Er ist groß, schleimig und konsequent tödlich: „Blob – Schrecken ohne Namen“ hat mit jenem Titel gebenden Monstrum aus dem All ein Ass im Ärmel, das er aber aufgrund eines niedrigen Budgets meistens außen vor lassen muss. Dafür entwickelt der Film von Irvin S. Yeaworth Jr. und Russell S. Doughten Jr. eine interessante Eigendynamik, die als eine Art des Slow cinema bezeichnet werden kann. Und dabei fängt er schon mit seinem Titelsong so knackig an, dass das Teenager-Pärchen Steve (Steve McQueen in seiner ersten Hauptrolle) und Jane (Aneta Corsaut) gleich darauf einen ominösen Meteoritenschweif am Nachthimmel erblickt, während sie noch ganz unschuldig im Wagen miteinander reden. Unschuldig ist übrigens ein passendes Stichwort für diesen Film, der mit fast ausnahmsloser Gutgläubigkeit fernab unseres heutigen oder wahrscheinlich schon damaligen Realitätsverständnisses eine Kleinstadt-Aura aufbaut, in der Zynismus und härtere menschliche Konflikte abwesend sind.
Deshalb kommen die Zwei sofort einem alten Mann zur Hilfe, den sich der Blob unter den Nagel gerissen hat. In moderatem Tempo bringen sie ihn zum Doktor und entdecken dort bereits einige glibberige Schauwerte. Doch bevor diese weiter ausgearbeitet werden können, sollen die jungen Retter noch mal zur Hütte des alten Mannes düsen. Der Abenteuersinn des Zielpublikums wird somit anhand naiver Aufregung bestätigt und bekräftigt vor allem den Reiz, lange aufbleiben zu dürfen – immerhin spielt sich die Handlung komplett in einer Nacht ab. Der Grundgedanke ist genauso harmlos wie die anderen Jugendlichen, die Steve später leicht provozierend zu einem kleinen Wagenrennen im Rückwärtsgang mit dreißig Kilometer pro Stunde auffordern. Aus der Seitenstraße taucht jedoch schnell der gutmütige Leutnant Dave auf und klopft Steve auf die Finger, lässt die Sache allerdings durchgehen. Steve ist eben ein guter Junge und einer, der nicht lügt – weshalb Dave ihm später auch als Erstem ungefragt glaubt, wenn es um das Monstrum in der Stadt geht.
Im Gegensatz zu anderen Filmen lachen die Rabauken Steve danach nicht etwa wegen seiner Begegnung mit dem Gesetz aus oder drangsalieren ihn nach dem Rennen weiter – Gott bewahre, dass hier noch echte Konflikte entstehen! Stattdessen tauschen sie erst mal einige Anekdoten untereinander aus und beraten sich darüber, ob sie ins Kino gehen oder auch zur Hütte des alten Mannes mitkommen wollen. Einerseits ist es goldig, wie freundlich alle miteinander umgehen; andererseits amüsiert es, wie deutlich der Film mit derart gesprächigen Füllsequenzen voran schleicht (man denke an jene Szene, in der einer der Polizisten sein Schachspiel weiterführt, während sich die anderen auf die Suche nach dem Blob machen). Da man um diesen Umstand wohl wusste, wird zum Beispiel in einer nächtlichen Sequenz romantische Musik eingespielt, obwohl Steve nur noch mal Jane gegenüber wiederholt, was er mit ihr gesehen hat. Dies soll auch davon ablenken, dass die Kameraarbeit weder Zeit noch Budget für Schärfeverlagerungen oder komplizierte Fahrten hatte.
Als man es dann irgendwann tatsächlich zur Hütte schafft, erhält die stets sorgsam mitziehende Jane ihre erste echte charakterliche Definition in Form eines „niedlichen, kleinen Hundes“, der dort haust und um den sie sich mehr oder weniger kümmert. Später wird ihre Sorge auf ihren kleinen Bruder Danny übertragen. Im Gegenzug sucht der Blob ausgerechnet die ältere Generation in diesem Ambiente heim, das an sich wie eine halbe Geisterstadt für freilaufende Jugendliche wirkt. Die urig gallertartige Masse vollführt aber eher Off-Screen ihre tödliche Absorption und wird erst im Gegenschnitt auf Reaktionen (inklusive Rotlicht) zur Furcht einflößenden Bedrohung. Selbst McQueen wendet dafür trotz aller einladend aufspielenden Souveränität ein Overacting an, das seiner nicht würdig, aber umso sympathischer ist. Dasselbe kann man ebenso von den Spezialeffekten sagen, sobald sie den Blob in haushoher Größe darstellen – so bahnt sich dieser seinen Weg durch spekulativ abgemessene Modelle und fällt sogar lediglich auf Fotos der betreffenden Ortschaften nieder. Das hält die versammelte Gemeinde jedoch nicht auf, gemeinsam gegen das außerirdische Unwesen einzuschreiten und sogar Druck in Washington zu machen.
