Richard Donners „Superman“ bildet den Auftakt unserer Ode an die Hüter der Menschlichkeit – so außerirdisch sie manchmal auch sein mögen. Ein Hoch auf die Superhelden!
Gene Hackman spielt den personifizierten Schrecken, einen, wie er sich zu betiteln bevorzugt, „Jahrhundertverbrecher“ mit einem „Jahrhundertplan“. Hackman ist Lex Luthor – und während Hackman diesen Lex Luthor dämonisch-heiter und diebisch-hinterhältig aufs Korn nimmt, scheitert Lex Luthor schlussendlich an der Selbstverliebtheit seines Plans; eines Plans, der von einem Mann ausgetüftelt wurde, dessen Stolz darauf hinweist, wie maßlos glücklich man sein kann, wenn man einen Intelligenzquotienten von 200 hat und die anderen unbelehrbar doof sind. Luther wohnt metertief unter der Erde in der Nähe eines U-Bahn-Schachtes, besitzt einen (Steinbruch-)Swimmingpool, verfügt über allerlei geheime, in die Felswände installierte Apparaturen für unliebsame Eindringlinge und wohnt einigermaßen majestätisch dem feudalen Leben erlauchter Thronherrscher nach, wenn nicht seine beiden ihn lähmenden Gehilfen wären: ein fetter Trottel (Ned Beatty) und eine begriffsstutzige Milchkuh (Valerie Perrine).
Weiß ins Auge stechende Deckenlampen, detailobsessiv angeordnete Bücherregale, Schmuck, Gold – alles glitzert, illusioniert, alles manipuliert und wirkt bakterienfrei in dieser Welt des Lex Luthor, in der man sich verlieren kann; ein artifizieller Traum an Prunkpalast, ein technizistischer Traum an Kulisse, der Luthors von Täuschungen und Selbsttäuschungen infizierten Sachverstand in greifbaren Objekten ausdrückt. Wozu dieses Palais des kultivierteren Lebensstils fähig sein kann, beginnt mit denen der Öffentlichkeit offenbarten Fähigkeiten Supermans Gestalt anzunehmen. Luthor freut sich auf Superman (Christopher Reeve), denn ein Jahrhundertplan verlangt einen Gegner, einen „Jahrhundertgegner“. Um Supermans Gerüchten zufolge unzerstörbare Widerstandsfähigkeit auszutesten, konfrontiert er den fliegenden Helden in einer der pointiertesten Szenen mit Blei, Feuer und Eis – und blickt jedes Mal betrübt drein, wenn Superman jede Falle ohne Kratzer übersteht und als makellos geschminktes Model kess weitermarschiert.
Da „Superman“ sich als Comicverfilmung versteht, muss das Gute zwangsläufig gegen das Böse siegreich sein, und am Ende durchkreuzt Superman (natürlich!) den scheinbar wasserdichten Masterplan Luthors; tötet ihn aber nicht, sondern fliegt ihn brav ins Gefängnis, wodurch die Verfilmung des für propagandistische Zwecke missbrauchten Superhelden von einst zur Fantasie kindlicher Unschuld und träumerischem Frieden mutiert: Nahezu keiner wird in diesem Film getötet, die Polizei ist (bis zu diesem Zeitpunkt noch) nicht der Korruption verfallen, wartet gar am Straßenrand auf potenzielle Einbrecher und das Rechtssystem funktioniert selbst bei Superverbrechern.
Was „Superman“ so schön macht, liegt folgerichtig im Fiktionalen und Erfinderischen einer weitgehend heilen Welt begraben. Jahrzehnte vor Christopher Nolans im stählernen Realismus verwurzelten „Batman“-Adaptionen war Richard Donner nicht daran interessiert, den stahlorganischen, mit unmenschlichen Kräften ausgestatteten Idealisten zwingend dem tagesaktuellen Diskurs zu verschreiben. Donner stellt Superman in eine Welt neben der unsrigen, die charmant ihren Abläufen nachgeht und doch einen Retter braucht; eine Welt, die sympathisch ist, ohne verunreinigt zu sein, weil sie frei erscheint. Metropolis würde sich nie darum kümmern, ob Superman bestehende Regeln verletzt und dabei seiner eigenen Definition der Selbstjustiz frönt. Eine naive Comicverfilmung geht auf das Konto Donners, nach der man sich schlicht erweckt fühlt, ein Abenteuer, ein Abtauchen in andere Gesetzmäßigkeiten, zweieinhalb Stunden Wolkenfliegerei.
