Die eine besondere Szene aus sowohl überbordender Fanfare, als auch kindlicher Spielfreudigkeit liefert Guillermo del Toro im Kontext einer der leidlich wenigen imposanten Action-Sequenzen dieser zweiten Adaption des Teufelsjungen: Der ausgewachsene Hellboy hängt an einem kleineren Hochhaus – eine überdimensionierte Knarre in der einen Hand, ein glucksendes Baby in der anderen, und da es nicht schreit … übernimmt den Part eine wütende Pflanze. Es ist nicht mal eine Schlüsselszene, vielmehr scheint der ganze Film um ein nicht genauer definierbares Zentrum der Übellaunigkeit zu drehen, auf das er mit Feuereifer eine Kombination aus guter Charakterschulung und handwerklicher Finesse gegen die Effektgewitter Hollywoods drängt. Doch der Gegenhalt zu den spürbar sachlicheren Beiträgen im überfluteten Markt der Comic-Verfilmungen revanchiert sich. Denn „Hellboy 2 – Die goldene Armee“ distanziert das trügerische Bild einer Fantasie, die bereit ist, die Realität zu vereinnahmen, von dem Märchen dahinter, in dem der Zauber nachhaltig grauenvoll ist.

Das ist der Verdacht, den del Toro illustriert: Bei aller Magie kann der Mensch die Wahrheit des Fantastischen unmöglich verstehen. Schon „Pan’s Labyrinth“ wusste um die Parallelwelt, die von der elfjährigen Ofelia in einem unterirdischen Labyrinth entdeckt und bei aller Grausamkeit während des andauernden spanischen Bürgerkriegs mystifiziert wurde. Den dramaturgischen Zweck des Träumerischen erkennen sie alle, die aberwitzigen Figurenkomplexe, die auf der Sinnsuche mehr als ihren eigenen Hass noch auf die Wut der Welt treffen – der verwitterte Faun Pan ebenso wie der Kinderfresser, mit Augen in den Händen und hängender Haut, dessen Züge früh den Gedanken an ein Märchen oder eine Fabel entreißen. Guillermo del Toro ist ein Meister der Zelebrierung unterjochter Charaktere. Dabei drückt seine Unterwelt lediglich die Notwendigkeit aus, die Schrecken der Realität zu erforschen und das wunderbare Unbekannte aus der Stilisierung zu heben, das meist in traumähnlicher Kostümierung ans Licht tritt.

Manchmal scheint es dagegen, als sei die charmante Metapher vom Teufel, der als Produkt der Nazis erschaffen und nun im Kampf gegen das okkulte Böse in der „Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen“ arbeitet, ein Trick – ein Hackenschlag und ein Paradox von vielen. Dieser Hellboy, gespielt von einem unnachahmlich schlecht gelaunten Ron Perlman, ist kein Held. Er ist die Umkehr des Misanthropen, dessen Gegenwart die Menschen fürchten lässt. Wenn Hellboy in Rage gerät, platzen ihm nicht die Knöpfe vom Hemd, der Kopf fährt nicht ulkig aus der Haut, keine Verwandlung bricht unter Affengebrüll unter die Menschen, und einen engen Anzug braucht er schon gar nicht über dem dumpfen Muskelpack aus Magma. Er ist kein Hulk, Spiderman, Batman. Aber ein Mensch – das ist er wohl am Wenigsten. Und zugleich am Meisten.

Überhaupt die Monster. In vielerlei Hinsicht stellt „Die goldene Armee“ mehr noch als der Vorgänger einen Abgesang auf die kausale Fehlinterpretation dar, ein mächtiger Körperbau – ein unnatürliches Äußeres auch – könne die inneren Werte bestimmen. Dagegen ist es die Menschlichkeit, die der Film unter großem wie großartigem Pathos definiert. Das beginnt schon bei der Vorgeschichte: Ein kleiner Hellboy am Weihnachtsabend 1955, ein chilischotenfarbener Winzling mit abgestoßenem Horn, einem leuchtenden Lachen in den gelben Augen, und der unbedingten Gier nach einer Gute-Nacht-Geschichte. Daraufhin erzählt sein Ziehvater Professor Bloom (John Hurt) von der titelgebenden goldenen Armee, siebzig Mal siebzig Krieger, die – aufgezogenen Maschinensoldaten gleich – die Welt der Menschen massakrieren. Ein Waffenstillstand schließlich zwingt die Armee zurück in die Katakomben des Elfenkönigs Balor. Still, ruhend und unzerstörbar.

„Aber es ist nur eine Geschichte, nicht wahr Paps?“, will der rote Dämon wissen und erntet einen wissenden Blick. „Mein Sohn“, antwortet der Wissenschaftler doch. „Ich bin mir sicher, du wirst es herausfinden.“ Es ist die Konfrontation mit der Magie, frühzeitig und unbeholfen; der junge Hellboy gräbt sich kurz darauf in die Bettlacken, mit einer Spielzeugknarre in der Hand und wird sich die Zukunft erträumen. Der Film nun – und auch dies ist unbedingt im Œuvre des Guillermo del Toro verankert – erlebt die Ausführung des Märchens: die Geburt von Riesen und Trollen, von Elfen und seltsamen Fleischgebirgen mit rasselnden Ketten und Reißzähnen, von Tumoren, getarnt als anhängliche Kinder, die eigens eine Welt ausbilden; einer Welt, die zwar geographisch unter der menschlichen Existenz stattfindet, aber unruhig nach Befreiung lechzt. Die auch irgendwie die Erde erobern möchte … mit dem Charme Hieronymus Boschs.

Damit übersetzt del Toro die bekannte Konfrontation von Mensch und Monster in den Konflikt um die Identität seiner Protagonisten und ihrer Sinneskrise. Denn obgleich der tapsige und furchtbar unbeholfene Hellboy fast wie ein Verwandter, ein eigenartiger Freund in trostlosen Zeiten scheint, ringt die Menschheit des Films mit der Abnormität ihrer Gesetzeshüter. Ein roter Koloss, der gerne Nachos und Katzen liebt, den Wahn der Außenwelt boykottiert und immerzu Überwachungskameras als Marketing-Werkzeug verhöhnt – ein Hellboy also, der niemals erwachsen geworden ist, der kann vielleicht nicht anders, als die Welt manchmal auszulachen. Eine Ungerechtigkeit, wer den Humor missversteht.

„Die goldene Armee“ beschränkt die ewige Frage nach Gleichstellung ohnehin auf ein Konzept, dass den Guss des Blockbusters behält, aber den Erfahrungen des Standardpublikums anpassen darf und somit zugleich rührend verkitschte Sequenzen im Wechsel mit unspektakulärer Action einfügt. Zweifelsohne wird man ihn mit Christopher Nolans furioser Heldenendzeit „The Dark Knight“ vergleichen wollen und gleichzeitig scheitern, seine Entpolitisierung wird man ihm ankreiden und seinen Hang zum grotesken Fantastischen, seine Handlung wird man nehmen und in schlimmsten Zügen kritisieren, für die methodische Einfachheit del Toros, die doch ebenso gut beweißt, wie wenig die Fantasie der Action hörig ist. Doch untermalt „Die goldene Armee“ ein Erbeben der Popkultur dem Drängen des Nihilismus stattzugeben: Der Teufel ist noch immer böse, die Welt zugleich – es ist auf eigenwillige Weise eine Apokalypse, die sich dramatischer Komik bedient.

Meinungen

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