Ostern steht vor der Tür! Daher suchen auch wir Eier – und stellen uns Fragen des Glaubens und des Zweifels. Exklusiv am Karfreitag mit Dietrich Brüggemanns „Kreuzweg“.

Das Geschwisterpaar Brüggemann kann einem beinahe leidtun. Selbst wenn es in „Kreuzweg“ ihre Absicht war, die Schattenseiten des Fanatismus aufzudecken und an den Humanismus zu appellieren, ist ihnen leider ein tendenziell voyeuristischer und antiklerikaler Film gelungen. Dieser mobilisiert im Zuschauer die Antipathie gegen eine bornierte Religiosität, indem er ihn mit kompromissloser Härte in den Leidensweg der vierzehnjährigen, unschuldigen Protagonistin versetzt und diesen mit manipulativer Schockstarre stilisiert. Maria (Lea van Acken), die sich aufgrund eines religiösen Missverständnisses und einer erzkonservativen Erziehung in jene Situation genötigt fühlt, wird entsprechend noch stärker in dieses Schicksal getrieben, je uneinsichtiger und oft auch tobsüchtig ihre Mutter (Franziska Weisz) sie beeinflusst.

Regisseur Dietrich Brüggemann lenkt unser emotionales Verständnis dabei mit einer minutiös durchgeplanten Statik sowie einer Kapiteleinteilung, welche die Geschehnisse mit dem Kreuzweg Jesu gleichzustellen vermag. Ihm liegt es daran, ein möglichst authentisches Abbild der Gegenwart zu erschaffen, ordnet dieses aber gleichzeitig einer narrativen Struktur unter, die dem Medium Film zwar gerecht wird, aber nicht immer der erwünschten Gefühlsnähe. Problematisch wird dies durch die omnipräsente Dringlichkeit des Themas, die fern jeder Subtilität arbeitet. Dabei äußern sich teils gestellte Streitgespräche, die permanent grundlose Fiesheiten verdichten (speziell die Figur der Mutter hadert vergeblich damit, die Authentizität verblendeter Autorität zu vermitteln) und gerade durch die alternativlose Bildkomposition einen Eindruck von herbei geschriebenen Konflikten vermitteln. Die Effektivität der klaustrophobischen Gefühle lässt sich daran nicht verleugnen – doch es sind größtenteils die einzigen Gefühle, die Brüggemann überhaupt zulässt.

An Kurzweil mangelt es dem Film jedoch keineswegs, dafür hält er trotz seiner eingeschränkten visuellen Vermittlung ein schönes Gleichgewicht von Seelenpein und schwarzem Humor anhand seiner pointierten Erzählung bereit. Die oft plakativen Manifestationen der öffentlichen Meinung über Religion suggerieren dem unbedarften Zuschauer jedoch oftmals das Gefühl, dass nur Religion falsch und ungerecht sein kann – jedenfalls soweit, wie Brüggemann seine Hardliner-Variante des Katholizismus darstellt und zumindest noch den Evangelismus als gütigere Option zum Vergleich stellt. Dabei bezieht er seinen fiktiven Konflikt auf wahrhaftige Praktiken und weitet deren Auswüchse in ein Worst Case Scenario der Verständnislosigkeit sowie der Vernachlässigung mit viel zu später, ästhetisch-vorwurfsvoller Läuterung aus. Marias Fall wird somit zu einer extremen Veranschaulichung einer Problematik, die weit mehr Feingefühl und Objektivität erfordert, derer Brüggemann mit seiner einseitigen Emotionalisierung jedoch schlicht schuldig bleibt.

Ein kurzes und christlich motiviertes Aufbegehren aus dieser aufgedrängten Grausamkeit findet sich letzten Endes in der Suggestion, dass Marias bitter herbeigeführtes Opfer doch noch das Wunder bewirkt, dass sie sich dadurch erhofft hatte – nämlich, dass ihr vierjähriger Bruder wieder seine Sprache erlangt. Aufgrund der streng naturalistischen Visualisierung im Blick auf den vermeintlich seligen Himmel bleibt diese Vorstellung allerdings nur ein eventueller Wunschtraum. Die Grundidee des Films beherbergt durchaus Potenzial – und vor allem das Spiel von Hauptdarstellerin Lea van Acken veranschaulicht ein eindrückliches Panorama von der perfiden Verblendung hin zum daraus resultierenden, unnötigen Leiden. Durch die Gestaltung dieses Sachverhalts bleibt man als Zuschauer aber ein latent quälender Voyeur, welcher seine Anteilnahme eher aus dem Antagonismus gegen religiösen Fanatismus definiert, anstatt das Thema mit differenziertem Verständnis ergründen zu dürfen.

Hier wohnt man einer pathologischen Zersetzung mit Belehrungsabsicht bei – ein Dialog über die dargestellten Problematiken lässt sich darauf nur mäßig aufbauen. Aber so müssen Leidensgeschichten nun mal sein: besonders grausam. Nur muss dafür auch eine Empathie jenseits konstruierter Bösartigkeiten gegeben sein, um sich in die Figuren einfühlen zu können. „Kreuzweg“ zehrt zwar am Gerechtigkeitssinn des Zuschauers, doch für eine wirksame Konfrontation mit den Missständen der Religion erliegt er zu sehr simplen Schockwerten.

Meinungen

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