Räuber und Gendarm zu spielen, qualifiziert einen bestimmt nicht zur Dienstmarke – doch wenn man auf Ferguson schaut, könnte man schnell vom Gegenteil überzeugt sein. Den Hütern von Gesetz und Ordnung da noch zu trauen, dürfte also mancherorts als kindische Naivität durchgehen. Kein Wunder, dass Autor und Regisseur Jon Watts nun um jene Mentalität ein wunderbar konsequentes Kleinod von Macht und Unschuld erzählt, indem er zwei Jungens ein „Cop Car“ zur Verfügung stellt und damit den korrupten Sheriff Kretzer (Kevin Bacon) auf den Plan ruft. Inmitten der Einöde von Colorado langweilen sich Travis (James Freedson-Jackson) und Harrison (Hays Wellford) durchs Leben und zählen Fluchwörter auf, die sie bereits kennen. Bis sie auf einmal das Vehikel des Titels leer stehend vorfinden. Ein Wunschtraum, wie er die Neugier der Kids einfach entfacht. Watts braucht dafür keine cineastischen Aufdringlichkeiten oder Moments of Wonderment, er lässt die Annäherung zum Reizobjekt geschehen, wie nicht einmal lebensmüde Gören solch eine Chance ausnutzen würden.
Gepaart mit der lauen Sommeratmosphäre, durch die Beide von zu Hause Reißaus nehmen konnten und nicht einmal gesucht werden, startet ein Jugendabenteuer, das seine freche und doch nüchtern verfilmte Fantasie per simpler Logik zum methodischen Thriller entwickelt. Kretzer will seine Karre wieder bekommen, welche die Jungs durch türmende Mutproben zum Laufen und auf die Straße gebracht haben. Die kindliche Unschuld freut sich drüber, obwohl Watts’ Figuren trotz ihres natürlichen Umgangstons eine moralische Hemmschwelle à la Bart Simpson haben. Aber könnte ja eine spaßige Sache ohne Opfer, quasi das perfekte Kavaliersdelikt sein, wenn denn nicht eine Unbeteiligte bei Sichtung der Beiden in ihrer moralischen Pflicht die Polizei einschalten würde und Kretzer somit auf die Fährte der Kids lockt. Denn obwohl dieser seine souveräne Kappe mit Pornobart aufrechterhält, steckt ein skrupelloses Dynamitbündel in ihm, das von Watts eher beobachtet, denn im stilistischen Affekt aufbereitet wird. „Cop Car“ steht deshalb mit ermatteter Haltung da, weil Travis und Harrison einfach an Knarren und Westen herankommen, die an den Rand der Spannung treiben. Eben ganz so wie bei der beinahe militarisierten Polizei in jenen Gefilden.
Schlimmer noch: Was ist mit dem unbekannten, blutig zusammengeschlagenen Mann im Kofferraum (Shea Whigman), der um Hilfe bittet? Ist er ein „good guy“? Im Vergleich zum „bad guy“ Kretzer bestimmt. Eines ist jedenfalls sicher: Aus der Situation kommt man nicht so einfach raus. Watts lässt es deshalb in der Hitze, dem Wind sowie den dichten, regenlosen Wolken der amerikanischen Spielfläche schlussendlich ruppig zugehen. Erwachsene preschen mit Macht und Eigennutz um die Bullenkutsche, während die Schutzbefohlenen zwangsläufig in die Schusslinie geraten und auf dem Rücksitz eingeschlossen bleiben. Watts’ Film mag zwar geradlinig zugehen, da er sein Spannungskino in minimalistisch ausgestattetem Cinemascope verdichtet. Jenseits der direkten Impulse eines rabenschwarzen modernen Märchens wirkt dabei aber durchweg ein Abbild vom dysfunktionalen Verständnis zu Recht und Ordnung, Anstand und Verstand, Schuld und Unschuld, das im Zeitgeist wie verankert scheint und von Watts nur mit verstörter Ruhe aufgenommen werden kann.
Das Kinderspiel zieht nicht umsonst mit naiver Anarchie am Arm des Gesetzes. Letztendlich schlägt letzteres aber alles andere als gerecht zurück und entlässt die Zukunft in eine ungewisse Nacht. Nun drückt „Cop Car“ jedoch nicht so dramatisch, wie es klingen mag. Es geleitet einen stattdessen mit knapp 87 Minuten kompakt durchs Prozedere und setzt als Genrewerk von Front- bis Heckscheibe auf Praktikabilität – inklusive beinahe free-jazzigem Soundtrack auf den Spuren von „Manos – The Hands of Fate“. Wenn man nach der souverän gehandhabten Fahrt aber mal den Motor jenes Transportmittels begutachtet, wird klar, wo und womit dieser produziert wurde. Eine komplizierte Mechanik, womöglich auch mit Blut im Öl.
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