Der Mensch verspricht sich Ruhe und Frieden, Sicherheit und Abgeklärtheit, auch solche hinsichtlich der Vergangenheit und Gegenwart. Komisch wird es, da die Spezies tagtäglich nicht davon lassen kann, sich diese Zukunft zu verbauen, ob in Krisengebieten oder im Frust der First-World-Probleme. Was bleibt einem also anderes übrig, als Hoffnung über die Leinwand im abgedunkelten Kinosaal zu finden? Eine der stimmigsten Anlaufstellen wird man dieses Jahr insofern dort finden, wo ein Gene Roddenberry bereits vor knapp einem halben Jahrhundert die Utopie eines vereinigten Universums sah und als aufregende Science-Fiction voll moralischer Dilemmata und turbulenter Laseraction gestaltete. Die Rede ist von den Abenteuern des Raumschiffs Enterprise, seit 1966 durch mehrere Fernsehserien und Spielfilme in den unbekannten Weiten unterwegs, um Forschung und Kultur zu einer Föderation des Friedens und gegenseitiger Unterstützung zu vernetzen. Fünfzig Jahre können solch ein Konzept aber auch leicht verändern, weshalb wir mit „Star Trek Beyond“ nun das dritte Stelldichein eines von J.J. Abrams initiierten Reboots vorfinden, welches die Botschaft Roddenberrys seit 2009 in den Fokus der kontemporären Blockbuster-Action gerückt hat. Zwischendurch hatte sich diese zwar im Kosmos politischer Intrigen und Verschwörungen durch den Fleischwolf gedreht, um mit Gebrüll den einen oder anderen emotionalen Touch anzufechten, nun aber wird der Kurs durch Justin Lin wieder ein Stück geradegebogen.

Nicht, dass der Film für sich allein in den neuen Reisen der Raumfahrt stehen könnte, es setzt schon einiges Vorwissen voraus, um anfangs nicht mit Stichwörtern der Motivation in Kombination mit einer guten Buddel Whiskey abgespeist zu werden. Wer aber nur den Hauch einer Ahnung von der Materie hat, sollte dieser Tage keine Probleme mit Figuren haben, die sich durch ihre Handlungen und Ideale im Angesicht eskalierender Situationen kennzeichnen, wenn Lins Film auch entgegen seines Rufs als „Fast & Furious“-Vielkönner keineswegs an Action überladen ist – und dass, obwohl Kapitän James T. Kirk (Chris Pine) mit sofortiger Wirkung unfreiwillig von Radau umlagert wird, sobald eine Runde Diplomatie schiefgeht. Bei ihm schleicht sich Ungewissheit ein, wie sie trotz der Imposanz der Weltallkuppel Yorktown unvermeidlich wird. Kirk ist sich weiterhin im Unklaren, inwiefern er in die Fußstapfen seines Vaters tritt oder ein Held seines eigenen Willens ist, ob er der Aufgabe unter der Sternenflotte gerecht werden kann oder die Chance einem anderen überlassen werden sollte. Die profunden Zweifel dieses Charakters sind innerhalb der Trilogie kein Neuland, werden von den Drehbuchautoren Simon Pegg und Doug Jung jedoch derart stimmig in das Narrativ eingewoben, wie beinahe jedes Element auf den Begriff der Einigkeit verweist, der in Höchstmotivation auch an den Zuschauer via 3D übermittelt wird.

Der schwindelerregende Kreisel der Zukunft im Strom atemberaubender Technik, Seite an Seite lebender Menschen und Aliens verschiedenster Farben, Formen und sexueller Orientierungen: So gut könnte es für uns alle sein – und doch hadert nicht nur Kirk mit der Entscheidung, in welcher Richtung er sein Ziel finden kann. Sein vertrauter Freund Spock (Zachary Quinto) mag diese Gewissensbisse trotz der Rationalität eines Vulkaniers ebenso nicht herausrücken, und obwohl die Bromance zwischen ihm und Kirk längst feststeht, können sie sich fast die gesamte Laufzeit über nicht begegnen, eher in den Momenten der Entscheidung bewähren, um durch jene Erfahrung die Erkenntnis zum Buddy-Dasein zu erlangen. Die Kunst dieses Drehbuchs ist gewissermaßen seine Beiläufigkeit, die letzten Endes trotz aller Distanz so nachwirken kann, als hätte es nie eine Trennung des Duos gegeben. Mit dieser werden jedoch alle konfrontiert, sobald Bösewicht Krall (Idris Elba) einer Rettungsmission nachgehenden Enterprise per Bienenschwarm die Gurgel ab- und bereits ein frühes Highlight aufdreht, an dem die innere Verletzlichkeit von Schiff und Crew nicht nur in audiovisueller Dramaturgie eins werden. Lin schafft diese Kohärenz ohne Plattitüden, kommt zwar den Genre-Tönen nach, hyperventiliert aber nicht in einem Stil, der eine angemessene Schlichtheit für sich verbuchen sowie mehrmals auch einfach still sein kann.

Die externe Emotionalisierung Michael Giacchinos lässt er gewiss nicht vermissen, doch sie bleibt punktgenauen Einsätzen vorbehalten, wo die pre-visualisierte CGI-Arbeit ein wenig zu klotzen beginnt. Es wird jedoch bodenständiger, sobald die Notlandung auf einem fremden Planeten ansteht, alle Mitglieder der Enterprise in unterschiedliche Richtungen verschleppt werden und jeder für sich hinter das Geheimnis kommen muss, was Krall an diesem Ort hält und vor allem, wie lange noch. Das Abenteuer eines Mysteriums erhält hier in horizontal kurvender Beobachtung eine Atmosphäre, die selbst in ihren Optionen des gewissen Endes nicht der ultimativen Skepsis anheimfallen will, obgleich gerade Kralls Domizil in seiner Orientierungslosigkeit von allein schon für Gewalt zu sorgen scheint. Die Abkopplung wird zwar sein Mittel, die Vergänglichkeit der Einheit als Schwäche hinzustellen und diese in die Ecke gezwängt um ihren Lebenssaft zu bringen, doch solch brutale Segregation wird auch blind gegenüber dem Widerstand im Innern. Das Gleichnis zur aktuellen politischen Lage ist nicht schwer zu entziffern, auch wie der Film Vorbildcharakter für die Konfliktbewältigung für sich zu beanspruchen versucht.

Der Warp zur Prätension passiert aber nicht, so stimmig er dies aus der Essenz der Vorlage schöpft und ohnehin jede Überschwänglichkeit durch Taten und Spannung vermeidet. Wohlgemerkt ist sich der geschulte Zuschauer durchweg der Funktionalitäten jenes Zuspiels bewusst so wie sich manch klischeehafte Mechanik mehr als einmal bestätigt, weshalb Lin zur Mitte hin Stellen der Unbeholfenheit nicht vermeiden kann, obgleich die geradlinige Handlung straffer nicht erzählt werden könnte. Manch einer könnte an ihr auch den Charakter einer Spielfilm-tauglichen Serienepisode attestieren, so exemplarisch sie das profunde Konzept von „Star Trek“ hin und zurück beordert, geringe Mengen Technobabble anwendet und in Sachen Geduld zwei Stunden wie neunzig Minuten wirken lässt. Routine wird diese Mission aber noch lange nicht, und selbst anhand ihrer Beispielhaftigkeit stellt sie in der aktuellen Kinowelt eine der wenigen direkten und unkomplizierten Ansagen dar, mit den Fehlern der Vergangenheit zu brechen und eine Zukunft (ent)stehen zu lassen, wie wir sie uns nicht nur vom Kino wünschen.

Meinungen

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