Der facettenschwere Filmtitel „Die Killer“ (deutscher Uraufführungstitel: „Rächer der Unterwelt“) zeigt uns einen Irrweg auf, der kurzerhand in eine Sackgasse winkt: Die zwei Auftragsmörder (Charles McGraw, William Conrad), die „Killer“, haben nicht mehr als zwei gemeinsame Auftritte, die umso destruktiver eine Schneise dunkeldämmriger Verwüstung schlagen. Der Protagonist gleichwohl – Burt Lancaster, „der Schwede“, ein Berufsboxer – hat dagegen mehrere Runden zu absolvieren, und sie formten ihn zu einem gestandenen Schauspieler; zu einem Star, der in diesem verzwickten, systematisch nach unten sackenden Film noir einen unverhofften Höhenflug bekam. Lancaster steht für den individualistischen Fatalismus des vernarbten Sonderlings, der längst bereitsteht für den nächsten Schicksalspunch. In ihm gärt das Verlangen des Nichts, so wie in seinem Leben der Körper als Abprallmasse gradweise zerbricht. Robert Siodmak hätte keine abgründigere, trübere Endballade über die Tugend des Film noir und seiner ewigen Finsternis choreografieren können, denn Ole Anderson (Lancaster) ist ein Wrack, weil er akzeptiert hat, dass ihn kein Rettungsschiff birgt. Anderson ist am Ende seiner Freiheit angelangt, das Mädchen weggelaufen, das Geld verloren, der Oberkörper nackt enthüllt: Burt Lancasters ausgiebige Virilität, gekoppelt an das Pech und die Entmutigung, vor einer Entscheidung zu flüchten, packen ihn an der Schulter – und drücken. Er wird müde, die Augenlider bibbernde Schlitze, er wartet auf den Henker. Er weiß, dass er sterben wird.

Falls es in Siodmaks rückverschachteltem Kanonvertreter der Schwarzen Serie um das Sterben geht, so ist es ein abscheuliches Sterben; ein Sterben in Zahlen, Daten und Erfassungen, ein Sterben im Systemkapitalismus und im Versicherungsgegenrechnen, in dem der Tod seinen Determinismus abgibt und die (moralische) Exekutive weitergereicht wird an das (gierige) Einholen des Vermögens (Edmond O’Brien übernimmt einen Walter-Neff-Zwilling). Es überrascht nicht, dass die alsbald tödlichen Fehlgriffe der Vergangenheit ein Arsenal an paarweise verketteten Figuren dort aufsuchen, als sie sich unangreifbar, behütet, geläutert glaubten: in einer bürgerlichen (Arbeiter-)Scheinexistenz des Reinigung versprechenden Neuanfangs. Ole Anderson ist zu naiv, um sich sündig zu verbarrikadieren – er steckt sich in einen Anzug, wird Kleinkramgangster, landet im Gefängnis und wischt Autoscheiben, aber der Scheibenwischer wischt bereits sein eigenes Gesicht sauber und filtert die Lüge des Imitats. In Ava Gardner – der Film verhalf auch ihr zu Ruhm – leuchtet es Anderson (ohne ein Gegensteuern) ein, dass er einer impulsiv-erotischen Gier aufsitzt, die er nicht regulieren kann. Je reflexhafter er sich in die Arme der schwarzexotischen und fahrlässig berechnenden Femme fatale wirft, ihre Augen sind Fangarme auf der Lauer, desto unwiederbringlicher reißt sich der Abgrund vor ihm auf. Ihre sinnlichen Szenen, die sie im Zusammenspiel bestreiten, spannen eine unsichtbare Leine, an der sich Anderson zu Kitty (Gardner) zieht, obschon er sie nie komplett fassen wird.

„Die Killer“ adaptiert (ungemein nihilistischerer) das Menschenbild der Ernest-Hemingway-Kurzgeschichte, die als Vorlage den taktisch inszenierten Mord an Ole Anderson abdeckt, um danach freiheraus hinzuzudichten: lakonische Menschenkrüppel, ehrlose Gauner, unausstehliche Pläneschmieder, die allesamt in eine sich gegeneinander bedingende Achterbahn steigen, die sie abwirft. Hemingway hätte dieser Film angeblich gefallen – der einzig brauchbare Versuch, eine seiner Geschichte zu visualisieren. Aus dem vorrangigen Grund – so lässt sich heute vermuten –, wie sich Siodmak, Anthony Veiller sowie die beiden ungenannten Drehbuchautoren John Huston und Richard Brooks auf die Ausdrucksvielfalt des Films einlassen, der nicht abpaust oder ausmalt, sondern eigens die Achterbahn am Laufen hält, während Gitter und Stangen der expressionistischen Schwarz-Weiß-Malerei in die Charaktere dringen. In „Citizen-Kane“-Manier fragmentiert Siodmak ein immens verkeiltes Personenlabyrinth – die verflossene Zeit Ole Andersons resultiert aus den Splittern einer journalistisch-investigativen Untersuchung, die mehr und mehr Informationen ans Tageslicht befördert, ehe sie von der schwülstigen Schwärze eingeholt werden. An der Seite der berühmten Eröffnungssequenz – jene zwei „Killer“ kalauern sich makaber durch ein trommelndes, knallendes Crescendo – besticht eine mehrminütige Überfall-Plansequenz, die einem realen Tatsachenfall semi-dokumentarisch nachempfunden ist. Ein Irrweg, der kurzerhand in eine Sackgasse winkt.

Meinungen

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