Es ist eine Neueinweisung des Franchise – und dennoch fühlt sich diese alles andere als rund an. In Fankreisen wird der Originalgeschichte immer eine sehr atmosphärische und sich dem Gesamtbild einfügende Bezeichnung attestiert, doch J. J. Abrams Herangehensweise unterscheidet sich von dieser paraphrasierten Darstellung enorm: Krawall und Action bestimmen nach den ersten Bildern den Film. Und der letztendliche Output unterstützt vorherige Befürchtungen, denn „Star Trek“ ist vor allem eines: stupides Actionkino.
Nachdem ein romulanisches Raumschiff das Förderationsschiff USS Kelvin angreift, rettet der baldige junge Vater George Kirk (Chris Hemsworth) unter großem Heldenmut die gesamte Besetzung. Dessen Sohn James Tiberius Kirk (Chris Pine) wächst als rebellischer Teenager auf und wird nach einer Kneipenschlägerei durch Captain Christopher Pike (Bruce Greenwood) ermutigt dem heldenhaften Vorbild seines Vaters zu folgen und in die Sternenflotte einzutreten. Nach anfänglichen Widerwillen beugt er sich dem Willen und tritt bei. Einige Jahre später gelangen Kirk und der Vulkanier Spock (Zachary Quinto) gemeinsam auf die Enterprise und werden mit dem bösen Nero (Eric Bana) konfrontiert, der es auf die Heimat Spocks abgesehen hat und den Planeten Vulkan zerstören will. Daraus resultieren ungeahnte Ereignisse, die Spock und Kirk immer fester zusammenschweißen und eine weitere Konfrontation mit Nero unmöglich machen.
Was sich nach einer 08/15-Geschichte anhört ist auch eine: weder Originalität noch Kreativität lässt sich Abrams in seiner zweiten Spielfilm-Regie zugutekommen und stürzt eine der bekanntesten Sci-Fi-Geschichten in den noch tieferen Abgrund. Schon viele Jahre galt das „Star Trek“-Franchise als verloren. Die Ergebnisse des 21. Jahrhunderts sind überschaubar und vor allem kommerziell ein Rückschlag für die Produzenten: „Star Trek: Nemesis“ aus dem Jahr 2002 war ein filmischer Totalausfall und auch die bis dato fünfte Fernsehserie „Star Trek: Enterprise“ wurde schon nach vier Staffeln aufgrund zu niedriger Quoten abgesetzt. Trotz der schlechten Rezeption begannen die Macher sehr früh ein neues Konzept für einen weiteren Film zu erstellen.
Als Regisseur wurde der Neuling J. J. Abrams ausgewählt, der mit seiner ersten Regiearbeit „Mission: Impossible III“ ein souveränes Debüt gab und eigentlich qualifiziert zu sein schien. Doch im Endprodukt erkennt man die Distanz, die Abrams zum Stoff des weitläufigen „Star Trek“-Universums aufbaut. Zwar setzt er auf eine korrekte Darstellung des gesamten Kosmos, zelebriert aber eine sich dem heutigen Mainstream anbiedernde und qualitätsverschwendende Auseinandersetzung mit dem Science-Fiction-Genre. Seit Jahren ist dieses Genre nur eine Abhandlung bekannter Motive, deren Darstellung jegliche Ambitionen missen lässt. Vergessen sind Zeiten, in denen Ausnahmefilme wie die „Alien“-Reihe, „Blade Runner“ oder „Solaris“ die Kinoleinwände mit ihren Zukunftsvisionen neu definierten. „Star Trek“ definiert sich indes nur durch ein katastrophal uninspiriertes Drehbuch. Die Drehbuchautoren Roberto Orci, Alex Kurtzman, Damon Lindelof und Bryan Burk entwickelten mit Abrams zusammen über ein Jahr das Drehbuch und kamen selbst durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Stoff nur zu einem Gestrüpp dekonstruktiver Genreelemente, zusammengesetzt aus billigen Phrasen des Coming-of-Age-Films und der Komödie. Es scheint fast so, als hätte jeder einmal einen Satz hinzusetzen dürfen, um sich so die Geschichte des Films zusammen klauben zu können. Denn das Ganze wirkt so endlos fragmentarisch und gelangweilt, dass die eigentliche Intention – die Neuentwicklung eines ganzen Universums – vollkommen am Zuschauer vorbeirast, ohne Bezug zu den Charakteren und der Handlung aufzubauen.
