Vieles am Leben ist ein ständiger Kreislauf: Tage kommen und gehen nach geregelter Uhrzeit; und an selbiger plant der Mensch seinen mehr oder weniger individuellen Ablauf – denn er kann (und darf offenbar) nicht nur von sich selbst abhängig sein. So wirkt auch der allgegenwärtige Stand der Politik als Bestimmer: Wahrheit, Dementi, innere und äußere Machtspiele behalten die Überhand über Volk und Vaterland – man darf die einzelnen Parteien wählen, aber eher entscheiden sie für einen, als dass man sich repräsentiert sehen kann. Christoph Hochhäusler umfasst diesen Gedanken zu Anfang und zum Ende seines neuen Films, „Die Lügen der Sieger“, der sich mehrmals im Kreis durch die Wohnung des investigativen Journalisten Fabian Groys (Florian David Fitz) dreht. Fabian ist immer schnell am Ball und Keyboard und verfolgt stets die Story; muss sich jedoch Insulin spritzen und Schulden beim Zocken aufladen – für ihn geregelte und tatsächlich selbstsichere Mechanismen wie bei seinem Hamster im Laufrad.
Jene Selbstverständlichkeit des Kreislaufs findet sich zudem in dem Prozedere wieder, dessen er sich im Folgenden annimmt. Vom narrativen Aufbau her entwickelt Hochhäusler ein äußerst recycelbares Politspiel um verdeckte Wahrheiten und korrumpierte Offenbarungen, inklusive obligatorischer Drahtzieher im Hintergrund und natürlich cleveren Aufdeckern mit unnachgiebiger Spürnase. Klischees kündigen sich ebenso früh an, sobald Groys in seiner Stelle bei Der Woche eine neue Volontärin, Nadja (Lilith Stangenberg), zugestellt bekommt und genervt feststellt: „Ich arbeite eigentlich nur allein“, ehe er sie eine triviale Schlagzeile aus der BamS nachverfolgen lässt und dabei zufällig mysteriöse Verstrickungen zwischen Bundeswehr und Giftmüll ausmacht. Hochhäusler weiß dabei wohl um die aufgeblasene Banalität seines Plots Bescheid und behandelt ihn im Dialog und Spiel größtenteils mit rotziger Natürlichkeit, während er die Inszenierung unnatürlich hält.
Die Kamera schwenkt in der Horizontale zu jeder Einstellung von einer Seite zur anderen; der Schnitt pfeift allerdings meist auf glatte Übergänge und wirft flinke Zwischenbilder ein, um die vorige Einstellung dann meist wieder aus derselben Startposition fahren zu lassen. Ohnehin konkretisiert er die Handlung mit unbarmherziger Verkürzung in einzelnen Takes, um so eine schnellere Vermittlung zu erwirken – gerne mit Vorgriff auf nachfolgende Konsequenzen der gerade ablaufenden Szene. Der Kreislauf ist sich eben selbst bewusst und lässt sich gehen, wie auch der unnahbare Groys einfach sein Ding durchzieht. Darum liegt der Fokus wohl auch teilweise auf dem Trivialen; zum Beispiel: Abhängen in Hotels, Wrestling-Glotzen und Schnacken mit Nadja, die es faustdick hinter den Ohren hat. So bespricht man dann auch in der Hauptsequenz des Films, wie genau der brandheiße Artikel ausformuliert werden sollte, ob man dieses oder jenes erwähnen darf und ob die Ausdrucksweise zur Woche passt.
Da gilt es, die Fakten und Deutungen mit den Rechtsberatern abzuklären, wobei auch die erwähnten Institutionen noch Kommentare zu den Vorwürfen abgeben dürfen. Journalistische Methodik im Film – ohne Wenn und Aber ganz reizvoll anzusehen, doch wie der Großteil dieses Arbeitsprozesses mit aufbäumend komplexen Orchester-Wellen versehen. So entsteht zwangsläufig eine Schere zum Geschehen, es wirkt prätentiös und ziellos aufgesetzt; im Grunde äußert sich daran aber die unterschwellige Ablenkungsarbeit höherer Mächte, welche eine Saat der Täuschung setzen und zu ihrem Gunsten Menschen steuern – bis in den Tod. Daran mag man zwar spüren, dass irgendetwas nicht stimmt, aber am Kreislauf kann man nichts ändern – also dreht sich alles weiter.
An Nihilismus mangelt es Regisseur Hochhäusler also nicht, so offen er die Wirkung von Presse und Wahrheit lässt. Immerhin bestätigt er, dass Mächte mit nicht allzu ethischen Absichten hinter der Regierung lauern. Seine These hält sich aber oberflächlich; manch einer könnte ja auch am Spekulativen hadern, drum vermeidet er direkte Auflösungen der politischen Infrastruktur. Wer weiß, ob das simple narrative Konstrukt überhaupt mehr tragen könnte, wo es doch schon mit beinahe ironischer Unnatürlichkeit, Prätention und Trivialität gefüttert wird. Stattdessen lässt Hochhäusler es um sich selbst im Kreis drehen, so bleibt die Sache unauffällig und unantastbar: Leben und Leben lassen – selbst, wenn man das als Zuschauer nicht selbst entscheiden darf. Irgendwie ein Film, der nicht ankommen will, aber um sich selbst rotiert. Sprich: abendfüllende Rhetorik.
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