Luigi Cozzis „Herkules“ erweitert unseren Rückblick auf das berüchtigte Werk der Cannon Films – denn nicht umsonst hieß es auf jeder ihrer Videokassetten: „We’re Cannon Films and we’re dynamite!“
Luigi Cozzi erzählt die Sage des tapferen Muskelhelden griechischer Antike, „Herkules“, neu und beginnt dabei schon mit der Erschaffung des gesamten Universums. Scheinbar unabhängig von altbekannter Theologie, aber nicht minder mythisch, entwirft er ein Chaos, aus dem ein Konzil an Gottheiten beim Schachspiel um das Schicksal der jungen Menschheit aus den Sternen heraus eine Saat erschafft, mit der auf Erden eben jener Titelheld geboren und von einer Adoptivfamilie an die nächste gereicht wird. Die Geschichte erinnert nicht unabsichtlich an „Superman“, ferner an Moses. Doch Cozzis Film will sich nicht auf jenen Narrativen ausruhen, sondern probiert die Magie des eskapistischen Filmabenteuers klassischer Schule – mit einem romantisierten, sympathischen Helden am Steuer, der viele Herausforderungen zu meistern hat und seine dabei gefundene Liebe Cassiopea (Ingrid Anderson) mithilfe der Zauberin Circe (Mirella D‘Angelo) aus den Fängen der Bösen, König Minos (William Berger) und Ariadne (Sybil Danning), zu befreien gedenkt. Letztgenannte wollen sie nämlich für die Obermacht des Universums dem Feuergott Phoenix opfern und ohnehin die Weltherrschaft an sich reißen.
Eigentlich eine kinotaugliche Geschichte mit Hang zum Fantasy-Epos – aufgrund des nicht gerade erheblichen Budgets aber eben nur minimal so atemberaubend umgesetzt, wie Cozzi es gerne hätte. Jeder Effekt ist durchschaubar; Sets, Kostüme und Darstellerfundus bewegen sich auf zeitgenössischem Italo-Niveau (Brad Harris und Gianni Garko dürfen mitmischen) und versuchen mehr herunterzuschlucken, als sie überhaupt kauen dürften. Doch das ist natürlich der grundsympathische Mut dieses „Herkules“: Seine Ambitionen sind eben so fantastisch, dass sie durchweg den Rahmen sprengen und dennoch jede Idee, mag sie noch so unfassbar sein, umsetzen. Alleine schon Mammut-Muskel-Paket Lou Ferrigno im Zentrum der Aufmerksamkeit zu haben, macht manche Manöver schon aufregend – doch staunen darf man erst recht, sobald er zahllose Sachen ohne Weiteres ins Weltall schleudern, Sternenbilder erschaffen sowie Fluten heraufbeschwören kann und zudem mithilfe Circes zu gigantischer Größe anwächst und Kontinente zerteilt.
Cozzi kennt da als Regisseur und Drehbuchautor keine Grenzen in seiner Fantasie und erfüllt ganz offensichtlich sein hungriges Kinderherz. Selbst wenn er dafür halbwegs detaillierte Miniaturen, irre Crossfades, funkelnde Lichterketten, klobige Requisiten und mehrschichtige Rückprojektionen braucht: Für 1983 sieht das alles ziemlich mickrig aus, wenn zur selben Zeit der Zauber von ILM in aller Munde ist. Aber auf seinem Level kommt er überraschend gut damit zurecht – auch mit der starken Hilfe des Scores von Pino Donaggio, der jede visuelle Schwäche als filmische Ehrlichkeit ausweisen kann. Ebenso liegt das Gelingen an den knappen Kleidern der Damen-Belegschaft, siehe Sybil Dannings beinahe platzendes Dekolleté und die kleinen Muscheln auf Cassiopeas Busen. Doch bei solchen Geschichten geht nichts über einen nachvollziehbaren Hauptprotagonisten. Und obwohl Ferrigno mimisch nicht gerade überfordert wird, ist seine Präsenz in den entscheidenden Momenten von purem Charme.
Denn wenn es um die Ehre und Liebe der Frauen geht, ist Herkules voll bei der Sache und führt zu zornig belebenden Kämpfen mit den Vertretern des Bösen – ein kosmischer Faustkampf, der in diesem Film seit jeher auf die ultimative Entscheidung wartet. Cozzi zieht dabei einige wahrlich psychedelische Szenarien voll abwegiger Bilder aus dem Hut – unter anderem interstellar teleportierende Menschen, Eier mit drei unterschiedlich temperierten Barrieren, welche Talismane in sich aufbewahren, oder eine Hölle, welche über einen Regenbogen überquert werden muss. Cozzis Interpretation der Sage beherbergt einen durchgehenden Wahnsinn jenseits narrativer Sinnigkeit, würde mit heutiger Tricktechnik aber durchaus für Aussehen sorgen – so oder so nicht ganz normal, auf erfrischende Weise.
Kein Wunder, dass König Minos als erklärter Wissenschaftler seiner Zeit der große Antagonist des Films wird, welcher versucht, in der universellen Ära des Chaos – aus dem die Welt und eben solche verrückten Schönheiten ja erst entstehen – die tyrannische Führung zu erlangen. Cozzi und sein grenzenloser Herkules aus buntem Zelluloid stellen sich ihm mit dringlichem Eigensinn entgegen und schöpfen sich selbst mit den geringsten Mitteln für den idealistischen Sieg vollkommen aus. „Herkules“ ist damit ein lustvolles Geschöpf aus den Weiten des naiven Jungskinos, nicht allzu oft geschickt oder wirklich dynamisch, aber eben doch eine herzliche Angelegenheit auf den Spuren des Blockbusters.
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