Unter Jane Austen und Emily Brontë regierte Pastell, es goss Zwänge und Herzensqualen. Nun bedient sich Guillermo del Toro ihrer, doch seine ekstatische Welt stürzt in Safrangelb und Seidengrün, es gluckert Opazität und Zitate. „Crimson Peak“ ist allerdings leider mehr – ein cineastischer Nähtisch zwischen Biedermeier und Gothic-Chic: banal, antiquiert und dekadent. In seiner Schublade prahlen Bildkompositionen in tausend Farben, und wulstige Hammelkeulenärmel wachsen wie Kinderbäuche aus den Schultern der Damen. Überall verlieren sich die Augen, überall reißen Nähte, bröselt Putz. Es ist eine einzige Staffage ohne Ironie und Pastiche, in der sich zudem Gespenster tummeln – und eine Frau aus zartestem Alabaster. Diese Frau kehrt der amerikanischen Aristokratie im sterbenden neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert den Rücken, es geht nach Osten, in ein altes englisches Herrenhaus, das auf karmesinrotem Lehm steht. Daher der Name, daher Crimson Peak.
Bis sie dort ankommen darf, inspiziert die junge Lady Edith Cushing (Mia Wasikowska mit blasierter Präsenz) die Werke Mary Shelleys, sie redet gegen Sexisten und Konservative an, eine leichte Angst hält sie fest, als ob Mario Bava sich hie und da bitten lässt. Mit Speis und Tanz hat sie es jedoch erst, als ihr der perfekte, hochtrabende Bachelor Sir Thomas Sharpe (Tom Hiddleston) schöne Augen macht. Etwas an der Szenerie wirkt seltsam, del Toro spielt uns nichts vor: Feingliedrige Geister aus der Vergangenheit rekeln sich hier ebenso, wie Blut aus hüstelnden Rohren schießt und die Liebe als Damoklesschwert über der Geschichte thront. Visuell und atmosphärisch strickt der mexikanische Schauermärchenmaestro damit einen zugegeben fantastischen Archetyp der Gothic Romance und übersetzt ihn mit viel Pomp, Mystik und pittoresken Motiven ins kinematografische Diesseits. Im selben Maße versucht „Crimson Peak“ indes, sich seiner klassischen Anleihen zu entledigen und auf seiner sensationellen Phantasmagorie einen Subtext zu bauen, der so opulent ist, dass er spießig scheint.
Erneut kotzt del Toro zarte Collagen – aber sie fruchten nicht wie in „Hellboy 2“ oder „Pans Labyrinth“, da ihnen die unbedingte, strenge Selbstaufgabe fehlt; die Brutalität, der Horror, das Grauen fragmentarisch platt reduziert wird. Diese Form der Sklaverei an eine Ära, die im Film Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, niemand aufzutauen wagte, könnte interessant sein, weil sie sich von Charles Dickens entfernt und stattdessen H. P. Lovecraft und Edgar Allan Poe als Trend erkennt. Heuer zeigte „Extraordinary Tales“ von Raul Garcia bereits, dass ein animierter Omnibus durchaus stilistisch bunt über Geschichten fabulieren darf – obwohl es ihm an Leidenschaft haperte. Guillermo del Toro hapert es an mehr, an einem Konzept, an Details, an Artikulation, an Spaß seinem Sujet gegenüber, an einer „Sturmhöhe“, die delikat ist, graziös, ein wenig unorthodox. In „Crimson Peak“ bereitet auch Sex keine Freude; selbst Jessica Chastain als obsessive, scharfe Lucille Sharpe lockt mit nichts weiter als burgunderrot umwallten Hüften. Wenn dieser Film eines ist, dann womöglich noch ein Hausmusikabend für Stubenhocker.
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