Alle in Deckung, Jugendbuchverfilmung naht! Auf dem Industrieband der Angepasstheit und Synchronität wetteifern „Weltbestseller“ seit den letzten Jahren hartnäckig um den Leinwand terrorisierenden Erhalt einer unerbittlichen Kontinuität: Die Räuberpistole um einen selbst übersteigerten Pickelhelden zum messianischen Archetypen, der in einer auf Jugendkult gestampften Mode-Dystopie gegen das systemische Regiment der Entmenschlichung ringt, findet kein Ende, will kein Ende finden, soll kein Ende finden. Zu „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“, „Chroniken der Unterwelt – City of Bones“ und „Die Bestimmung – Divergent“ (allesamt kryptisch mit pomadigem Zusatztitel versehen) hat ein nächster Fachkundiger Interesse verspürt, sich einen literarischen Auftragsschmachtfetzen unterjubeln zu lassen, dessen adoleszente Jungstars aufgefangen werden, eine Stütze finden und lernen von vorbeilugenden Altstars (soeben implementiert: Jeff Bridges’ greiser Oberlehrer-Frohsinn, Meryl Streeps diktatorische Bestimmtheit und Katie Holmes’ ironisch eingarbeitete Scientology-Gesinnung, ein präzises Sprachwerk zu befehligen). Phillip Noyce und „Hüter der Erinnerung – The Giver“, ebenso eine Zielgruppenkombination, bei der sich der dramaturgische Stil erledigt, weil er zyklisch ist, und nicht nur die aufklärerischen Fußnoten im Titel aufrührt. Jonas (Brenton Thwaites) liebt seine Fiona (Odeya Rush). Diese Liebe ist nicht gestattet. Also sucht Jonas einen illegitimen Fluchtweg, eine gleichheitsgeleitete Utopie zur urteilskompetenten Liberalität zu bewegen.

Eines demonstriert dieser Nachkömmling dementsprechend zuhauf – das jugendliche Mainstreamkino scheint sich der Aussichtslosigkeit zu beugen, über die Liebe besonnen und, nebenher, innerhalb eines sensibel erkundeten Miniaturausschnitts wahrhaftig zu fantasieren. Auch Phillip Noyce überführt eine grazile, unverderbliche Bekanntschaftsromanze schließlich in eine grelle, unnatürlich hochglanzpathetische Schmonzette. Davon einmal abgesehen, bezeugt „Hüter der Erinnerung – The Giver“ durchgängig aber einen kompakt ausgestanzten, überraschend bescheidenen Film fern jeder formalen Passivität, der, ganz im Gegenteil, fingerfertig mithilfe seiner Kadrierung einer futuristischen, klinisch-kalten Gestaltung (ein Todesraum erinnert zweifelsohne an eine amerikanische Todeszelle) einen allegorischen Farb- und Gemütswechsel anstrebt und, überhaupt, das geschriebene Wort abwechslungshalber farbmetaphorisch interpretiert: Vom faden Schwarz-Weiß zur Vitalität sprießender Leuchtkraft verhält es sich ähnlich wie mit der Verdrängung zur Erinnerung, mit der Vergessenheit zur Wahrnehmung, mit dem Gleichen zum Unterschiedlichen, wenn die ätherischen bis monströsen Gedankensplitter des Lebens (frei nach Terrence Malick abgepaust) im Übereinstimmenden eines flauen Fabriklebens durchsickern. „Hüter der Erinnerung – The Giver“ platziert sich antithetisch zu seinen Kollegen, Freunden, Konkurrenten, indem er sich als unbeschwerte, luftige Collage sprunghaften Jugendkinos traut, sich an der Frage des Miteinanders zu verkleinern, als an einer Größe zu ersticken, die er sich irrtümlich zugetraut hat.

Meinungen

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