Knapp sieben Jahre hat sich Regisseur Alex Proyas Zeit gelassen, um mit „Gods of Egypt“ zurück ins Kino zu kommen, obwohl sich die inhaltliche Spannweite bis zu seinen Anfängen zurückverfolgen lässt. Dick aufgetragen wie eh und je bestimmen Liebe, Kampf, Übernatürliches und Fantastisches sowie der letztliche Optimismus in Apokalypse und Dystopie die Richtung in seinem neuesten Effektspektakel. Mit Feingefühl kann er weiterhin nicht punkten – doch sein Hang zur exaltierten Fantasie könnte gewinnend an vorderster Stelle stehen, wäre das darum aufgebaute Narrativ keine Konstruktion des Konventionellen. Geprägt von der optischen Stangenware Hollywoods läuft das in digitaler Berechnung aufgebaute Ägypten vergangener Jahrhunderte hier für circa zwei Stunden glatt herunter und bietet blasse Protagonisten der sterblichen Fraktion auf, deren Etablierung und Involvierung nach Studio forcierter Formalität riecht.

Ganz gleich, ob jene Rollen nun von Einheimischen verkörpert worden wären (der energischste Kritikpunkt im US-amerikanischen Pressespiegel), macht Bek (Brenton Thwaites) als Aladin-Emulation eher von unfassbaren Parkour-Skills Gebrauch denn von überzeugender Charakterstärke. Ebenso ergeht es seiner Freundin Zaya (Courtney Eaton), die als holde Maid Werkzeug des Plots wird, sobald ihre Rettung aus dem Totenreich die zentrale Motivation Beks wird – ansonsten hat sie als Ideal ohne Persönlichkeit lediglich den Glauben, „ein schönes Lächeln“ und die Unnachgiebigkeit der Liebe inne. Es passt durchaus wie angegossen, dass jene kleinen Lichter dem Bombast der Götter nur wenig entgegen bieten können; und auch wenn sie eine kindliche Naivität vorantreiben, macht es ihre Existenz nicht weniger überflüssig. Proyas mangelt es an Konsequenz, ehe er wie Luigi Cozzi und dessen „Herkules“ in die ungestüme Palette des Eskapismus greift. Ganz unähnlich sind sich die Herren aber nicht, wenn sie voller Wahnwitz Realitätsverständnis und Mythologie zugleich durchkreuzen.

Es wird also nicht an irren Eindrücken gespart, sobald Horus (Nikolaj Coster-Waldau) und Set (Gerard Butler) als göttlich gigantische Brüder über das Land blicken, sich zum Kampf in metallene Tierwesen verwandeln und dabei Gold bluten. Im Zwietracht der Mächte werden zudem leuchtende Augen aus Schädeln gedrückt, sich aus dem Nichts drehende Wächter der Hölle herbeigerufen – oder es wird Großvater Ra (Geoffrey Rush) besucht, der im Raumschiff über der Erde (hier als Scheibe!) gondelt; Laserzepter inklusive. Die Abgefahrenheit ist derart geballt, dass selbst die heutige Computermaschinerie an ihre Grenzen stößt und teils eigentlich peinliche Ergebnisse zum traditionellen Sandalenabenteuer hinzugibt. Jene Versuche der Größe – und die Offenheit des Scheiterns – machen allerdings den größten Charme des Films aus, der im Modus permanenten Chargierens selbst einen Anti-Sympathen wie Gerard Butler mit Unterhaltungspotenzial anfüttert – seinen eigenen bis zum Himmel reichenden Phallus-Turm erhält er sowieso.

Innerhalb der zelebrierten Stumpfheit beharrt „Gods of Egypt“ jedoch auf einem mühsamen Erzählkino, das in moderner Fantasy leider zur Gewohnheit geworden ist; selbst wenn Bek und Horus als ungleiches Paar einige wilde Aufgaben zu bestehen haben, deren Auswüchse aber nur wenig Gefahr abseits der FSK-12-Grenze ergeben. Tatsächlich geht dort einiges an Zauber verloren – dennoch gelingen Proyas im Kontrast einige Momente der Grazie, die sich vor allem auf die Liebe aller beziehen; laut Film stärker als jede Gottheit im Universum („Interstellar“ lässt grüßen). Ob Bek nun mithilfe der Liebesgöttin Hathor Kontakt zu Zaya im Jenseits hält oder Horus gleichsam eben nicht von Hathor lassen kann, obgleich er sich im Zuge der Verbannung vonseiten Sets als emotional kalt gegeben hat: Die Konstante des Herzens pocht dem Film aufrichtigen Kitsch ein, der für Proyas bereits in der Goth-Romantik eines „The Crow“ begann und auch hier seine Bewährung vor Himmel und Hölle findet.

Die Abgrenzung des Intimen vom Weltlichen war schon in „Dark City“ und „Knowing“ ein klarer Verweis Proyas’ auf seine Verehrung der leicht morbiden Fantasie. Ebenso fantastisch, quasi Deus ex deus, bietet er sodann die Verbrüderung von Gott und Mensch an, um gemeinsam die Realität der Sterblichkeit zu unterwandern. Blanke Ironie also, dass sich Horus für jene Erkenntnis während einer temporären Blindheit stärken muss, um den Zuschauer letztendlich blind in die Grundnaivität des Kinos fallen lassen zu wollen. Für manche Schwächen von „Gods of Egypt“ braucht man allerdings mehr, um diese eventuell übersehen zu wollen – schließlich ist seine Anbiederung ans Normale die Quelle seines Scheiterns, nicht aber das Scheitern am Normalen selbst.

Meinungen

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