Kinderherzen haben ein Faible für Superhelden. Manche von ihnen erfüllen sich sogar ihren Herzenswunsch und übertragen die Vorbilder aus den Comics in die Realität – zumindest bis zu einem gewissen Grad. Ob man sich nun zu Fasching als Lieblingsheld verkleidet oder seine Fantasien mit Spielzeugfiguren oder kleinen Home Movies verwirklicht: Der unschuldige Drang, Übermenschliches leisten zu wollen und Böses bezwingen zu können, besitzt bis heute Allgemeingültigkeit. Mit genau diesem Elan gestaltet der schwedische Regisseur Ask Hasselbalch die Fortsetzung der auf Kinderbüchern basierenden Reihe, „Antboy – Die Rache der Red Fury“, eine entschiedene Kinderfilmvariante vom Schlage Spider-Mans; zwar mit größerem Budget ausgestattet als die Vorstellungskraft junger Fans erreichen kann, doch nicht nur narrativ die stimmige Aufbereitung solch naiver Fantasien. Dabei behilft man sich vieler Versatzstücke des Genres: die Betonung auf den Status des Außenseiters, das Nutzen und Bezweifeln von Superkräften, die Dualität zwischen öffentlicher Wahrnehmung und geheimer Identität, die hilfsbereiten Sidekicks ohne Superkräfte und natürlich die obligatorisch plakativen Bösewichte, vor denen man die Stadt beschützen muss.
Hasselbach und sein Drehbuchautor Anders Ølholm konzentrieren diese Genre-Obligationen jedoch auf den provinziellen Schauplatz Middellund (gespielt von unserem Hamburg), der in seinem gemütlichen Mikrokosmos kein Spektakel verlangt und somit mehr Raum für den kindgerechten Charakteraufbau übrig lässt – was teilweise effektiver wirkt als bei gewissen Blockbuster-Vorbildern. So ist der Alltag unseres dreizehnjährigen Protagonisten Pelle (Oscar Dietz) eher mit kleineren Delikten beschäftigt, ist aber wie auch Peter Parker trotz aller Kräfte schüchtern gegenüber den Mädchen an seiner Schule. Vor allem Kumpanin Ida (Amalie Kruse Jensen) hat es ihm angetan, doch die hat nur Augen für den veganen Öko-Gitarrenfuzzi Christian (Nathan Harrington). Und wenn das nicht schon schlimm genug wäre, kann Pelle nicht mal normal pinkeln gehen, weil er dabei Säure ausstößt. Doch in solchen Situationen kann er sich stets auf seinen erfinderischen Freund und Comicfan Wilhelm (Samuel Ting Graf) verlassen, der immerzu eine neue clevere Erfindung auf dem Kasten hat.
Diese Figurenkonstellation arbeitet in einfachen Dialogen, kann aber dadurch eine emotionale Kohärenz vorweisen, die bei Marvel und DC oftmals unnötig verkompliziert wird. Spannend und herzlich zeigt sich das an der Erzählung rund um Bösewichtin Red Fury. Diese ist nämlich ein junges Mädchen aus Pelles Parallelklasse, ist aber eher der schüchterne Typ, lebt mit ihrem alleinerziehenden Vater im Wohnblock, wird wegen ihrer Brille zur Zielscheibe von Hänseleien und schwärmt für Antboy. Wie gesagt, Kinder und Superhelden: unzertrennlich. Vor allem, wenn dann noch einer in der Gegend wohnt! Deshalb lädt sie ihn nach einer Rettungsaktion seinerseits zum großen Schultanz ein. Da Pelle jedoch mit der Enttäuschung der unerfüllten Liebe für Ida hadert, muss er auch Maria aus dem Weg gehen. Die Blicke, welche diese innere Tragik wortlos darstellen, zeugen von tiefem Verständnis für die Figuren und geben einem als Zuschauer, der sich inzwischen gut in die Kleinen hineinversetzen kann, entsprechenden Herzschmerz mit auf den Weg.
Aus dieser Entsagung gerät der Film aber vielleicht doch etwas schnell zu Marias Entschluss, wie einst Selina Kyle in „Batmans Rückkehr“ zur Nähmaschine zu greifen und anhand eines Unsichtbar-Capes ihres Vaters (Boris Aljinovic) zur Red Fury zu werden, die fortan Pelles Leben als vermeintlicher Poltergeist heimsucht (eine Sequenz mit Pelles Teddy Herr Plüsch dürfte selbst Erwachsenen einen kleinen Schrecken einjagen). Es geht eben nicht immer um die Weltherrschaft oder globale Zerstörung – sondern auch mal um Rache an der unfreiwilligen Demütigung, wie das bei Kindern nun mal ist. Deshalb verbündet sich Maria mit dem städtischen Obermotz, dem Floh (Nicolas Bro), der ihr ihre einstigen Peiniger der Terror-Typen zur Seite stellt, um Antboy den Garaus zu machen. Anhand von genmanipuliertem Pflanzensaft werden diese nämlich zu brutalen Ultraschurken, gegen welche nur die zuckerstarke und aufpowernde Schokolade Pelles etwas ausrichten kann, obwohl der doofe Christian an seiner Schule alle mobilisiert, gegen Tierprodukte zu demonstrieren.
Daher könnte man durchaus eine anti-vegane Tendenz im Film vermuten, doch dafür lebt er zu harmlos vor sich hin, wie er auch sonst Unaufgeregtheit beweist und aufrechten Edelmut in der Tugend des Gerechten sowie in der unbedingten Freundschaftlichkeit thematisiert. Audiovisuell und effekttechnisch wird man deswegen auch nicht gerade überfordert: Die souveräne Gefälligkeit der Inszenierung sieht selbst für einen kontemporären Kinderfilm ab und an etwas fad aus. Ohnehin braucht der Film manchmal eine Weile, um richtig in die Gänge zu kommen. Das verzeiht man ihm jedoch gerne, solange die charakterliche Auflösung ehrlich bleibt und weiterhin den Geist der gutmütigen Superhelden-Fantasie atmet. Und in dem Sinne darf Antboy ruhig noch für einige Teile mehr den Bösewichten das Handwerk legen und mit seinen Freunden das kleine Middellund beschützen.
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