„Kingsman – The Secret Service“, das neue Unterhaltungsstück von „Kick-Ass“-Regisseur Matthew Vaughn, nimmt als Genre-Hybrid eskapistischer Evergreens eine nicht zu vernachlässigende Sonderstellung ein: Gleichsam Comic-Verfilmung und Geheimagenten-Abenteuer, probiert er an die freimütige Glanzzeit beider Formate zu gemahnen und daraus einen eigenen Wahnsinns-Charme zu entwickeln. Die Entlastung von der thematischen Schwere, die in letzten Jahren immer tiefer mit jenen Sujets einherging, ist unschwer von Anfang an zu erkennen. Die Kingsmen schlagen darin mit übermenschlicher Finesse auf Rollenmodelle des globalen Bösewichts ein, während die ersten Texttafeln vor Glück Purzelbäume des klassischen Leinwandabenteuers schlagen; der Soundtrack mit Mark Knopflers Gitarrenriffs euphorisiert. Ebenso leichtfüßig wird der Bezug zum dargestellten Zeitgeist vornehmlich für abwegige Pointen wie auch für ein massives Arsenal an fantastischen Gadgets genutzt (obwohl diese hauptsächlich als Upgrades bekannter Genre-Lieblinge konzipiert sind). Die Kultur des Trivialkinos lebt eben hinter den Kulissen der kontemporären Großstadt weiter und bringt mit altehrwürdiger Selbstverständlichkeit den ganzen Apparat erst zum Laufen.
Entsprechend ungeniert holt der rechtschaffen-rabiate Club den potenziellen Anwärter, Eggsy (Taron Egerton), von der Straße nach einem Scharmützel unter Arschgeigen aus der Verwahrungshaft heraus. Folglich als Schützling des Geheimdienst-Gentlemans Harry Hart (Colin Firth) emporsteigend, verbindet die Beiden eine Vergangenheit im verstorbenen Vater Eggsys, der Harry einst das Leben rettete und sich dafür grotesk opferte. Daher ist Harry durch den Pathos der Wiedergutmachung motiviert, als er Eggsy in die ruppige Ausbildung zum ultimativen Eurospy einführt – auch weil dieser ein kämpferisches Potenzial birgt, es aber im Angesicht unterdrückender Vaterfiguren und der Liebe zur Mutter wegen nicht ausschöpft. Klingt wie „Boyhood“ mit Pepp, ist aber vor allem flotte Charakteretablierung ohne bleierne Schicksalsdramaturgie. In diesem Rahmen erhält man eine nachvollziehbare Grundlage fürs Ensemble, viel mehr werden dann die dynamischen Fähigkeiten eben dessen zur Schau gestellt. Die Zuschauer wissen, was Eggsy will und wir ebenso sehen wollen: Coolness und Schlagkräftigkeit, um zur persönlichen Katharsis zu gelangen.
Alle wollen sich den tollen Spaß teilen und so wird ein Team an Kids im Auswahlverfahren des unterschwelligen Agenten-Daseins an die Grenzen ihrer Ausgebufftheit gebracht. Das ist Vaughns eigenem „X-Men: Erste Entscheidung“ oder auch „Men in Black“ nicht ganz unähnlich; dennoch strebt der Film mit frischem Elan und originellen Prüfungen durchweg kurzweilig das Gelingen des Protagonisten an. Da zieht man mit, denn der Schnitt bleibt immer im richtigen Tempo an einer Stelle, bis die nächste spaßige Auflockerung kommt – ganz stark auch in Form des lispelnden Bösewichts Valentine (Samuel L. Jackson) sowie dessen zackigen Handlangern und Plänen. Letztgenannte sind entschieden weit hergeholt und übertrieben in ihrer Misanthropie – logisch, da Valentine im Gespräch mit Harry Hart den Old-School-Agentenfilm lobt, dessen unschlagbare Helden und plakative Fieslinge idolisiert. Da agiert er genauso kindlich-souverän und gerissen wie die besten Kingsmen; ist ebenso ein Spaßgarant, wenn auch von der menschheitsauslöschenden Sorte.
Ohnehin befähigt sich der Film eines ziemlich morbiden Humors, der auch mal in einem wilden Blutrausch innerhalb eines radikalen Klerus vollzogen wird. Im feinen Anzug wird knallhart ausgeteilt, gleich welchen Geschlechts und Körperteils. Die Inszenierung findet darin jedoch einen respektlosen Spaß und somit eine lockere Distanz, die sich nahtlos ins Grundkonzept des Films, dem Fun-Revival, einordnet. Löblicherweise nimmt der Spaß aber immer noch seine Charaktere ernst und setzt im dritten Akt dann auch vollends zur Erfüllung der Katharsis an, mal als Agent schlicht die Welt retten zu können. Dazu werden ebenso die Geschütze des modernen Blockbusterkinos aufgefahren; beinahe an der Grenze zum obligatorischen Ernst und CGI-Bombast der New School, doch weiterhin von sympathischer Motivation und der typischen britischen Ironie beherrscht.
Da können die Köpfe der freien Welt auch in Konfetti aufgehen und die Menschen in den Straßen sich tot boxen: KC & The Sunshine Band trällern weiterhin ihr „Give It Up“ und Underdog Eggsy steht seinen Mann im noblen Schlagabtausch. Und ein bisschen Sex von hinten darf auch nicht fehlen. Da ist er selbstbewusst, wie auch der Film seiner selbst bewusst ist; ein Maximum an Freimütigkeit im Huldigen und Spielen mit Genre-Tropes erschafft. Man entfernt sich bewusst von geistreicher Kost, aber nicht von cleveren Pointen im Dauerfeuer. Als Zuschauer braucht man dafür allerdings keine kugelsichere Weste, sondern ein erprobtes Zwerchfell und ein Gespür für effektiven Action-Spaß. Wer jene Voraussetzungen erfüllt, ist herzlich eingeladen, den Kingsmen beizutreten.
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