Oh, wohin nur mit diesen Millennials? Sie wuchsen auf in der Ära des Internets, wurden trotz Möglichkeiten nur bedingt Erfolgsgeschichten und wollen mit Kickstarter und Social Networks Kleinunternehmen aus dem Boden stampfen. Doch wie viel Perspektive hat so eine Zukunft? Regisseur und Autor Noah Baumbach wusste in „Frances Ha“ schon, dass es mit Unbedarftheit nur an den Rand des persönlichen Erfolgs geht. In „Mistress America“, abermals mit Greta Gerwig in der Hauptrolle und als Koautorin, steht der Wille zum kapitalistischen und persönlichen Coming of Age erneut zur Diskussion – und wie Freundschaften entstehen, zerbrechen und wieder zueinanderfinden. Den Unterschied macht hauptsächlich der Umstand, dass seine Charaktere hier von vornherein das Glück in Arbeit und Individualismus aufrechterhalten wollen, wo vormals die Kindfrau als unbedarfter Slacker die Welt zu bereisen erwog.
Zunächst aber zum hiesigen Ensemble: Tracy (Lola Kirke) ist frisch auf dem College und will es als Autorin schaffen, wobei der soziale Kontakt eher mangelhaft ausfällt und elitäre Buchklubs ihr den Zugang verwehren. Es bleibt die Freundschaft zum nicht minder nerdigen Tony, bis sie eines Tages ihre angehende Stiefschwester Brooke (Gerwig) trifft, die bereits mitten im Leben steht und mit leuchtender Schlagfertigkeit permanent urbane It-Girl-Laune verbreitet. Und wie sich der Film erst mit ihr identifiziert! Baumbach ist dafür bekannt, eine Affinität zu East-Coast-Hipstern zu haben und diese im Spiel von Neurosen, Referenzen und liebenswerten Eigenarten zu formen. Hier entwickelt er mit Gerwig nun ein Screwball-Theater, das zunächst mit ausgezeichneter Achtziger-Emulationsmusik das brave College-Lustspiel vorgibt, dann aber flott auf hyperaktives Gesprächsgut fällt, das mit Ironie und entschieden weiblichem Selbstbewusstsein nach allgegenwärtiger Indie-Bohème strebt.
Dies schnappt so übermenschlich flink zu, dass man eine Ladung Koffein ins Kino mitbringen muss, um bei diesem geballten alternativen Idealismus mithalten zu können. Gott sei Dank ist der Film in dieser Form nicht ausschließlich als reelles Abbild seiner jungen Gesellschaft gedacht, sondern im Verlauf als Unterhaltungsstück erkennbar, das seine Wortgefechte in übermäßiger Cleverness auflöst und doch als Vergnügen beobachtet. Somit wird es unter Freunden gerne kindisch und bis an die Decke ironisch, was auch dem potenziellen Pathos der jungen Truppe zuteilwird und political wie emotional correctness gegen die Schaffensfreude ausspielt. Ohnehin hat man trotz Spleens mit Verantwortung und Finanzierung zu hadern, während die individuelle Sehnsucht am Scheideweg steht. Baumbach und Gerwig schaffen dabei eine Balance mit drolliger Verspieltheit, doch man muss fast befürchten, dass sie einen Kreislaufkollaps erleiden, müssten sie einmal eine Pause machen.
Der Film verbringt zwar einen guten Anteil seiner Laufzeit in der Villa von Brookes alter Rivalin Mamie-Claire (Heather Lind), ist dort aber beschäftigt, mit Hinterteil betonenden Jeans eine Finanzspritze fürs eigene Restaurant zu motivieren, Dreiecksbeziehungen von einst und solche aus der Gegenwart aufzurollen sowie einen Leseklub an Schwangeren mitsamt des mürrischen Nachbarn ein- und auszuladen. Und alle spielen sich blitzartig Bälle der Konversation zu, über welche die herbstgefärbte Kamera Sam Levys zumindest den Überblick behält. Der Film und sein Cast sind sich bewusst, wie sie sich gegenseitig ins Absurde hochschrauben. Manche Montagen heben aus der Gegenüberstellung statischer Einstellungen ein beinahe forciertes Posing der Charaktere heraus. Und es ist nur allzu bezeichnend, wenn Tony davon spricht, jemand zum Lieben finden zu wollen, statt jemanden, mit dem er ständig mithalten muss.
Doch im Grunde entlarvt der Film auch das Verhältnis zu seinen Charakteren, die er schwer zu fassen oder einzunehmen vermag. Tracy will ihre Arme überall ausstrecken und die Welt umarmen, verliert jedoch im Overdrive die Bodenhaftung, auch von ihren Mitstreitern. Umso schwieriger wird es für sie, herauszufiltern, was sie jemandem gönnen darf oder nicht; wo Input und Output anfangen oder aufhören und wie sie auf der Suche nach der Zukunft noch in aller Freundschaft verbleiben kann. Kleinunternehmer haben es schwer, doch am Ende helfen sie sich immer gegenseitig – daher können Baumbach und Gerwig ihre beschwingte Komödie der Schwesternschaft auch nicht pessimistisch enden lassen. Sie sind in ihrer Aufregung doch souverän unaufgeregt und mitunter so motivierend und herzlich wie ein TED-Talk – eben auf der netten Ebene des Kapitalismus unterwegs. Unabhängig davon macht „Mistress America“ mächtig Laune.
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