Wes Andersons achter Spielfilm „Grand Budapest Hotel“ ist der Eröffnungsfilm der Berlinale 2014 und eine gelungene Bereicherung seiner Filmografie der Erwachsenenmärchen. Der Texaner, dessen eigenwilliger Stil schon beim ersten glamourösen Bild wiedererkennbar ist, verfügt mit Ralph Fiennes, Edward Norton, Adrien Brody, Tilda Swinton, Jeff Goldblum, Jude Law, Willem Dafoe, Owen Wilson, Harvey Keitel, Mathieu Amalric, F. Murray Abraham und seinem Dauergast Bill Murray einen mehr als herausragenden Cast. Schauspielerisch gibt es da auch nichts zu tadeln: Alle Rollen sind nicht nur hochkarätig besetzt, sondern auch facettenreich gespielt.

In einer fiktiven Welt, deren Chronologie parallel zu der unseren verläuft, wird das Geschichteerzählen per se thematisiert. Gleichwohl reflektierend zeigt Anderson wie Inspiration das eigene Denken verändert und die Kreativität anspornt. Er selbst ist von den Werken des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig so sehr beeindruckt gewesen, dass er mit seinem Film eine Hommage an die deutsch-österreichische Kultur verwirklichte. Zweig gab ihm Impressionen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; und der Expressionismus in Filmen deutscher Emigranten wie Ernst Lubitsch, Friedrich Wilhelm Murnau oder Fritz Lang beeinflussten den Amerikaner. Die entstehende Mischung zeigt sich in der Architektur der Gebäude, dem Stil der Bilder und der eingebauten Thematik einer Machtergreifung bzw. einer Schutzstaffel.

Andersons Filme haben ein unheimlich hohes Tempo und „Grand Budapest Hotel“ macht da wahrlich keine Ausnahme. Ästhetik wird mit dem Dekohammer gleichzeitig erbaut und zerschlagen, unzählige Reißschwenks katapultieren das Geschehen, slapstickartige Zeitraffer bringen chaplineske Anspielungen, Zooms und Kamerafahrten bereiten auf die kinematischen Ausbrüche vor und statische, symmetrische Einstellungen gibt es meist nur zum Ausatmen, im Gegenschuss oder aus der Vogelperspektive, ähnlich wie in Alejandro Jodorowskys „Montana Sacra – Der heilige Berg“. Wes Andersons Welt ist fiktiv und verträumt, künstlich und künstlerisch. Die erhabene Flucht in diese Künstlichkeit kann aber auch eine Schwachstelle sein, denn die großen Gefühle kann man trotz der freundschaftlichen Verbundenheit der beiden Protagonisten M. Gustave (Ralph Fiennes) als Concierge und dessen Lobbyboy Zero Moustafa (Tony Revolori) nur spärlich fühlen, da sich der Film viel zu sehr auf seine makellose Perfektion konzentriert. Hier und da entstehen Szenen, die der ausufernden Geschwindigkeit eine Pause gönnen wollen, die aber nicht die nötige Tiefe besitzen, um dies zu erreichen.

Von positiver Energie strotzend erscheint das typische Wes-Anderson-Drehbuch nie überladen, obwohl eine Vielzahl an Strängen gleichzeitig abläuft. Dennoch ist diese märchenhafte Stimmung, die ab und an von nicht ernst zu nehmender Gefahr attackiert wird, vielleicht manchmal zu infantil, zu euphemistisch und zu inkonsequent. Dass einem Charakter plötzlich die Finger fehlen, ist ein netter Versuch der Bösartigkeit (ebenso wie die Rolle Dafoes), bleibt aber im Rahmen dieses adretten Glamourspektakels beim bloßen Versuch. Was Anderson auszeichnet, ist sein Talent für den richtigen Einsatz von Überraschungen und Rahmen sprengenden Handlungen. Denn besonders zu loben, ist seine Art und Weise zu erzählen. Er schafft es, die verschiedenen Ebenen stringent und spannend zu halten. Dass er mit solch einer Auswahl von Schauspielern nicht nur ein Ass im Ärmel hat, macht diesen Film umso sehenswerter.

Die Frage aus dem Publikum, wie er es schaffe, auch hoch bezahlte Darsteller für Nebenrollen zu gewinnen, beantwortete Bill Murray in der Pressekonferenz mit: „We like him.“ Sie mögen ihn, die Schauspieler, das ist ein Fakt, denn ansonsten würde er nicht bei jedem seiner Filme mit einem Ensemble dieser Klasse auftrumpfen können. Die Resultate sind von warmer, wohlfühlender, unterhaltender Natur und punkten generell durch Sympathie und Extravaganz. Gerade letztere ist aber ein Auslöser für polarisierende Meinungen. Denn das überaus gesättigte Bild besteht aus einer lieblichen Wärme voller Details: für eine Groteske zu zurückhaltend, für eine Satire zu weich, für eine Komödie gerade richtig.

Meinungen

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