Tim Burtons „Batmans Rückkehr“ erweitert unsere Ode an die Hüter der Menschlichkeit – so außerirdisch sie manchmal auch sein mögen. Ein Hoch auf die Superhelden!

Es weihnachtet nur schwerlich in Gotham City. Denn wie die Stimmung anheizen, wenn der Schnee nur zaghaft auf die tiefen Häuserschluchten gleiten kann? Kein Wunder also, dass dieser Ort bemühter Lebenslust zum Tummelplatz verstörter Gestalten wird. Regisseur Tim Burton kehrt nach seinem Achtungserfolg „Batman“ (1989) umso lieber an diesen Ort zurück, um das Herzstück in der Psyche der Stadt zu offenbaren. Deshalb ist „Batmans Rückkehr“ keine direkte, auf den Titelhelden zentrierte oder gar rein kommerzielle Fortsetzung. Stattdessen denkt er die inneren Konflikte und die Motivation der Maskerade seines verletzten Superhelden weiter.

Einmal geschieht dies im neuen Bösewicht, dem Pinguin Oswald Cobblepot (Danny DeVito), der die Elternlosigkeit von Batman respektive Bruce Wayne (Michael Keaton) in dem Sinne parallelisiert, dass seine Eltern ihn als Missgestalteten in die Kanalisation verstoßen haben. In seiner verkümmerten und verzerrten Erscheinung repräsentiert er ein Spiegelbild von Vernachlässigung und Enttäuschung, das ganz natürlich als antagonistisches Pendant der Rolle Batmans für die Stadt Gotham wird. Für Burton allerdings kein Anlass, einen plakativen Schurken darzustellen. Stattdessen urbanisiert er den Integrationsgedanken seines vorherigen Leinwandhelden „Edward mit den Scherenhänden“ (1990) und zeichnet den Pinguin als übel mitgespielten Außenseiter, wobei ihm die Faszination der Stadt mit seiner Person ebenso sicher ist – was ihn automatisch auch zu einem Seelenverwandten Batmans macht.

Daher entfaltet sich in diesem Handlungsraum wie bei „Edward“ eine Gesellschaftssatire, da der gewiefte Mogul Max Shreck (Christopher Walken) ihn zugunsten eines Kraftwerkbaus als zurückgekehrten Sohn Gothams inszeniert und anhand jener Sympathien als potenziellen Bürgermeisterkandidaten aufzieht. Die Naivität der Bevölkerung ist da genauso comichaft wie die Vorlage, wie sie auch als kontemporärer sozialer Querschnitt wirkt, den Burton in seinem Gesamtwerk stets meisterhaft zu pointieren wusste. Deswegen wirkt dieser Eintrag ins Franchise persönlicher und auch verspielter als der Erstling, je leidenschaftlicher er die Beweggründe seiner Freaks im Kontrast zur unwissenden Allgemeinheit beleuchtet und dennoch Häme für jene boshafte Dekadenz aufhebt, die der Shreck-Clan an den Tag legt.

Also ist hier nichts einfach Schwarz und Weiß. Gleiches gilt auch für Neuzugang Catwoman, geboren aus der frustriert neurotischen Sekretärin von Shreck, Selina Kyle (Michelle Pfeiffer). Ihre verschrobene Lebensart in einem Apartment zwischen dreckigen Wänden und putzigen Stofftieren ist wie Burton eigenständig und abgeklärt gegenüber dem gängigen Superheldenspektakel. Hier zeigt sich ein Charakter voll aufgehaltener Sehnsucht, der sich erst durch einen Schubser vom skrupellosen Arbeitgeber in eine ausgelebte Persönlichkeit transformiert, wie es sich schon Batman und der Joker im Vorgänger gegenseitig antaten. Wohl nicht nur deshalb wird die Gestalt der anarchischen Catwoman auf dem Spielplatz der Gothamer Nacht zum neuen Kuriosum des dunklen Ritters, der womöglich einen passend gestörten Gegenpart seiner selbst in ihr findet.

