Mit der Neubelebung des „Star Trek“-Universums durch J. J. Abrams manifestierte sich in den Jahren nach 2009 eine neue Hysteriewelle des einst (filmisch) für tot geglaubten Massenprodukts. Denn Abrams gelang es dank ausufernder Action, charismatischen Schauspielern und Hollywood-typischer Effektgewitter eine neue Fangemeinde aufzubauen, die dem Franchise die Möglichkeit gab, sich zu reanimieren. Unter dem bekannten Fortsetzungsschema des „Höher-Schneller-Weiter“-Prinzips setzt „Star Trek Into Darkness“ genau dort an, wo der erste Teil aufhörte: monotone Musik, dieselbe künstliche Optik und die ebenso übertrieben ausufernde Erzählweise. J. J. Abrams geht keine neuen Wege und stagniert genauso unaufgeregt auf seinem Karrierehöhepunkt, wie er ihn erklomm.
Nach dem ersten großen Abenteuer der Mannschaft der Enterprise gelang es Jungspund James Tiberius Kirk (Chris Pine) Captain des gigantischen Raumschiffes zu werden. Doch nach einem Einsatz auf dem Planeten Nibiru übertrat Kirk die Vorschriften seiner Position und gab die Identität der Enterprise auf, indem er Spock (Zachary Quinto) vor einem detonierenden Vulkan rettete. Als Ursache daraus wurde Kirk zum Ersten Offizier degradiert und Spock auf ein anderes Schiff versetzt. Nach einem Angriff auf das Archiv in London und einem Attentat auf verschiedene Kapitäne und Offiziere ist Kirk jedoch wieder gezwungen als Captain der Enterprise zu agieren und den Mörder John Harrison (Benedict Cumberbatch) zu fangen.
Während sich Pine und Quinto weiterhin damit abmühen ihren Charakteren Leben einzuhauchen, ist es allein Benedict Cumberbatch, der sich der Diabolik des Charakters John Harrison bewusst ist. Dem Drehbuch selbst scheint dies dagegen nicht klar zu sein, denn wenn Harrison sämtliche übernatürlichen Fähigkeiten attestiert werden – er mit „Superblut“ ausgestattet und scheinbar nicht zu töten ist – spüren wir davon zu keiner Zeit etwas. Obgleich es dem herausragenden Cumberbatch gelingt jeden mit seinen Blicken in den Boden zu stampfen, bleibt der Charakter dennoch fern. Seine Intentionen werden von fadenscheiniger Liebe legitimiert, die im Drehbuch kläglich suggerierten Abgründe im Film wohlwollend haseliert. Zu offensichtlich auf cool getrimmt, agiert Harrison als Oberbösewicht mit verschiedenen Absichten, deren Hintergründe zu kaltschnäuzig ad absurdum geführt werden, um als Antagonist wirklich die Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihm gegeben sind.
Die weibliche Sektion des vordergründig fast nur von Männern dominierten Franchise versucht sich durch das Einführen eines weiteren weiblichen Charakters zu emanzipieren. Schon Uhura assimilierte im ersten Teil den weiblichen Gegenpart der durchwegs männlichen Crew. Die nun eingeführte Carol Marcus offenbart sich als falsch eingeschätztes Gimmick des Protagonisten. Zwar wird ihnen keine Liaison angedichtet, die sexuelle Spannung und Vergangenheit allerdings werden allgegenwärtig miteinander verknüpft. Doch da der Charakter einen eigentlich relevanten Punkt in der Geschichte spielen soll, ist es umso erstaunlicher, dass sie letztendlich nur daraus besteht, sich einmal halb nackt zu präsentieren. Denn die eigentlich mögliche Verwicklung, die den Twist neu anfeuern könnte, ist abschließend nur so prätentiös offensichtlich, wie der Charakter selbst.
„Star Trek Into Darkness“ behandelt explizit den allgegenwärtigen Terrorismus und verknüpft Realität mit Fiktion deutlich einprägsamer als es der Vorgänger tat. Dies verschachtelt den Film aber nicht positiv, sondern verzwickt das Ganze zu einem politischen Abziehbild ohne jegliche Brisanz. Denn der Antagonist erscheint durchwegs als romantisierte Version eines bösen und verkitschten Außenseiters, dem der nötige Effet fehlt, um den politischen Kontext zu stützen. Denn trotz der Gefahr, die die Crew älter und erwachsener werden lässt und sie vor wichtige Entscheidungen zwischen Leben und Tod stellt, sind die Charaktere noch immer langweilige und vor allem verspielte Helden, die die Nerds des Fandoms ansprechen sollen, aber eine filmische Überzeugung weit entfernt hinter sich lässt. Selbst der berechnende Spock lässt sich letztendlich von seinen Gefühlen so weit leiten, dass er der Held des Films wird und die kühle Fassade als Problem darstellt – nicht als Hilfe. Abrams kratzt erfolglos an der Oberfläche, hat zudem deutlich Angst das politisch-brisante Terrain zu betreten und macht aus der Idee ein glorifiziertes Non-Stop-Action-Abenteuer.
