Die künstlerischen Köpfe hinter „Jupiter Ascending“ waren mal wer. Zuerst ruderten Andy und Larry als The Wachowski Brothers mit den originellen Zukunftsvisionen ihres „Matrix“-Flaggschiffs zum Erfolg. Darauf folgten finanzielle (nicht unbedingt künstlerische) Misserfolge wie „Speed Racer“ und „Cloud Atlas“ sowie eine Geschlechtsumwandlung Larrys, fortan Lana genannt. Die Brothers ließen sich deshalb ein Starship als Anhängsel verpassen – doch so viel Eigenständigkeit wird ihnen für ihre neueste Kreation nicht erteilt, firmieren sie hier doch schlicht als The Wachowskis. Dies dürfte den geneigten Zuschauer schon in etwa darauf vorbereiten, inwiefern ihre Handschrift vorhanden ist, aber in der selbst auferlegten Gleichschaltung untergeht. So hat sich das kreative Gespann – scheinbar aus Missmut nach einer Reihe von ambitionierten Flops – dazu entschlossen, sein Gespür für bizarres Worldbuilding einem dramatisch einfallslosen Space-Opera-Prozedere unterzuordnen.

Der Einfachheit halber werden narrative Erwartungen am laufenden Band abgefertigt und möglichst viele Elemente eines gängigen Blockbusters forciert. Per Voice-over-Exposition macht sich die weibliche Bezugsperson für den Zuschauer bemerkbar: Jupiter Jones (Mila Kunis) gibt mit Selbstironie die nach den Sternen sehnende Schönheit aus einer Immigranten-Familie. Früh aufstehen ist da schon ein universeller Graus. Und wenn am Essenstisch mit der Sippe schon die Fetzen fliegen, ist der Glaube an die Liebe laut eigener Aussage so weit erlischt, dass man die eigenen Eierstöcke für ein Teleskop verkauft. Klingt komisch, ist aber hastige Etablierung einer Protagonistin, welche den folgenden romantischen Eskapismus motivieren soll: Von einem weit entfernten Planeten aus plant der berüchtigte Abrasax-Klan nämlich die ultimative Machtübernahme, um ihr theoretisches Eigentum, die Erde, an sich zu reißen.

Schließlich dient ihnen der Mensch seit jeher als in Massen abgefertigte Rohstoffquelle (siehe „Matrix“), da sich aus ihm Verjüngungskuren fürs Regime produzieren lassen. Hier ist dieses Mal Zeit die wichtigste Konstante im Universum – eine Phrase, die genauso explizit und austauschbar dahergeredet wird, wie Hollywood es dem mutmaßlichen IQ seines Publikums zugesteht. Dagegen stinkt allerdings das rechtmäßige Erbe Jupiters an, deren unerwartetes Schicksal als Erlöserin ein kunterbuntes Abenteuer der Galaxien aus dem Alltagstrott heraus provoziert (siehe „Krieg der Sterne“). Was könnte das naive Mächteringen vom kosmischen Groschenroman dann noch stimmiger komplettieren, als die selbstverständliche Romanze zu einem wahren Exoten von Mann? Wie es „Twilight“ und Konsorten schon vorgemacht haben, kommt der Retter des Östrogens mit nacktem Oberkörper und flamboyantem Make-up vorbei, hier verkörpert durch Halb-Hund und Halb-Sternenkrieger (siehe „Spaceballs“) Caine (Channing Tatum). Jupiter verfällt schnell seinen fliegenden Rollschuhen und Eyeliner-Blicken, repräsentiert er mit seinem abenteuerlichen Elan und Respekt vor ihrer Majestät doch ein Heldenideal für die weibliche Zielgruppe, das zum Schwärmen einladen soll.

Mila Kunis sollte es aber besser wissen, gab sie dieses bewährte Prinzip schon im diesjährigen „Annie“ der Parodie preis. Da man hier aber auch an männliche Reizpunkte zu gedenken versucht, knallt Caine mit seiner Braut quasi sofort durch die inzwischen prädestinierte Sci-Fi-Action-Stadt Chicago durch; liefert sich fortan in geregelten Abständen Lasergefechte und Raumschiffschlachten, auf dass der triviale Popcorn-Thrill erfüllt wird. Viel Lärm, doch nix dahinter: Während die Wachowskis ihr Spektakel anhand von urigen Kostümen und Produktionsdesigns definieren, verkommt ihr buntes Ensemble ironischerweise zu undefinierten Einsilbigkeiten. Die Dekoration mit Rollenmodellen mag in den Details neue Kleider tragen, doch deckt sie kaum die an den Fingern abzählbare Klischee-Sammlung derartig ab, als dass womöglich noch ein gewisser Charme erblüht. Da kann man sich nur in unfreiwilliges Blödeln hineinretten, wenn die Unterhaltung gen Schnarchphase driftet, Overacting und Overkill jedoch besonders unbeholfen Hand in Hand gehen.

Allen voran Eddie Redmayne überzeugt mit einer lustlosen Darstellung seines Bösewichts, als wäre er ein gestandener Veteran im Filmgeschäft. Viel mehr Leben kann er aber ebenso wenig einhauchen, wie die inszenatorisch sauberen, doch zunehmend undifferenzierten Action-Szenarien, bei denen in letzter Sekunde immer noch jemand zur Rettung eilt und kindgerechte Gefahrensituationen (Marke Samstagvormittagsprogramm) auflöst. Lediglich ein kurzer Auftritt von niemand Geringerem als Terry Gilliam schafft quasi in Eigenregie eine lebhafte Sequenz „Brazil“ianischer Bürokratie. Darin herrscht er über einen Apparat, der verschroben ausschaut, aber letzten Endes bloß seine Funktion zu erfüllen hat. Lana und Andy Wachowski gestehen damit auch ihrem eigenen Film symbolhaft eine Demut und Wertfreiheit ein, die dem Schatten wahrer Kreativität hinterher eifert. Dass jemand wie Gilliam dafür vielleicht nicht das beste Vorbild abgibt, haben sie aber wohl noch nicht eingesehen. Denn egal, wie man zu dessen oft missachteten und abwegigen Werken steht: Dem Konsens hat er sich nie so matt ergeben wie die Wachowskis mit diesem konventionellen Genre-Kitsch.

Meinungen

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