Das funktioniert sogar im doppelten Sinne, da sich auch Bruce Wayne gleichzeitig mit Selina Kyle bekannt macht. Zusammen erforschen sie eine Gemeinsamkeit in der Dualität, die der Welt im lakonischen Einverständnis gegenübersteht und sich wiederum mit ihren „Sickos“ identifiziert. Den symbolischen Höhepunkt findet Burton dann auf einem Maskenball, der nicht nur bezeichnenderweise Rick James’ „Superfreak“ aufspielt, sondern Bruce und Selina als einzige Gäste ohne Maske auftreten lässt. Dabei offenbaren sie sich jedoch gegenseitig aus Versehen ihre wahren Identitäten. Was nicht nur dem Zuschauer das Herz bricht, weil Selina schon kurz darauf fragt: „Does this mean we have to start fighting?“ Ihre Sorge ist gar nicht mal unbegründet, denn „Batmans Rückkehr“ liefert trotz seiner charakterlichen Stärken noch immer ein actionreiches Abenteuer voll zackiger Kulissen, explosiver Effekte und aberwitziger Szenarien.

Der Pinguin lässt hier am ausgelassensten die Puppen tanzen. So hantiert er mit bewaffneten und fliegenden Regenschirmen, kommandiert verschrobene Artisten und Armeen an Pinguinen, fährt auch mal ein ferngesteuertes Batmobil sowie eine Riesenente, um dem heldenhaften Flattermann und Gotham das Leben schwer zu machen. Mit dieser Leichtigkeit lässt sich gut unterhalten und so wird gerade diese Figur trotz ihrer im Verlauf recht finsteren Pläne zu einem tollen Bösewicht, dessen Ende man am liebsten nicht erleben will. „Batmans Rückkehr“ ist nicht nur in dem Sinne ein emotional treffender Film, der die Motivationen maskierter Comic-Charaktere verselbstständigt und menschlich nachvollziehbar macht, indem er deren Eigenständigkeit romantisiert.

So ist auch der Film keine einfache Angelegenheit, die sich in nur einer Kritik komplett erklären ließe. Burtons Werk ist dafür zu vielschichtig und eine unfassbar unterhaltsame Synergie der Superheldenthematik mit den persönlichen Lieblingsthemen des Regisseurs – und damit so zeitlos wie stellvertretend für eine Ära des Kinos, die noch alle Wege offenlegte und mit frischem Elan ins Unbekannte vorstieß. Dieser Film lässt sich als perfekt und im selben Atemzug als schier ungewöhnlich bezeichnen – eine (besonders aus heutiger Sicht) Unmöglichkeit stilistischer und thematischer Handschriften im Blockbuster-Gewand, bei der Gefühle und Trivialitäten im Verhältnis zueinander stimmen und begeistern. Hier lernt man Superhelden und Superschurken lieben, ohne dass diese sich wirklich als ihre Rollenmodelle beweisen müssen. Es reicht schon, dass sie auf eigene Faust zueinanderfinden und gemeinsam wirken.

Meinungen

Teile uns deine Meinung zu „Batmans Rückkehr“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.

Kinostart: 14.09.2017

Mr. Long

In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Kinostart: 27.07.2017

Django

Étienne Comars Debüt eröffnet mit einem Porträt über Django Reinhardt die 67. Berlinale.

Kinostart: 06.04.2017

Tiger Girl

Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.

Kinostart: 09.03.2017

Wilde Maus

Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Mr. Long

Sabu, Japan (2017)

Zerbrochene Leben und einstürzende Neubauten: In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Wilde Maus

Josef Hader, Österreich (2017)

Selbstmord durch gefrorenes Wasser: Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Occidental

Neïl Beloufa, Frankreich (2017)

Italiener trinken keine Cola! Neïl Beloufa verzettelt sich in seinem chaotisch-absurden Kammerspiel-Debüt.

Tiger Girl

Jakob Lass, Deutschland (2017)

Freiheit durch Reduktion: Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.