Ostern steht vor der Tür! Daher suchen auch wir Eier – und stellen uns Fragen des Glaubens und des Zweifels. Exklusiv am Ostersonntag mit Cecil B. DeMilles „Die Zehn Gebote“.

Cecil B. DeMille bewegt sich in seiner letzten (kompletten) Regiearbeit „Die Zehn Gebote“ inszenatorisch zwar weiterhin auf den biederen und archaischen Pfaden des Stummfilms, bei welchem er 1923 schon denselben Stoff verfilmte, und treibt seine Charaktere daher hauptsächlich mit theatralischen Totalen und Gesten an. DeMilles Auge mag es dabei auch an Inspiration fehlen – oftmals ist sein Einsatz von Massenszenen, göttlichen Wundern und Bluescreen-Kompositionen unschwer als sensationalistisch zu enttarnen. Dennoch verleiht er der wortwörtlich epischen Geschichte vom Erlöser Moses trotz knapp vier Stunden Laufzeit eine erbauende, simplifizierte Kohärenz, welche sich von monumentalen Größenordnungen in Ausstattung, Menschenmassen und Effekten eindrucksvoll untermauern lässt.

Als präziser Vermittler einfacher Worte und menschlicher Werte (Stichwort: „Lass mein Volk ziehen!“), basierend auf der Erzählung aus dem alten Testament, sorgt er fern jeder Sperrigkeit dafür, dass sein Werk bis zum heutigen Tage einfach und kraftvoll nachwirkt. Schon zu Anfang verdichtet er sich deshalb auf ikonische Bilder: Die Hebräer werden von den Ägyptern als Sklaven unterdrückt und geschunden – aus ihrer Mitte entspringt der adoptierte Pharaonen-Sohn Moses (Charlton Heston), der seine wahre, hebräische Herkunft trotz später Offenbarung ohne Schande anerkennt, so empathisch er doch gegen Ungerechtigkeit einsteht. Eine Befreierfigur der Güte und Barmherzigkeit – das kommt an, selbst heutzutage in der variierten Form eines „Superman“. Dass Moses zudem gegen Sklaverei vorgeht und sich freiwillig seinem Volk im Leiden anschließt, festigt den Gerechtigkeitssinn und die Sympathie des Zuschauers noch stärker. Darauf folgt ein Exil in die Wüste, wo er nach einem unendlich scheinenden Opfergang seiner zukünftigen Frau Sephora begegnet und später auch Gott in Form eines ewig brennenden Busches. Mit Moses’ Hilfe will dieser nun die Befreiung des jüdischen Volkes aus ägyptischer Sklaverei fördern. Doch Pharao Ramses (Yul Brynner) bleibt stur. Wie so oft im alten Testament spüren die Menschen fortan den Zorn Gottes, welcher Plagen, Mirakel und die Pest über sie erlegt, damit anhand übernatürlicher Erpressung Gerechtigkeit herrschen kann.

Wie die Geschichte zu Ende geht, ist allseits bekannt, bestärkt aber nochmals die Notwendigkeit von Gesetzen und Gottesehrfurcht trotz seliger Freiheit bei denen, die sie erhalten haben. Dahinter steht natürlich wie bei jeder Religion ein unterwürfiges Zeichen der Furcht und Abhängigkeit. Im Grunde ist es aber vorerst nur eine Erziehungsmaßnahme, um zu verhindern, dass man sich gegenseitig das antut, was die Sklaventreiber Jahrhunderte lang schon an einem verbrochen haben. Der Drang nach menschlicher Tugend und Bescheidenheit stellt im Rahmen dieser Geschichte den richtigen Weg dar und DeMille verlässt sich bei seinem Film ebenso auf die Vorteile dieser Einigung, in gleichsam oberflächlicher wie auch opulenter Präsenz. Er scheut auch nicht vor der Darstellung von Tod und Verderben zurück, um dem Zorn Gottes ein Gesicht zu verleihen, verdient sich diese visuelle Drastik aber durch das Leidenszeugnis seiner jüdischen Unterdrückten. Dieser Zusammenhang bildet eine einfache Einheit und bedarf keiner gestalterischen oder gar dramaturgischen Finesse. Da die Bilder und Handlungen in ihrer Direktheit ohnehin glänzend verständlich bleiben, besitzen sie eine Funktionalität, welche gerade in den offenen Kameraeinstellungen perfekt zur Geltung kommt. Das gilt auch, wenn Massen an Schauwerten die biblische Leinwand erfüllen: Der Überblick reicht vielleicht nicht unbedingt für einen Körperkontakt zum Geschehen, wenn doch ein beeindrucktes Auge auf die Ausmaße.

So erschafft DeMille einen durchgehenden Unterhaltungsfaktor: Mit einfachen, aber verständlichen Mitteln schreitet er voran, behilft sich funktionaler Charaktere und Motivationen und schöpft aus den Umständen der Vorlage ein launiges Spektakel. Dieses fühlt sich vordergründig dem Gerechtigkeitssinn verpflichtet, setzt aber auch auf eskapistische Action. Er stellt damit einen publikumswirksamen Vorreiter des Blockbuster-Kinos dar, der mit handwerklicher Effizienz und Spielspaß die Gunst des Publikums auf sich zieht. Das beschwört nur bedingt die thematischen Kräfte und Implikationen des Stoffes herauf und besitzt mitunter keine besonders distinktive Handschrift, macht als Film aber dennoch eine spannend-reizvolle Figur. Das spricht wohl auch eher für die Geschichte an sich – sehenswert bleibt DeMilles Film dennoch.

Meinungen

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