen markiert, versteht es durch sein intuitives, in Ausdruck und Mimik starkes Spiel das Maximum an Empathie im Zuschauer zu wecken.
Seine Hetze steigt um einen weiteren Spannungsgrad, als diverse Gruppierungen eingeführt werden, die miteinander in Konflikt stehen und von gegenseitigen Spitzeln infiltriert sind. Der gezeichnete Teufelskreis ineinandergreifender Skrupellosigkeit und unterschiedlichsten Motivationen ist nicht immer übersichtlich, zugleich kann man aber auch in den Raum stellen, dass eben jene Verstrickungen die entstehende Anarchie und Subversion treffsicher beschreibt. Für ein echtes Mahnmal zu zwecklosem Hass und Gewalt dringt Demange allerdings nicht tief genug in die Materie ein. Die Intention wird dennoch an vielfacher Stelle erkenntlich – und auch wenn es schade ist, dass einiges Potenzial unangerührt bleibt und nur an der Oberfläche gekratzt wird, ist dem Regisseur mit „’71“ in dessen reißerischer Spannung ein im Großen und Ganzen durchaus ansehnliches Debüt über die Schrecknisse des Krieges sowie deren traumatische Auswirkungen auf die menschliche Psyche gelungen, welches mitunter zum Nachdenken anregt.
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