„Blob“ arbeitet nun mal in einem Vakuum provinzieller Wunschträume und naiver Ängste und schafft damit ein unbedarftes und unbeholfenes Abenteuer, als käme es direkt vom örtlichen Drive-in und wäre fürs örtliche Drive-in produziert. Selbst in seinem Genre ist der Film ein eher unrundes Erlebnis, voller Längen und letztendlich auch zu kurz aufgelöster Reißer-Qualitäten. Schließlich gibt es für die Protagonisten nicht allzu viele Widerstände, wie ohnehin keine Charakterwerte jenseits plakativer Freundlichkeit aufgewendet werden und dennoch viel Freiraum für Small Talk geboten wird. Das macht es natürlich leichter, sich an dem aus heutiger Sicht spießigen Draufgängertum zu vergnügen – jedoch muss dabei ein Mangel an Spannung in Kauf genommen werden, der wenigstens im Remake von 1988 ausreichend kompensiert wurde. Dennoch beweist die Originalverfilmung als bunte und niedliche Monster-Fantasie einen kindischen Charme, da die Hysterie gerade im Kontrast zum entschieden tranigen Terror umso beglückender unterhält. Zudem schaffte es der Film damals sogar als unabhängige Produktion in den Vertrieb von Paramount Pictures. Das hat Vorbildfunktion und bleibt mit seinem liebenswert veralteten Zeitkolorit eine Fundgrube des ambitionierten Unvermögens.
Umsetzung für das Heimkino
Die am 24. April 2015 veröffentlichte Heimkinovariante von Capelight Pictures wird diesem Gedanken ebenso gerecht. So wird der Film als Schmankerl für jede gut sortierte Sammlung in einem markanten Mediabook präsentiert, das jeweils eine Blu-ray und eine DVD sowie ein 24-seitiges Booklet zur liebevoll restaurierten Fassung des Werks bereitstellt. Im Booklet geht Volker Schönenberger dabei humorvoll und informativ auf die Hintergründe, Schauspieler und Fortsetzungen des „Blobs“ ein, die von Pressematerialien der deutschen Wiederaufführung anno 1977 sowie Postern und Requisitenfotos ergänzt werden. Ebenso aus der Zeit der Wiederaufführung (unter dem Titel „Angriff aus dem Weltall“) stammt sodann der deutsche Trailer im Bonusmaterial, bei dem sogar Thomas Danneberg statt Originalsprecher Eckart Dux den jungen McQueen synchronisiert. Ohnehin wartet die deutsche Synchro trotz leicht blechernem Ton mit einer stimmlichen Garde auf, die unter anderem Rainer Brandt und Wolfgang Draeger in jungen Jahren als Halbstarke innehat.
Als Alternative kann natürlich auch auf den O-Ton zurückgegriffen werden, ebenso bieten sich aber noch ganze drei Audiokommentare an: einer mit Produzent Jack H. Harris und Filmhistoriker Bruce Eder, ein anderer mit Regisseur Irvin S. Yeaworth Jr. und Schauspieler Robert Fields (mit einem schönen Aufgebot an Geschichten über McQueen) sowie zuletzt einer mit Ingo Strecker vom Geheimnisvollen Filmclub Buio Omega und Daniel Perée vom Filmmagazin Wicked-Vision. Als schwarz-weißes i-Tüpfelchen bietet sich eine seltene Super-8-Fassung aus den USA an, welche die Höhepunkte des Films auf sieben Minuten Laufzeit kondensiert und mit verfälschten Untertiteln bereichert – mehr geht wirklich nicht. Obwohl: Der Originaltrailer und eine Bildergalerie sind ebenfalls mit inbegriffen, ganz zu schweigen von der exquisiten Bildqualität – basierend auf der jüngsten 4K-Abtastung des Original-Negativs. Ein starkes Komplettpaket also, das runder beglückt, als es der Film an sich schafft. Man kann sich als interessierter Zuschauer aber durchaus was von beiden Seiten der Medaille abschauen und vor allem hinschauen, damit man es dem Blob gleich tun und ihn restlos verschlingen kann.
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