Genüssliche Lustspiele beziehungsweise Humor an sich leben seit jeher von Respektlosigkeit und Anarchie gegenüber dem Regelhaften. Dass sich solche Energien als pointierte Witze auf Zelluloid bannen lassen, findet seinen Grund dann aber auch immer darin, wie man sie den entsprechenden Regeln des jeweiligen Mediums anpasst.
Nur wenige jüngere Produkte des kontemporären, US-amerikanischen Eskapismus stellen diesen Umstand so klar in den narrativen Mittelpunkt wie Nicholas Stollers Komödie „Bad Neighbors“, welche die altbekannte, anarchische Urgewalt der adoleszenten College-Verbindung, hier per Generation YOLO, erneut auf filmischen Boden entfacht und sie gegen die neoliberal-westliche Spaßgesellschaft-Spießigkeit antreten lässt, die allerdings eine ebenso clevere Macht in Sachen Witze reißen aufweisen kann. Beide punkten zudem, im strikt-kurzweiligen und fettfreien Dance-Off der filmischen Erzählung, durchweg mit passioniert-fröhlichen Improvisations-Künsten – nicht nur im exzessiv-krassen Dialog, sondern auch in der Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung der eigenen Ideologie.

Dass sich dadurch auf beiden Seiten (im späteren Verlauf eher subversive) Sympathien entwickeln – nicht nur beim Zuschauer, sondern auch füreinander – versteht sich von selbst, bringt der Film in seiner dramaturgischen Vermittlung doch vollkommen schnörkellos Witze, Späße, Heiterkeiten zusammen, findet zudem selbst im Kampf und in der Konfrontation eine durchgehende Leichtherzigkeit, die in der Reibung der Fronten hauptsächlich Funken des Elans, der Adaption und auch der Einsicht aufspringen lassen. Jene Funken rühren aber nun mal von der gegenseitigen Auffassung der jeweiligen Gesellschaftspole, wo Störung untereinander ein maßgeblicher Faktor und oft unterhaltsamer Stein des Anstoßes ist.

Auf der einen Seite wären da die semi-abgeklärten Generation-X-Babyboomer um Seth Rogen & Rose Byrne, die insgeheim dem Frohsinn des jugendlichen Partylebens hinterhertrauern, gelegentlich einen Anbiss davon vertragen können, aber sich allmählich-glücklich auf ein geregeltes, nettes Familienleben mit drolligem Baby einstellen, ohne den Esprit der ursprünglichen Liebe zu verlieren. Da kokettieren sie zwar weiterhin mit einem ausgelassenen Lifestyle, sehnen sich jedoch entschieden nach sozialer Ruhe, wenn die Grenze der familiären Harmonie unterwandert wird. Auf der anderen Seite dagegen die jungen Studenten-Burschen, angeführt von Zac Efron & Dave Franco, fernab von Verantwortung und Respekt, jedoch nicht ohne Plan und Perspektive, auch wenn es dabei um die recht naive Erfüllung der abgefahrensten Party aller Zeiten geht. Ihr Leben ist der Exzess, die Akzeptanz älterer Semester geht so weit einher, wenn diese mitfeiern, nicht aber, wenn sie belehren wollen. Grund dafür ist die Furcht vor dem Erwachsensein, weshalb jene unaufhaltbare Konsequenz permanent juvenil verklärt und veralbert wird. Die Wahrheit gesellschaftlicher Regelungen lässt sich jedoch auch innerhalb dieser Gruppierung nicht abstreiten – da kann man nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Weiterführen der leidenschaftlichen Zersetzung entgegenwirken.

So verhält es sich auch bei Regisseur Stoller und dem Drehbuch von Andrew J. Cohen und Brendan O’Brien: Die Grandiosität der Frechheit erhält ihre expressionistische Projektionsfläche, hyperventiliert von der Kamera Brandon Trosts eingefangen, die zwischen Alkohol, Ecstasy, Erotik, Ke$ha und Neon-Fun die prächtig-psychotronische Dimension eines Jugend-Himmelreichs explodieren lässt. Doch zur Herstellung der Harmonie muss die Gegenseite auch ihr Recht auf Entladung, Frieden und Herzschmerz erhalten – mit dem süßen Licht der Versöhnung beider Parteien am Horizont. Eine demokratisch-empathische Entscheidung, gewiss, jedoch eine, welche den filmischen Gesamteindruck immer ein Stück am Boden hält, wenn auch gleichzeitig stets am Rande des humoristischen Aufplatzens arbeitet. So wirkt die recht fixe und unumständliche Erfahrung dieser semi-freiläufigen Genre-Evergreen-Variante letzten Endes hauptsächlich auf genüssliche, Publikums-wirksame (teils spießig-harmlose) Pointen ausgerichtet, anstatt endlich mal wieder wahre, gleichgültig-hedonistische Anarchie anzuzetteln (siehe im Vergleich dazu Harmony Korines „Spring Breakers“ oder auch Nima Nourizadehs „Project X“) – die Gag-Einheit mit Familiensinn liegt im Punktestand vorne.

Lebhafte Stärken wie der beständige, engagierte Spielspaß aller Beteiligten und die ausgiebig-sommerliche Frische in der audiovisuellen Umsetzung der schon oft so-ähnlich-erlebten Geschichte kommen somit aber als beglückender, permanent-unterhaltsamer Ausgleich zur Geltung. Die individuelle Empfänglichkeit für den präsentierten Humor ist in so einem Fall natürlich auch immer Geschmackssache – nirgendwo sonst darf man sich da auf eine Seite stellen, wie in diesem Duell-Film. Wer darüber hinaus aber noch immer gewisse Zweifel über einen Kinobesuch hat, dem gebe ich als filmfreundlicher Neighbor folgenden Rat auf den Weg: YOLO!

Meinungen

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