Superman passt vorzüglich in diesen Planeten und führt zudem die religiöse Metapher des Jesuskindes herbei, nackt abzustürzen und aufzutauchen; das niemals lügen, die Menschlichkeit der Unmenschlichkeit vorziehen und sich in den Dienst der Menschheit stellen will, um sie dank Supermans anatomischer Beschaffenheit zu beschützen und ihr die Zukunft zu weisen. Unter der epochal-lärmend Zirkusmagie versprühenden Superhelden-Ode von John Williams entmystifiziert Donner das makellose Leben einer unangreifbaren Ikone, indem er Superman zwei Identitäten auf den Leib schreibt, die diametral auseinanderlaufen und ihm nicht selten den Zugang zu sozialer Bindung versperren. Wo Superman mitsamt Umhang und großem „S“ auf der hauteng eingebundenen Brust jene männlichen Attribute überhöht, mit denen Frauen geködert werden, stolpert die gesellschaftlich eingebundene Identität wie ein eingeschüchterter Trottel, einschließlich Hornbrille und idiotischem Haarschnitt, durch das Leben und versucht sich an eine Frau (niedlich: Margot Kidder) heranzupirschen, die er als Superman längst um den Finger gewickelt zu haben scheint, aber nicht haben darf.
Wie der Film eben jene Beziehung zwischen der Journalistin, die paradoxerweise leichte Rechtschreibschwächen aufweist, und dem Menschenretter anhand kurzer und langer Berührungen, ebenso wie mit gewollten, aber vorzeitig abgebrochenen Intimitäten skizziert (ein Kuss zum Beispiel): Das ist innig, das ist verstörend nah an den Figuren. Donner erreicht hierbei einen Spagat im Bereich von atemberaubendem Pathos und leiser Ironie, von Spektakel und Sachlichkeit, von Liebe und Pflicht, der im Sujet nicht viele ähnlich souveräne Nachahmer fand. Apropos leise Ironie: Wenn Superman nicht gerade damit beschäftigt ist, den Leuten zu verklickern, dass er nicht raucht und trinkt, weil er noch fliegen müsse, bettelt er um ikonografische Bewegungen und Situationen – etwa die zerstörte Bahnschiene mit seinem Körper zu vervollständigen oder den Tod seiner geliebten Lois Lane rückgängig zu machen und damit in das Schicksal der Menschen einzugreifen. Das Drehbuch schenkt Superman demnach nicht nur die tragischen, die elegischen Augenblicke archetypischer Ich-Zweifler per se, in denen er mit sich selbst hadert, sondern wo er augenzwinkernd das macht, was er macht. Einfach so!
Donners „Superman“ selbst altert auch nicht, weder sein titeltragender Recke noch die plastischen Spezialeffekte, die aus den Flugkünsten Supermans einige anschauungswürdige Egoperspektiven quer durch das Weiß der Wolken zimmern, an Wolkenkratzern vorbei und in das Blau des Himmels eintauchend, um beispielsweise einen Helikopter vor dem Absturz an einer Hochhauskante zu retten. Zum Schluss entladen sich die Stunts und die Explosionen in einem höllischen Erdbebenfinale, wenn Kalifornien bedroht ist, von brechenden Staudämmen und Plattenverschiebungen hinfort gespült zu werden und Superman die Schäden der Erdkruste reparieren muss. Dies gerät allerdings eine Schippe zu gezwungen, zumal der gelegentlich holprige Szenenschnitt ein Resultat jener Großspurigkeit sein dürfte, die Luthors Verhaftung verschluckt und keinen zusätzlichen Tiefsinn aus dem fatalistischen Widerstreit folgen lässt, die Rettung Lois Lanes in die Umkehr des Schicksals einzubetten.
Fernab der Klassifizierung eines Comicfilms schlummert in „Superman“ außerdem ein sinnliches Melodram und ein futuristischer Science-Fiction-Film; ein buntes Genreabgrasen also, das visuell signifikant voneinander begrenzt wird: Wo das Melodram familiäre Intimität in braun gebrannten Weizenfeldern und ausgedehnten Totalen festhält, in einem Ort uramerikanischer Provinzialität, uramerikanischer Freiheit mit sich drehendem Windrad, übermalt der Film den (gewöhnungsbedürftig ausführlichen) Beginn auf Supermans Heimatplaneten Krypton in chirurgischen Farben, deren unterkühlte Schockstarre lediglich von einem kräftigen Kristallrot unterbrochen wird, wohingegen die Reise ins urbane Metropolis naturalistisch(er) geerdet ist. Drei künstlerische Architekturen, eine gesamtfunktionierende Filmarchitektur, eine kaum begehrenswertere. Man fliegt sich, Superman.
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