Die Frau ist eine Verrückte, der Kerl ein Sensibelchen. Und beide finden sich, weil es sich im Film so gehört – und im wahren Leben nicht. Doch über Thomas Cailleys „Liebe auf den ersten Schlag“ ist kein Aufruhr zu machen, kein Stunk zu verbreiten, keine Augenbraue zu heben. Das Debüt des Regisseurs aus der zentralfranzösischen Region Auvergne ist dafür zu brav; wie geschmiert aus einem Sundance-Leim. Obwohl es die vergangene Directors’ Fortnight beim Festival de Cannes im Sturm eroberte und Anfang des Jahres neun Nominierungen für den César erhielt und schließlich drei Trophäen gewann, will es nichts weiter sein als … nett. Und dieses nett ist in den Worten des Kabarettisten Hagen Rether zu deuten: „Nett ist nicht die kleine Schwester von Scheiße. Nett ist nett.“ Im filmischen Jargon heißt das: „Liebe auf den ersten Schlag“ ist ein Crowdpleaser. Thomas Cailley will allen gefallen – allen von Auvergne bis Sundance. Doch was an der Côte d’Azur im Zweifel als frisch gilt, weil es aus dem harten Tobak des Festivalmarathons ragt, muss abseits dieser Routine niemanden hinter amerikanischen Pseudo-Independent-Filmchen hervorlocken.

Das Grundszenario präsentiert sich als komödiantische Coming-of-Age-Parabel zweier Menschen, die ihre erste Lebenskrise nach der Pubertät eigentlich schon überstanden haben sollten. Haben sie jedoch nicht. So baut Arnaud (Kévin Azaïs) mit seinem Bruder Gartenschuppen, während sich Madeleine (Adèle Haenel) Dachziegel in den Rucksack haut und damit im Pool der Eltern ihr Überleben trainiert. Der Weltuntergang kommt im Eiltempo, da ist sie sich sicher. Nach kurzer Zeit ist sich auch Arnaud sicher, dass er an dieser Frau etwas findet. Obwohl niemals klar wird, was genau. Weil Romcoms auf die Frage nach dem Warum allerdings keine genaue Antwort geben müssen, die sich von ihren Prototypen des unselbstständigen Lebens abkapselt, kommen die Zwei über Umwege zusammen, als sie für ein Boot Camp der französischen Armee in der dicht bewaldeten Pampa umherirren. Im Sinne von: Make love, not war. Davor nimmt Arnaud als grundsolider Type ein Frettchen bei sich auf und Madeleine bitched sich als tougher Tomboy durchs Leben. Ein wenig wirkt sie dabei sogar wie eine burschikose Schwester von Noah Baumbachs sozialuntauglicher Heldin „Frances Ha“.

Dazu kommt eine flirrende Bildgestaltung von David Cailley, der für seinen Bruder Thomas Oasen des Lichts findet, die der Film anderweitig nicht aufzuschlüsseln vermag, und ein Electro-Pop-Score der dreiköpfigen Gruppe Hit’n’Run, der lässig genug ist, um Drive und den Ansatz von Tempo zu erzeugen. Wenn nun aber die Protagonisten nicht französisch, sondern englisch reden würden, käme keiner auf den Gedanken, dieser Film würde sich mit Alleinstellungsmerkmalen schmücken, die ihn vom generischen Indie-Potpourri aus den Staaten abheben. Daran ist Thomas Cailley gewiss nicht gänzlich unschuldig. Immerhin schwimmt sein mit Claude Le Pape verfasstes Drehbuch dünn und seicht genug daher, dass es bei einer Laufzeit von 98 Minuten irgendwann nur noch auf der Stelle treten kann, wenn es das nicht schon von Beginn an täte. Fassen wir also zusammen: „Liebe auf den ersten Schlag“ ist nett. Und noch dazu ein Crowdpleaser. Und darin irgendwie öde. Trotz Frettchen.

Meinungen

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