Benedict Cumberbatch ist wie erwartet das Aushängeschild des Films. Dem Mann gelingt es ohne Probleme jede Szene, in der er auftritt, zu dominieren. Da werden Pine und Quinto zu lächerlichen Austausch-Schauspielern, die vor Demut nur auf dem Boden kriechen können. Während Cumberbatch einen Großteil seiner Laufzeit hinter einer Glaswand sitzt und allein durch Stimme und Mimik bestechen kann, stehen den Protagonisten eigentlich alle Möglichkeiten offen, sich frei von Zwängen zu beweisen. Doch Cumberbatchs tiefe Stimme bannt den Zuschauer an das Geschehen, lässt es vollkommen verschwimmen und gebietet sich schließlich selbst als einzig erfolgreicher Effekt des Films. Dennoch wirkt die Kaltschnäuzigkeit von Harrison ausnahmslos aufgesetzt. Denn während er sich eloquent vom Rest der Charaktere abhebt, ist er der Einzige mit einer kitschigen Legitimation seiner Taten, die ihm die meiste Ernsthaftigkeit raubt. Der Rest der Mannschaft bleibt genauso austauschbar wie zuvor – obwohl es auch Pine weiterhin gelingt, sympathisch zu sein und Quinto interessant erscheint, sind sie im Angesicht der neu eingeführten Charaktere belanglos. Simon Pegg demonstriert zwar nerdigen Charme und kann unter Umständen auch der heimliche Held des Films sein, doch das Drehbuch lässt ihn immer wieder ins Lächerliche abgleiten und macht aus Scotty den allzu typischen Trottel.
Während sich Abrams offenkundig von bekannten Vertretern des modernen Kinos inspirieren lässt und besonders zu „Skyfall“ in puncto Antagonist mehr als deutliche Parallelen schlägt, gelingt es Abrams aber nie wirklich eigene Akzente zu setzen. Die Hauptgeschichte um die Ergreifung von Harrison bekommt einen frühen Dämpfer, sodass der Antagonist bald ein Mitglied der Geschichte wird und nicht weiter der mysteriöse Attentäter ist, dessen Taten so eigenartig wie auch fremd erscheinen. Sogar die Wendung aus den eigenen Reihen ist haarsträubender Unfug, um die Geschichte interessanter zu gestalten, lenkt den Blick aber nur von dem eigentlichen Geschehen ab und verführt Harrison als Mittel zum Zweck. Ähnlich wie es Nero im ersten Teil der neuen Saga war, ist auch Harrison – obgleich mit deutlich mehr Potenzial ausgestattet –, nur eine Begleiterscheinung um die Helden weiterhin heldenhaft sein zu lassen.
Obwohl Abrams eigentlich der geborene Inszenator fantastischer Geschichten ist, setzt er wiederholt auf den mittlerweile so berühmt wie nervtötend gewordenen Lens-Flare-Overkill als optisches Aushängeschild des Films und eine plastische Darstellung des Weltraums. Anstatt die schwarze Endlosigkeit in beengender Form weiterzuführen und die Charaktere diese Hilflosigkeit spüren zu lassen, die sie ohne die schützenden Mauern des Raumschiffes hätten, macht Abrams aus dem All ein zweites Zuhause. Selbst in der Szene, in der Harrison und Kirk sich orientierungslos durch ein Meteoritenfeld schlagen müssen, kommt keine bedrohliche Stimmung auf. „Star Trek Into Darkness“ ist heldenhafter Kitsch, der zu sehr darauf aus ist, sich anzubiedern und verschenkt dadurch wieder alle Möglichkeiten. Ein Film, genauso abstoßend dem Selbstzweck verfallen wie auch durchgehend durchschnittlich. Obwohl Benedict Cumberbatch ein schlagkräftiges Argument liefert, bleibt der Rest eine Suppe aus Einfallslosigkeit. Dass Abrams dem dritten Teil der Saga vorerst abzuschwören scheint und stattdessen einer anderen Weltraumgeschichte zusagt, ist ein Segen für das eine Franchise und ein vermutliches Todesurteil für das andere.
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