Der Antagonist Nero ist ein Abziehbild eines Bösewichtes und in keinem Fall sonderlich bedrohlich. Seine Darstellung zeichnet sich durch böses Starren und den völlig fehlgeleiteten Versuch aus, interessant zu wirken. Der Fokus liegt klar auf den beiden Protagonisten Spock und Kirk, die in ihren Interaktionen den Film durch stereotype Verhaltensmerkmale dominieren. Auch hier zeigen sich das schwache Drehbuch und die missende (logische) Charakterentwicklung: Spock avanciert vom arroganten Wunderkind zum gefühlsüberlaufenden Kleinkind. Der Film steigt und fällt mit seinen Charakteren. Glücklicherweise ist die vollkommene Neubesetzung und das Zurückgreifen auf unbekannte Darsteller Abrams geschicktester Zug. Chris Pine und Zachary Quinto harmonieren großartig miteinander und spielen ihre einseitigen Rollen ohne einen nennenswerten Makel. Dennoch trägt das Schauspiel nicht dazu bei, einen Wandel der Charaktere zu suggerieren und sich in den Gesamtkontext einzufügen.
Natürlich setzt J.J. Abrams besonders auf ein großes Effektgewitter. Und das gelingt ihm auch – wenngleich die Darstellung dessen eine trockene und vor allem aufmerksamkeitsheischende Maßnahme ist; denn wenn diese zum Einsatz kommt, dann richtig: Planeten stürzen ein, Raumschiffe werden in die Luft gesprengt und akrobatische Einsätze in der Luft vollführt. Das führt dazu, dass der Fokus nicht mehr auf der Geschichte, sondern den Äußerlichkeiten liegt und einen unhomogenen Gesamteindruck offenbart. Denn wenn der Film versucht von seinen Charakteren und der Geschichte abzulenken, fixiert er sich auf die Schauwerte, die abseits der wenigen gut inszenierten Actionszenen und Effektgewitter auf das Setdesign gelegt sind. Beginnend mit der stupiden Ausgangssituation, in der Kirk als Teenager klischeebehaftet mit einem Oldtimer durch eine Wüstengegend rast und von einem Polizisten verfolgt wird, ist dies schon der Beginn aller Lächerlichkeiten, die nicht nur im Drehbuch ihre Auswüchse finden: die plakative Raserei mit dem Auto in der steppenähnlichen Gegend ist der symbolische Wert der Freiheit, die der junge Kirk in diesem Moment auslebt.
Selbst die Enterprise erscheint angesichts der weiteren immensen Logiklöcher halbwegs uninteressant, obwohl deren Maschinenraum aussieht wie eine Mischung aus Brauerei und einem gut ausgestatteten Crystal-Meth-Labor. Den Höhepunkt dieser exorbitant akkumulierten Peinlichkeiten findet sich allerdings in einer Szene zwischen Spock und Kirk, nachdem Spock die Kontrolle über das Schiff bekommen hat. Um sich Kirk zu entledigen setzt Spock diesen auf einem Eisplaneten aus, woraufhin Kirk eine folgenschwere Entdeckung macht. Natürlich lässt sich dies mit dem Raum-Zeit-Paradoxon erklären, welches Abrams im Laufe des Films aufwirft und den Film damit auf eine einheitlich-dumme Ebene erhöht. Um so etwas wie Komplexität zu suggerieren, beginnt der Film sich mit einer weiteren Realitätsebene zu beschäftigen, die katastrophal ungenau an der Oberfläche stagniert und jeglichen Interessensanspruch sofort negiert.
Mit einer Laufzeit von über zwei Stunden hätte der Film in der Theorie genug Möglichkeiten um sich zu entwickeln und Charaktere sinnvoll einzuführen. Stattdessen stürzt sich Regisseur Abrams auf bekannte Motive des stereotypen Unterhaltungsfilms und schafft es nur bedingt, selbst dessen Anforderungen zu entsprechen. Zu sehr überwiegen Logiklöcher und Drehbuchschwächen, die nicht durch akzeptables Schauspielkino und Effekte wettgemacht werden können. Zu allem Überfluss agiert auch der Soundtrack auf einem dem filmischen Niveau angepassten Bereich: selten einfallsreich, zu oft konventionell. Laute Dröhnmusik, die Hans Zimmer nicht besser hätte komponieren können. Und mittlerweile ist bekannt, dass Hans Zimmer nicht mehr als Qualitätsmerkmal steht.
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